Bochum. Bochum baut seine City um. Dazu gehört der ehrgeizige Umbau des Telekomblocks. Der muss zunächst entkernt und von Schadstoffen befreit werden.
Der Stadtumbau im westlichen Teil der City von Bochum ist im vollen Gang: Sichtbar am Viktoria-Karree, das derzeit seine äußere Hülle bekommt, und noch eher verschwiegen direkt nebenan. Dort, wo aus dem Telekomblock bis 2026 das Haus des Wissens entsteht, wird im Inneren der von 1926 bis 1931 erbauten Hauptpost so gut wie alles herausgerissen. Vor allem die Schadstoffe.
Schadstoffe müssen raus: Asbest, KMF, PCB, PAK
Vieles davon wurde erst verbaut und verarbeitet im Zuge der Umbauten in den vergangenen Jahrzehnten. „Es gibt hier alles: Asbest, KMF, PCB, PAK, Quecksilber“, sagt Christoph Sobotta, Architekt bei den Zentralen Diensten der Stadt und einer der Projektleiter. Aber nicht nur in den 1960er, 70er und 80er Jahren verwendetes Baumaterial enthält schädliche Stoffe.
Noch zu Zeiten der Reichspost, die das Gebäude in den 20er Jahren in Auftrag gab, wurde Material verwendet, das sich später als schädlich herausstellen sollte. „Teer zum Beispiel“, sagt Sebastian Lange, Projektleiter des mit der Schadstoffsanierung beauftragten Linkamp GmbH aus dem sauerländischen Anröchte.
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Das klebrige Dichtungsmittel könnte abgekratzt werden. „Aber wir machen das mit Wasser“, erklärt der Chefsanierer. Ein Hochdruckreiniger schleudert mit 3000 bar Druck Wasser an die Wand, löst den Teer, der anschließend vom Wasser getrennt und entsorgt wird. „Das ist wie Schneiden“, so Lange. Zum Vergleich: Eine Espressomaschine drückt Wasser mit neun bis elf bar durch das Kaffeemehl.
Schadstoffe werden aufbereitet, verbrannt oder vergraben
Seit April arbeiten die Schadstoffexperten in Bochum. Fertig werden sie voraussichtlich im März 2023. Gearbeitet wird natürlich mit Maschineneinsatz. „Aber vieles hier muss händisch erledigt werden“, so Lange. Und das dauert.
Schaltzentrale der Telekom bleibt unangetastet
Nahezu das gesamte alte Postgebäude wird im Zuge des Umbaus auf den Kopf gestellt: bis auf die Schaltzentrale. In einem Abschnitt von der Größe in etwa eines großen Containers hat die Telekom die Verbindung von bis zu 40.000 Anschlüssen aufgebaut. Und die sind für den neuen Bauherrn unantastbar.
“Wir bauen also um die Schaltzentrale herum“, sagt Christoph Sobotta von den Zentralen Diensten der Stadt. Es ist nur eine von vielen Herausforderungen, die der Bau im Bestand mit sich bringt.
Wie zum Beispiel, um 5,5 Kilometer Kabelummantelung zu entfernen und 6500 Quadratmeter Trockenbauwände auszubauen; vieles davon in eingehausten Bereichen, die erst dann wieder abgebaut werden dürfen, wenn sie nicht nur besen-, sondern nach der Messung durch Gutachter auch schadstoffrein sind.
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Rausgeschafft werden die schädlichen Stoffe „sortenrein“, wie es in der Fachsprache heißt. Will sagen, alles wird sorgfältig getrennt, luftdicht in Säcke verpackt und abtransportiert. Die Wege des Sondermülls sind unterschiedlich: Einiges wird aufbereitet, einiges verbrannt und einiges auch auf Deponien vergraben. „Das betrifft Asbest und KMF“, erklärt Sebastian Lange. KMF, künstliche Mineralfasern, komme im Telekomblock unter den Schadstoffen am meisten vor.
Kantine ist nur scheinbar holzvertäfelt
Und dann gibt es noch die Kuriositäten. Wie die Kantine im Stil der 1970er Jahre. Holzvertäfelt. Vermeintlich jedenfalls. „Das haben wir zuerst jedenfalls gedacht“, sagt Britta Freis, die zweite Projektmanagerin der Stadt beim Haus des Wissen. „Tatsächlich ist das KMF und Asbest“, so Schadstoffexperte Sebastian Lange. Alles muss raus. Bis März 2023. Von der alten Hauptpost bleibt nur noch der blanke Kern.
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Die Umbauten des Bestandsgebäudes und der Neubau der Markthalle im Hof des alten Postgebäudes sind dann schon angelaufen. Erstmals sichtbar wird die Baustelle für die Bochumerinnen und Bochumer voraussichtlich Ende des Jahres, wenn die Betondecken ausgebaut werden. Um die bis zu 14 Meter hohen Wände stabil zu halten, müssen dazu an der Viktoriastraße dreieckige Stahlträger aufgestellt werden: mit sechs Meter Kantenlänge auf Bodenniveau und eben mehr als 14 Meter in Richtung Dach. Bis Ende 2023 werden dann leichtere und brandschutzsicherere, aus Holz und Beton konstruierte Decken eingezogen, so Architekt Christoph Sobotta.
Unter der Markthalle werden 48 Bohrungen tief in die Erde getrieben
Der Grundstein für die Markthalle wird dann bereits gelegt sein. „Das geschieht voraussichtlich im Herbst 2023“, so Britta Freis. Vorher muss der Bunker unter dem Innenhof aus der Erde gebuddelt werden. 40 bis 60 Zentimeter dicke Betonwände auf einer Länge von etwa 20 mal 40 Metern, dazu die jeweils 80 Zentimeter dicke Boden- und Deckenplatte. Erschütterungsarm sollen sie mit einer überdimensionalen Kneifzange aufgebrochen werden. In dem Bunker tief unter der Erde sollten im Falle eines Krieges Postbedienstete Unterschlupf finden und die Notbetrieb-Telefonanlage bedienen.
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Wenn der Beton raus ist, kommt neuer rein. „1,20 Meter dick wird die neue Bodenplatte für die Markthalle“, sagt Christoph Sobotta. Darunter werden 48 Bohrungen bis zu 99 Meter tief in die Erde getrieben. Sie sorgen später dafür, dass das gesamte Gebäude mit Geothermie zum Wärmen und Kühlen versorgt werden kann. Zukunftsmusik. Erst einmal muss der Bunker raus.