Bochum. Bochum hat gerade sein 700-jähriges Bestehen gefeiert. Und doch geht es nicht pfleglich mit der Stadtgeschichte um – so jedenfalls die Kritik.
Historisches gibt es in Bochum an allen Ecken und Enden zu sehen – trotz der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Die Denkmalliste der Stadt ist lang, allein 707 Baudenkmäler werden darin genannt. „Aber mit den historischen Hinterlassenschaften wird in unserer Stadt häufig alles andere als pfleglich umgegangen“, beklagt Felix Haltt, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Rat.
Bezirksbürgermeister Gräf sieht keinen Anlass zur Erinnerung
Zu sehen sei das etwa am Ehrenmal an der Hattinger Straße auf der Höhe des Schlossparks Weitmar. „Mittlerweile hat man den Eindruck, dass die Natur die Denkmalsanlage fast vollständig übernommen hat. Die gesamte Anlage ist überwuchert“, so Haltt. Er mahnt, historische Relikte dürfte die Stadt nicht einfach verfallen lassen.
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Genau das aber geschieht an der Hattinger Straße, wie Bezirksbürgermeister Marc Gräf (SPD) zugibt. „Wir lassen buchstäblich Gras darüber wachsen, weil das kein Ort ist, der an irgendetwas erinnert. Und es gibt auch keinen Anlass zur Erinnerung, das ist kein Denkmal.“ Zu vieles sei mittlerweile zerstört, wie etwa ein in den 1920er Jahren aufgestellter Bronze-Löwe, der später in der Kriegszeit eingeschmolzen wurde. Andere Elemente des einstigen Mahnmals seien in der Nachkriegszeit abgeschlagen worden. Seit Jahren habe sich auch niemand mehr dafür interessiert. Im Übrigen gebe es an anderen Stellen in Bochum Erinnerungsstätten, die an Krieg und Kriegsopfer erinnerten.
15 Kriegerehrenmale in Bochum sind geschützt
Nach Auskunft der Verwaltung gibt es etliche Kriegerehrenmale in Bochum. Nicht alle seien Denkmäler im Sinne des Denkmalschutzgesetzes. Insgesamt gibt es 26 Ehrenmale, davon 15 Kriegerehrenmale, die unter Schutz gestellt und in die Denkmalliste der Stadt eingetragen sind.
Aus Sicht von Bezirksbürgermeister Gräf gibt es keinen Grund, die Stätte an der Hattinger Straße zu pflegen oder zu restaurieren. Auch sollte kein Geld in die Hand genommen werden, um sie zu beseitigen. Das könne sinnvoller an anderer Stelle genutzt werden.
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FDP-Fraktionschef sieht Chance für einen neuen Ansatz
Gründe für eine Auseinandersetzung mit der Anlage sieht FDP-Mann Haltt schon: „Natürlich irritieren uns solche Denkmäler heutzutage. Mit Gott für König und Vaterland muss zum Glück niemand mehr in den Krieg ziehen. Diese Relikte gehören aber zu unserer Geschichte. Wir können ihr nicht einfach ausweichen, sondern müssen uns ihr immer wieder stellen.“
Ursprung im 19. Jahrhundert
Die ursprünglich 1926 enthüllte Denkmalanlage an der Hattinger Straße bestand aus einem quaderförmigen Sockel und einem Bronzelöwen, von zwei Pfeilen getroffen. Das Denkmal erinnerte an die im Ersten Weltkrieg Gefallenen des Bärendorf-Brantroper Landwehrvereins.
Die Ursprünge gehen auf eine noch ältere Gedenkstätte aus dem Jahr 1866 zurück.
Und dass der Sockel, auf dem einst der Bronze-Löwe stand, mittlerweile in den Farben der Ukraine besprayt wurde, biete geradezu die Chance für einen neuen Ansatz. Haltt: „Denkmäler, die den Krieg einst heroisierten, können zu neuen Mahnmalen werden.“ Denkmalpaten seien eine Möglichkeit, „um eine neue Erinnerungskultur für die teilweise vergessenen Krieger- und Nationaldenkmäler in Bochum zu schaffen“.
Neues Denkmalschutzgesetz gibt Städten mehr Entscheidungskompetenz
Für die Unter-Schutz-Stellung von Orten, Flächen und Gebäuden ist die Untere Denkmalbehörde der Stadt zuständig. Um die Unterhaltung und die Pflege kümmern sich die technischen Ämter. Eigenes Personal oder Budget gibt es dort nicht für die historischen Orte.
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Auf die städtischen Denkmalpfleger kommt derweil mehr Arbeit und Verantwortung zu. Nach dem neuen Denkmalschutzgesetz in NRW entscheiden seit Anfang Juni nun die lokalen Behörden und nicht landesweite Fachämter über den Erhaltungswert von Gebäuden und Anlagen. „Es kommen schwere Zeiten für Denkmale in NRW“ heißt es bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Sie fürchtet, dass Denkmale in den Kommunen eher als Probleme denn als gesellschaftlicher Wert eingeordnet und etwa wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden.
Stadt nimmt Architektur der 1960er bis 1980er Jahre unter die Lupe
Die Stadt prüfte derweil, wie hoch der zusätzliche Personalbedarf durch die Novellierung ist. Zumal es noch reichlich Aufgaben gebe. Ein Großteil der Objekte, die bis in die 1950er Jahre entstanden sind, seien inventarisiert. Nun werde in Kooperation mit dem Kunstgeschichtlichen Institut der Ruhr-Universität die Architektur der 1960er bis 1980er Jahre unter die Lupe genommen.