Bochum. „Keiner blickt durch“: In den Corona-Testzentren in Bochum herrscht reichlich Durcheinander. Ein Betreiber spricht gar von einer „Katastrophe“.

In Bochum könnte es ab Donnerstag zu einer sprunghaften Oma-Vermehrung kommen. Anlass: Bochum Total und die neuerdings gebührenpflichtigen Corona-Tests. „Viele junge Leute erklären uns seit letzter Woche, dass sie heute ihre Großmutter besuchen wollen. Dann kosten die Tests nur drei statt zehn Euro“, sagt die Mitarbeiterin einer Teststelle am Hauptbahnhof. Gut möglich, dass zum Start von Bochum Total jede Menge Besucher auf diese Idee kommen. „Wobei jedem klar ist: So viele Omas kann es in Bochum gar nicht geben.“

„Chaos“, „politisches Armutszeugnis““, „Wirrwarr“: Verheerend fallen die Kommentare zur jüngsten Corona-Testverordnung aus. Zehn Euro? Drei Euro? Oder doch weiterhin kostenlos? „Das Durcheinander ist gewaltig“, sagt Dr. Kenan Katmer, der drei Testzentren in Bochum unterhält. „Wir hätten viel mehr Vorlauf benötigt. So werden sowohl die Bürger als auch wir Betreiber kalt erwischt. Meine Mitarbeiter werden beleidigt. Die Testungen sind um bis zu 70 Prozent gesunken. Eine Katastrophe.“

Corona in Bochum: „Wer Verantwortung zeigt, wird bestraft“

Eine WAZ-Stichprobe am Mittwoch in der Innenstadt bestätigt den Befund. „Kaum einer blickt noch durch“, schildert eine Mitarbeiterin im „Bermuda-Care“-Zentrum an der Viktoriastraße. Die Tests, sonst rund 300 täglich, hätten sich seit Monatsbeginn halbiert. „Wer verantwortungsbewusst ist und sich etwa nach dem Urlaub oder einem Festivalbesuch testen lassen will, wird dafür bestraft“, heißt es in einer Teststelle am Hauptbahnhof. Wer höre, dass er ohne konkreten Anlass zehn Euro bezahlen soll, „kehrt schnell wieder um“.

Auch interessant

Plötzlich Wettbewerb: In einem Bonner Testzentrum wird für einen Bürgertest nur ein Euro verlangt.
Von Annika Fischer und Lokalredaktionen

Mit drei Euro sind Edelgard (78) und Günter Vohwinkel (80) dabei. Am Wochenende sind die Eheleute von einer Adria-Kreuzfahrt heimgekehrt. Ihre Corona-Warnapp zeigte wenig später rot. „Wir hatten bisher kein Covid und wollen auf Nummer Sicher gehen“, sagen die Rentner in einer Teststelle in der Bochumer City. Verstehen können sie die Neuregelung nicht: „Um die Pandemie zu bekämpfen, wäre es besser, wenn die Tests für alle kostenlos geblieben wären.“

Lisa Rudolph verzeichnet im Testzentrum von Dr. Katmer auf der Huestraße rund 50 Pozent weniger Kunden.
Lisa Rudolph verzeichnet im Testzentrum von Dr. Katmer auf der Huestraße rund 50 Pozent weniger Kunden. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

WAZ-Leser fragt: 60 Euro für Besuchertests für das Seniorenzentrum?

„Das kann doch nicht wahr sein!“, zürnt ein WAZ-Leser, dessen Schwiegervater (95) in einem Pflegeheim lebt. „Die kostenlosen Besuchstests sind vom Heim kurzfristig mit Verweis auf ein naheliegendes Testzentrum eingestellt worden. Hier will man zwölf Euro, außer man hat eine tagesaktuelle Bescheinigung vom Pflegeheim. Die gibt es dort aber nur werktags bis 17 Uhr und nicht am Wochenende. Wenn mein Sohn, berufstätig, mit seiner Familie, fünf Personen, seinen Großvater besuchen will, muss er 60 Euro bezahlen.“

Auch interessant

In den Seniorenzentren der Awo Westliches Westfalen gilt: „Wer seine Angehörigen besucht, kann sich in der Einrichtung eine formlose Bescheinigung aushändigen lassen und hat damit weiterhin Anspruch auf einen kostenlosen Test“, so Sprecherin Katrin Mormann. Auch in den Heimen werde getestet. „Generell gilt, dass die Häuser täglich mindestens einen Termin anbieten.“

Kliniken verweisen auf Eigenerklärung

Auch in den Kliniken wird ein tagesaktueller Test verlangt. Das Bergmannsheil verweist auf die Eigenerklärung zum „Nachweis des Anspruchs auf Bürgertestung“ des NRW-Gesundheitsministeriums. „Unsere Ambulanzen informieren die Patienten im Vorfeld ihres Termins bei uns im Haus über die Nutzung des Formulars und stellen dieses bei Bedarf auch gerne zur Verfügung“, erklärt eine Sprecherin.

Corona-Tests: Wer zahlt wie viel?

In Bochum sind aktuell 287 Corona-Teststellen registriert – zwölf weniger als Ende Juni.

Kostenlos bleiben die Bürgertests u.a. für Kinder unter fünf Jahren, Besucher von Kliniken und Pflegeheimen, Menschen, die mit einer infizierten Person zusammenleben, Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können (etwa Schwangere), sowie Infizierte, sie sich freitesten wollen.

Drei Euro zahlt u.a. wessen Corona-Warnapp rot zeigt oder wer jemanden besuchen will, der über 60 Jahre oder vorerkrankt ist.

Tests ohne Anlass kosten in der Regel zehn Euro.

„Die Buchung von Besuchsterminen erfolgt weiterhin über das bewährte onlinebasierte Tool“, teilt die Augusta-Klinik mit. „Seit dem 30. Juni erhält der Besucher nach Buchung automatisch eine personalisierte Bestätigung zur Vorlage im Testzentrum.“ Das Katholische Klinikum Bochum ergänzt mit Blick auf die Selbstauskunft in der Teststelle: „Die Berechtigung wird durch eine Unterschrift der zu testenden Person bestätigt.“

Kostenlos sind die Corona-Schnelltests nur noch in Ausnahmefällen. Das sorgt für Ärger.
Kostenlos sind die Corona-Schnelltests nur noch in Ausnahmefällen. Das sorgt für Ärger. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Appell an die Besucher von Bochum Total

Das Bergmannsheils appelliert derweil bei Bochum Total an die mehr als 500.000 erwarteten Besucher, sich vor und nach dem Festival testen zu lassen. Das kostet regulär zehn Euro. Es sei denn, man gibt in der Teststelle an, einen Menschen zu besuchen, der über 60 ist. Dann werden drei Euro fällig.

Oma wird sich freuen.