Bochum. Mehr als 50 Geflüchtete aus der Ukraine fanden ein Obdach im Containerdorf des Bochumer Varietés et cetera. Jetzt heißt es: Mission erfüllt!
Miia und Leia sind die jüngsten Bewohnerinnen im Varieté et cetera. Am 18. Mai wurden die Zwillinge im St.-Elisabeth-Hospital geboren. Ihre Eltern Tanja (29) und Sasha (32) haben derzeit mehrere Termine für Wohnungsbesichtigungen. Denn die Notunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine unweit der glitzernden Showbühne an der Herner Straße ist bald Vergangenheit.
Beispiellos war die Hilfsbereitschaft, als im Frühjahr die ersten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Bochum eintrafen: fast ausnahmslos Frauen, Kinder und Senioren. „Für uns war klar: Wir müssen etwas machen! Immerhin hatten und haben wir immer wieder Künstler und Mitarbeiter aus der Ukraine – und deren Sorgen zuletzt hautnah mitbekommen“, sagen Silvia und Ronny Cabello, die seit 30 Jahren das Varieté et cetera betreiben. Zwar haben sie seit 2020 unter den Corona-Lockdowns massiv gelitten. „Aber wir haben dank der staatlichen Fördergelder überlebt. Jetzt sind wir es, die etwas zurückgeben wollen.“
Containerdorf bot mehr als 50 Geflüchteten ein sicheres Obdach
Binnen weniger Tage, während der laufenden Frühjahrsstaffel, wurde im März auf dem Gelände hinter dem Theater ein Wohnquartier mit sechs gemieteten Doppelcontainern aus dem Boden gestampft: mit jeweils vier Betten, Heizung, Mobiliar und kleiner Küche. Ein Sanitär-Container mit Duschen und ein kleiner Spielplatz gehörten dazu.
Mehr als 50 Geflüchtete fanden in den vergangenen drei Monaten ein Obdach in Riemke – darunter 19 Kinder. Ehrenamtliche Paten begleiteten sie u.a. bei Behördengängen. Von großer Dankbarkeit berichten Silvia und Ronny Cabello; von unerträglicher Verzweiflung, Trauer und Angst um die Liebsten daheim, aber auch vom Glück, in Sicherheit zu sein.
Geldspenden decken Kosten von mehr als 20.000 Euro
Dazu leisteten zahlreiche Bochumerinnen und Bochumer einen Anteil. Mit mehr als 20.000 Euro waren die Cabellos für das Containerdorf in Vorleistung getreten. Sie hofften, über ihren neu gegründeten Verein „et cetera hilft“ zumindest einen Teil zu refinanzieren. „Es ist überwältigend: Neben den Sachspenden sind auch so viele Geldspenden eingegangen, dass sämtliche Kosten gedeckt sind“, freut sich Silvia Cabello.
Knapp 3000 geflüchtete Ukrainer leben in Bochum
Aktuell sind 2978 Geflüchtete aus der Ukraine in Bochum registriert.Vielen gelingt es, Wohnungen zu beziehen. „Die Anzahl der Menschen, die noch in Übergangseinrichtungen untergebracht sind, geht zurück“, berichtet Stadtsprecherin Nina Klein.Weil sich die Lage entspannt hat, gelten im Amt für Soziales an der Diekampstraße ab 1. Juli wieder die regulären Öffnungszeiten: montags, mittwochs und donnerstags jeweils von 9 bis 13 Uhr.
Dazu haben auch die Ukrainerinnen selbst beigetragen. Bei jeder Varieté-Vorstellung betreuten zwei junge Frauen die Garderobe und baten um eine Spende für „et cetera hilft“. Kaum ein Besucher, der nicht großzügig sein Portemonnaie zückte.
In den letzten Wochen wurde manche Abschiedsträne geweint. Zwei Familien sind trotz der anhaltenden Bombenangriffe nach Kiew zurückgekehrt. Anderen Geflüchteten gelang es auch dank des städtischen Sozialamts, eine Wohnung zu finden.
Künstler-Apartments können bis September genutzt werden
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Zehn Erwachsene und sieben Kinder sind weiterhin Gäste des Theaters. Zwar wird das Containerdorf in diesen Tagen abgebaut. „Es hat seinen Zweck erfüllt und wird nicht mehr benötigt“, sagt Ronny Cabello. Doch die Geflüchteten konnten in die in der Sommerpause leerstehenden Künstler-Apartments wechseln. Bis zum Start der Herbststaffel „90´s Flashback!“ Anfang September ist in den Holzhütten Platz.
Tanja und Sasha sind zuversichtlich, mit ihren Zwillingen bis dahin eine Wohnung gefunden zu haben. Die Tänzerin und der Schauspieler aus Kiew wollen vorerst in Bochum bleiben. Ebenso wie ihre Landsfrau Svetlana, die mit ihren drei Kindern im Theater wohnt. Sie wird hier künftig auch Geld verdienen – als Reinigungskraft.