Bochum. Die Flüchtlingskrise wird sich weiter verschärfen, befürchtet die Awo Bochum. Und fordert mehr Geld, neue Gesetze und eine bessere Bürokratie.
Mariia wohnt seit März in Bochum-Wattenscheid, mit ihrem zwölfjährigen Sohn ist sie aus der Ukraine geflohen. Gerade noch rechtzeitig, bevor die russische Armee die Vororte von Kiew erobert, verwüstet und viele Zivilsten ermordet hat. Über Berlin ging es mit dem Zug Richtung Ruhrgebiet, im Gepäck nur das Allernötigste. „Wir sind jetzt in Sicherheit und dankbar für die große Unterstützung hier“, sagt die 43-Jährige mit Tränen in den Augen.
Untergebracht sind sie im City Max-Hotel in Wattenscheid-Mitte. Ihr Ehemann musste zurückbleiben. „Seit Anfang Juni haben wir keinen Kontakt mehr, ich hoffe, er lebt.“ Sie informiert sich täglich über den Krieg in der Ukraine. „Die Situation dort ist sehr schlimm. Aber trotzdem hoffe ich, dass wir in unsere Heimat zurückkehren können.“
Aus der Ukraine nach Bochum geflüchtet
Ihr Sohn besucht seitdem die MSM-Gesamtschule in Wattenscheid-Westenfeld. Auch dafür hat die Awo Bochum gesorgt, ebenso für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung der Menschen in dem angemieteten City Max-Hotel in Wattenscheid, wo derzeit 32 Flüchtlinge aus der Ukraine wohnen. In der Spitze waren es 50. Hauptsächlich Frauen und Kinder.
Probleme bei der Migrationsarbeit in Bochum
„Das ist nur ein Teil unserer Arbeit mit Flüchtlingen und Asylbewerbern“, erklären Mustafa Calikoglu und Sami Bouhari von der Awo Ruhr-Mitte, die gemeinsam mit anderen Trägern ein breites Spektrum an Beratung und Unterstützung im Bereich Migration, Integration und Flüchtlingshilfe anbietet. Allein die Awo beschäftigt dafür rund 30 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und viele ehrenamtliche Kräfte sind aktiv. „Das Angebot reicht von Sprachkursen über Hilfe bei Behördengängen bis zur Unterbringung der Kinder in Kitas und Schulen.“ Den Weltflüchtlingstag am 20. Juni nehmen sie zum Anlass, über die Arbeit und die Probleme in Bochum zu berichten.
Schwierigkeiten mit Behörden
Das reiche von Schwierigkeiten mit den diversen Behörden über schleppende Asylbewerberverfahren bis zur mangelnden, nicht perspektivisch ausgerichteten finanziellen Förderung der Integrationsarbeit. „Der Bedarf und die Nachfrage sind enorm gewachsen und werden in Zukunft weiter steigen. Migration ist zunehmend eine gesellschaftliche Herausforderung, der wir uns verstärkt stellen müssen“, meinen sie. Ziel müsse sein, die Menschen so schnell wie möglich in die Gesellschaft und Arbeitswelt zu integrieren – man verfolge dabei einen ganzheitlichen Ansatz.
Ganzheitlicher Integrationsansatz
„Wir wollen Begegnungsräume schaffen und damit den Kontakt mit einheimischen Bürgern fördern.“ Und bezogen auf die Wirtschaft betonen sie: „Wir haben in Deutschland einen wachsenden Mangel an Arbeitskräften, vor allem an Facharbeitskräften. Und je schneller die Verwaltungsverfahren abgeschlossen sind, desto rascher können diese Menschen hier beruflich Fuß fassen.“ Sie hoffen jetzt auf eine entsprechende Reform des Einwanderungsgesetzes durch den Bund. „Der rechtliche Status dieser Menschen muss dabei schnell geklärt sein.“
Flüchtlinge und Asylbewerber
Woran es hapert, zeige sich auch am Beispiel von Amin Fahad. Der 56-jährige Mediziner ist 2014 aus Syrien geflüchtet. Lange habe es gedauert, bis seine Ausbildung hier anerkannt wurde. „Zwischenzeitlich hatte ich eine Stelle als Allgemeinmediziner, musste sie dann aber aufgeben, weil das Asylbewerberverfahren durch Versäumnisse der Ausländerbehörde noch nicht abgeschlossen war.“ Was jetzt aber endlich der Fall sei. Anfragen von Hausarztpraxen habe er viele.
Awo Bochum kümmert sich
Die Awo Bochum kümmert sich auch um einen anderen Fall: Suzyip Örenli ist vor neun Monaten im Boot über Griechenland aus der Türkei geflohen, wo er nach dem Putschversuch 2016 politisch verfolgt worden sei. Als Lehrer. „Ich habe mich kritisch über die Erdogan-Regierung geäußert. Dafür saß ich zehn Monate im Gefängnis, unter schlimmsten Bedingungen. Meine Anstellung habe ich verloren, es folgten Repressalien. Zurücklassen musste ich bei der Flucht meine Frau und zwei Kinder“ – er hofft, dass sie nachkommen können. Sein Asylverfahren läuft.