Bochum. Ein Bochumer Schornsteinfeger bekommt die Diagnose Blutkrebs. Und hat enormes Glück: Die DKMS findet einen Stammzellspender. Diesen traf er nun.

„Das Gesicht der Ärztin werde ich nie vergessen – wie sie sagte: ,Ihr Blut nimmt wieder Farbe an’“, erinnert sich Michael Wagner an den Moment, als der Strohhalm, an den er sich klammerte, ihn doch hielt. 2017 wurde bei dem Schornsteinfegermeister und freiwilligen Feuerwehrmann akute Leukämie diagnostiziert, doch eine DKMS-Stammzellspende konnte ihn retten. Nun konnte der Bochumer (53) seinen Lebensretter endlich in die Arme schließen.

DKMS-Stammzellspende rettet Bochumer das Leben – nun trifft er den Spender

„Kommen Sie sofort in die Praxis“, hörte Wagner im Herbst 2017 seinen Hausarzt durchs Telefon sprechen. Und konnte es nicht glauben. Zuvor an dem Tag war der damals 49-Jährige auf einem Dachboden seiner Arbeit nachgegangen – als sich plötzlich alles um ihn drehte. „In all den Jahren als Schornsteinfeger und Feuerwehrmann hatte ich nie Probleme mit Schwindel. Doch an jenem Tag konnte ich mich gerade noch auf einen Stuhl retten.“ Nach dem großen Check-up der Blutwerte beim Arzt schlug dieser dann Alarm.

Michael Wagner betreibt in Bochum in zweiter Generation einen Schornsteinfegerbetrieb. Als die Diagnose Blutkrebs kam, musste sein Vater seine Pension unterbrechen, um den Betrieb übergangsweise wieder zu führen.
Michael Wagner betreibt in Bochum in zweiter Generation einen Schornsteinfegerbetrieb. Als die Diagnose Blutkrebs kam, musste sein Vater seine Pension unterbrechen, um den Betrieb übergangsweise wieder zu führen. © Michael Wagner

Wagner habe kaum noch eine Immunabwehr, einen Mangel an gesunden weißen Blutkörperchen und Probleme bei der Bildung der roten Blutkörperchen. „Können Sie mir da etwas verschreiben?“, hatte er damals gefragt, woraufhin ihm sein Arzt antwortete: „Da gibt es keine Tabletten. Sie haben Leukämie.“ Er müsse wegen drohendem Organversagen sofort in eine Klinik, so der Hausarzt. Doch an dem Bochumer sei in diesem Moment schon sein Leben vor dem innerem Auge vorbeigezogen.

Diagnose „akute myeloische Leukämie“ im Knappschaftskrankenhaus Bochum

Im Bochumer Knappschaftskrankenhaus wurde dann eine akute myeloische Leukämie (AML) festgestellt. Laut Wagner führten Onkologe Prof. Roland Schroers und sein Team unzählige Untersuchungen durch und begannen sofort mit der Therapie. Um Zeit zu überbrücken und zur Unterstützung der Behandlung erhielt er insgesamt 20 Vollblutspenden.

Eine wirkliche Perspektive auf Rettung gebe aber nur eine passende Stammzellspende. Doch schon nach drei Wochen meldete sich die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS): Ein passender Spender sei gefunden! „Das ist sehr schnell. Ich hatte großes Glück“, sagt Wagner. Andere warteten Monate – manche auch vergeblich.

Diagnose Blutkrebs

Obgleich die Ursachen für die Entstehung von Leukämie noch weitgehend unbekannt sind, gibt es Faktoren, die das Risiko, an einer Leukämie zu erkranken, erhöhen: Erbliche Veranlagung, radioaktive- und Röntgenstrahlen sowie bestimmte chemische Substanzen, so die Deutsche Krebsgesellschaft.

„35 Jahre als Schornsteinfeger und 40 Jahre bei der Freiwilligen Feuerwehr – da hatte ich viel mit Verbrennungs- und Ölrückständen zu tun“, resümiert der Bochumer Michael Wagner.

Aufgrund des höheren Krebs-Risikos unter Feuerwehrleuten setze sich die Gesellschaft „Feuerkrebs“ daher dafür ein, die Gesundheits- und Arbeitsbedingungen in den Feuerwehren zu verbessern.

Doch der Moment der großen Erleichterung musste bei dem zweifachen Familienvater aus Weitmar noch mal weichen. „Der Horror kam dann. Mein ganzes Blut und Knochenmark musste durch eine extrem harte Chemo.“ Bevor die Stammzellspende durchgeführt wird, muss der Blutkrebs bekämpft und Wagners Immunabwehr „auf 0 gesetzt“ werden – es folgten belastende Wochen auf dem Isolierzimmer.

Freunde und Familie bastelten Michael Wagner (53) für die Zeit seiner Leukämie-Behandlung im Knappschaftskrankenhaus Bochum Foto-Collagen.
Freunde und Familie bastelten Michael Wagner (53) für die Zeit seiner Leukämie-Behandlung im Knappschaftskrankenhaus Bochum Foto-Collagen. © Michael Wagner

Derweil erfuhr ein Altenpfleger aus Aldenhofen (Kreis Düren), damals 39 Jahre alt, vom „Match“ der DKMS. Frank Spröte hatte sich bereits 2009 registrieren lassen. Nach der Nachricht der DKMS sei er in einer Kölner Klinik „körperlich auf den Kopf gestellt“ worden – und erhielt eine Spritze, die seine Stammzellproduktion hochgefahren habe. Nach einigen Tagen folgte die Entnahme der Zellen über das Blut. „Ich hatte dabei überhaupt keine Nebenwirkungen, stehe also danach genauso gesund da wie zuvor“, berichtet Spröte.

Dann endlich traf die rettende Stammzellspende bei Michael Wagner im Knappschaftskrankenhaus Bochum ein. Nun musste sein Körper die Spende noch gut annehmen.
Dann endlich traf die rettende Stammzellspende bei Michael Wagner im Knappschaftskrankenhaus Bochum ein. Nun musste sein Körper die Spende noch gut annehmen. © Michael Wagner

Kurier bringt Stammzellspende aus Köln nach Bochum

Ein Kurier brachte die Stammzellspende nach Bochum. „Ich dachte: ,Gott sei Dank, da kommt sie endlich!’“, erinnert sich Blutkrebs-Patient Wagner an diesem Moment. Per Infusion habe er die Stammzellen des Spenders erhalten. Daraufhin habe Wagners Knochenmark die Blutproduktion wieder aufgenommen – allerdings mit der Blutgruppe von Frank Spröte.

Mit einem Medikamentenplan, der 40 Tabletten am Tag vorschrieb, durfte Wagner nach Monaten wieder nach Hause, zu Frau und Töchtern – und erholte sich in den kommenden Monaten prächtig. Die drängende Frage, wem er sein Leben verdankt, konnte ihm die DKMS aber zunächst nicht beantworten. Gesetzlich ist eine direkte Kontaktaufnahme erst zwei Jahre nach der Spende möglich.

Im Zuge der Chemotherapie fielen auch bei Michael Wagner aus Bochum die Haare aus. Als er nach der Stammzellspende wieder nach Hause kam, konnte er unter der Anleitung von Prof. Roland Schroers die vielen Medikamente nach und nach absetzen.
Im Zuge der Chemotherapie fielen auch bei Michael Wagner aus Bochum die Haare aus. Als er nach der Stammzellspende wieder nach Hause kam, konnte er unter der Anleitung von Prof. Roland Schroers die vielen Medikamente nach und nach absetzen. © Michael Wagner

In den ersten zwei Jahren schrieben sich die Männer daher nur „analog, mit Stift und Papier“. Allerdings kontrollierte die DKMS die Briefe, damit keine Namen und Kontaktdaten in dieser Zeit ausgetauscht werden. Für den Bochumer ein seltsames Gefühl: „Obwohl man das gleiche Blut hat, ist man sich fremd.“ Als dann endlich die Sperre aufgehoben war, befand sich das Land in einer Pandemie. Wieder war an ein Treffen nicht zu denken.

Das erste Treffen mit dem Spender: „Eine kumpelhafte Männer-Umarmung“

Im Mai 2022 fand ihr erstes Zusammentreffen in Düren statt. „Wir sind an einem See aufeinander zugelaufen und haben uns erst mal umarmt“, so Wagner lächelnd, „eine kumpelhafte Männer-Umarmung“. Mit seinem Lebensretter schreibe er täglich auf Whatsapp. Diesem ist wichtig, dass sich Michael Wagner nicht verpflichtet fühlt. „Ich sehe mich nicht als Lebensretter“, so Frank Spröte. „Ich sage Michael immer: Der Held in der Geschichte bist du. Du musstest gegen einen unsichtbaren Fein kämpfen.“ Er habe lediglich im richtigen Moment etwas gespendet, was sein Körper ohnehin kostenlos produziert. „Ich habe jemandem Zeit geschenkt“, so Spröte. Von der Energie Wagners bekomme er „richtig Gänsehaut“, betont der 43-Jährige.

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„Wir sehen uns jetzt als Blutsbrüder – wie bei Kindern, die miteinander Cowboy und Indianer spielen“, verrät der Bochumer Schornsteinfeger, der mittlerweile als krebsfrei – also geheilt – gilt und wieder voll im Leben steht. Demnächst will er seinen Spender und dessen Sohn – beide auch Fußballfans – nach Bochum ins Stadion einladen. „Seit der Spende rechne ich in Sommern“, so Wagner. „Nun beginnt der fünfte Sommer, den ich durch Frank geschenkt bekommen habe.“

Die DKMS sucht weiterhin Stammzellspender- und Spenderinnen, die sich registrieren lassen, um Blutkrebserkrankten eine zweite Lebenschance zu geben. Den Mundabstrich für zu Hause können Sie hier bestellen: www.dkms.de