Wattenscheid. Damit haben selbst die größten Optimisten nicht gerechnet. Eingefleischte SG 09er natürlich schon. Die Kulisse war für viele „bundesligareif“.

So etwas hat die Lohrheide lange nicht gesehen. Es ist geschafft: Nach dem 2:0 gegen Eintracht Rheine steht der Aufstieg in die Regionalliga fest. Hunderte Meter lange Schlangen hatten sich schon vor dem Spiel am Lohrheidestadion gebildet. Der Anpfiff musste verschoben werden. Nach dem Spiel dann kennen die Fans keine Halten mehr und stürmen den Rasen, um mit ihren Spielern zu feiern.

Vor dem Spiel ist die Stimmung noch angespannt-optimistisch. Da passt es gut, dass der Schalker Dirk Mikus aus Herne ganz ruhig mit seiner Höntroper Freundin Margarethe Dabrowski ein wenig abseits steht und sich das Treiben vor dem Stadion anschaut. „Ich bin ganz spontan gekommen. Ach, ich wünsche, wirklich, dass das heute klappt“, sagt er und weiß sich einig mit den sicher Hunderten, die noch die Lohrheidestraße bis zur Sporthalle und darüber hinaus anstehen. Gefühlt Jahrzehnte her. Sogar den Anpfiff verzögert sich.

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Das gab es lange nicht bei der SG Wattenscheid: Zuschauer-Rekord

Schon lange vor Spielbeginn zeigt sich, dass etwas Besonderes in der Luft liegt an diesem Pfingstmontag. Einige dunkle Wolken hatten sich kurz direkt über dem Stadion abgeregnet, eine kühle Dusche. Und dann riss der Himmel auf. Bestes Fußballwetter.

Jubel im Lorheidestadion Wattenscheid: Nach dem Abpfiff wollen sie ihre Mannschaft feiern, die Fans strömen auf den Rasen, aus den Lautsprechern tönt „Oh, wie ist das schön“.
Jubel im Lorheidestadion Wattenscheid: Nach dem Abpfiff wollen sie ihre Mannschaft feiern, die Fans strömen auf den Rasen, aus den Lautsprechern tönt „Oh, wie ist das schön“. © WAZ | Uli Kolmann

„Gut 1000 sollen noch draußen stehen“, gibt Catering-Manager Marin Komosha weiter. Gerade huscht Oliver Thiers an ihm vorbei und meint nur über die Schulter: „Ich glaub’, wir müssen noch mal fahren.“ Thiers ist der Chef der örtlichen Kult-Fleischerei, eingeschworener 09-Unterstützer und Herr über die nach Wattenscheider Angaben „wohl beste Stadionwurst“.

Vielleicht liegt es auch am Schlagerknaller „Wir sind das Ruhrgebiet“, dass sogar der VfL-Fan Christian gekommen ist: „Ich bin Bochumer – aber heute bin solidarisch mit der SG 09.“ Es sei erst das zweite Mal, dass er hier ist. Andere waren ganz offenkundig noch niemals dort und irrten ein wenig verloren zwischen den Kassen herum.

Ein unglaublicher Andrang herrschte vor dem Spiel der SG Wattenscheid, selbst die vorgezogene Öffnung der Kassen konnte den Ansturm kaum bewältigen.
Ein unglaublicher Andrang herrschte vor dem Spiel der SG Wattenscheid, selbst die vorgezogene Öffnung der Kassen konnte den Ansturm kaum bewältigen. © WAZ | Uli Kolmann

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Das trifft für Marco, Christiane und Thomas sicher nicht zu, sie wohnen ganz in der Nähe und hören die Ergebnisse der Spiele, auch wenn sie mal nicht im Stadion sind über die Stadionlautsprecher oder einfach am Jubel.

Erinnerung an Bundesliga-Zeiten

„Ein bisschen wie 1990 gegen Bremen, das 2:0“, schwärmt Norbert (69), „beim Aufstieg in die erste Liga.“ In der Halbzeit wird gewiss, was wohl alle schon ahnen, die die vollen Ränge und ewig langen Schlangen an den Getränke- und Grillständen, selbst am Eiswagen geduldig in Kauf nehmen: „6342 Besucher“ tönt es über die Stadionlautsprecher. Ein Ordner hatte vor dem Anpfiff noch geulkt: „Also, Oberliga-Rekord ist das heute auf jeden Fall.“

Norbert vergeht inzwischen das Schwärmen, als er praktisch eine Halbzeit in der Schlange verbringt für ein Bier, „und dann winken die ab: alle, nix mehr.“ Trotzdem lenkt er ein: „Die machen das hier alles ehrenamtlich. Und mit dem Zuschauerandrang hat ja nun wirklich kein Mensch rechnen können.“ Eine gute Viertelstunde hatte man sogar den Anstoß noch hinausgezögert.

Ganz am Rande: Ausverkauft sind offenbar zuerst übrigens die Waffeln.

Auf dem Rasen feiern die Fans das 2:0 und die Mannschaft

Nach dem Spiel treffen wir Peter Höller, der gebürtige Wattenscheider lebt heute in Bochum, ist dem Verein aber sehr treu geblieben. „Vor über 20 Jahren war ich das letzte Mal im Stadion, da spielte die SG noch in der Bundesliga.“ Er hat Fotos von damals mitgebracht und zeigt sie alten Freunden, Papierfotos natürlich. Und eins ist für Peter Höller sicher: „So wie die heute gespielt haben, halten die sich in der Regionalliga, ganz sicher.“

Eigentlich spielt die SG kaum unter 100 Minuten, heißt es in der Kurve, und so kommt der Schlusspfiff pünktlich mit der 90. Minute fast überraschend. „Das ist der Aufstieg“, fasst die Stadionsprecherin mehr als knapp zusammen, und auf dem Spielfeld bildet sich nach diesem 2:0 eine Traube rund um die Mannschaft. „Oh, wie ist das schön“, schmetter aus den Lautsprechern, gefolgt von „Ein Hoch auf uns“.