Bochum. Immer mehr Menschen haben eine Fettleber. Beim WAZ-Nachtforum in Bochum informierten Fachärzte, wie die Leber wieder zu Kräften kommen kann.
Täglich Orangen- oder Apfelsaft trinken? „Eine Katastrophe!“ Gurken oder Rotkohl im Glas? „Enthält viel zu viel Zucker!“ Abends ein Rotwein? „In Maßen gar nicht schlimm und allemal besser als Fruchtsäfte.“ Wer glaubt, sich gesund zu ernähren, geriet beim WAZ-Nachtforum am Mittwochabend in Bochum ins Staunen. Fachärzte des Knappschaftskrankenhauses gaben Tipps für eine gesunde Leber – und räumten mit manchen Irrtümern auf.
Prof. Ali Canbay schwärmt. Als „Seele und Kraftwerk“ preist er die Leber. Mit ihren mehr als 500 Funktionen spiele sie eine zentrale Rolle für den Stoffwechsel und das komplexe Zusammenwirken des Organismus. Der Direktor der Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums weiß: „Wenn es der Leber gut geht, geht es auch den anderen Organen gut.“
WAZ-Nachtforum in Bochum: Jeder vierte Deutsche hat eine Fettleber
Zwar könne sich die Leber wie kein anderes Organ selbst heilen. „Sie verzeiht viel. Ihre Fähigkeit zur Regeneration ist unglaublich“, sagt Canbay. Doch hält der Raubbau über Jahre und Jahrzehnte an, zeigt auch der Kraftprotz Verfallserscheinungen. Unmengen an Fett, Zucker und Kohlenhydraten bleiben nicht ohne Folgen. Die häufigste: eine Fettleber. Jeder vierte Deutsche hat sie. Vielfach, ohne es zu wissen.
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Die Warnung des Professors könnte eindringlicher kaum sein: „Wer bereits mit 35 eine Fettleber hat, wird mit 65 einen Herzinfarkt bekommen.“ Das drohe immer mehr Menschen. Denn Fettleibigkeit ist längst eine Volkskrankheit. Und damit die „nicht-alkoholische Fettleber“, die „das Problem der nächsten Jahre sein wird“, prophezeit Canbay. Die Gefahren einer Leberzirrhose, eines Tumors sowie einer Herz-Kreislauf-Erkrankung als mit Abstand häufigste Todesursache nähmen damit nochmals zu.
Erkrankung ist tückisch – denn man spürt sie anfangs nicht
Das Risiko werde vielfach unterschätzt. Canbay: „Die Fettleber verursacht anfangs keine Schmerzen oder andere Probleme. Man merkt sie nicht.“ Doch die Fettablagerungen in allen Gefäßen und am Herzen setzen sich fort. „Irgendwann tritt plötzlich ein Herzinfarkt auf. Dann ist es egal, ob Sie mit einem Ferrari oder einem VW zum Herzkatheter fahren.“
Alkohol, ungesunde Ernährung oder ein Virus: Anhand der Leberwerte können die Mediziner exakt bestimmen, welche Ursache eine Lebererkrankung hat, betont Canbay. Schwindeln zwecklos. Dabei können gute Werte mitunter trügerisch sein. Der Expertenrat: Am besten eine Ultraschall-Untersuchung einbinden, beim Hausarzt, Gastroenterologen oder bei Risikopatienten in einer spezialisierten Klinik.
Beim Abnehmen helfen der Leber schon 500 Gramm pro Woche
„Passen Sie auf Ihre Leber auf!“, appelliert Ali Canbay. Anerkannt wirksame Medikamente gegen die Fettleber gebe es nicht. Bleibt nur: Ran an den Speck. Dr. Anja Figge, Oberärztin der Medizinischen Klinik, wirbt dabei für eine „Ernährungs-Stil-Änderung“. Statt kurzfristiger, allzu oft scheiternder Diäten gelte es, das Ess- und Trinkverhalten dauerhaft umzustellen und die Überflutung der Leber mit Fetten, Kohlehydraten und Alkohol einzudämmen.
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Aber wie? Mit Bedacht und Geduld. Figge verweist auf die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). In deren jüngsten Leitlinien wird Menschen mit Übergewicht empfohlen, mindestens fünf Prozent ihres Körpergewichts abzunehmen. In kleinen, überschaubaren Schritten von wöchentlich 500 Gramm. „Schon damit reduziert man das Leberfett um 80 Prozent“, verheißt Anja Figge. Ein kompletter Verzicht auf Alkohol bewirke gar „wahre Wunder“.
Oberärztin warnt vor Fructose und Snacks zwischendurch
Sattsam bekannt sind die weiteren Tipps, die die Leber schonen und zu alter Stärke zurückkehren lassen. Ausreichend Bewegung (das kann schon ein täglicher Spaziergang sein). Drei Mahlzeiten am Tag zum Sattessen, dafür keine Snacks zwischendurch. Und: Finger weg von den – auch versteckten – Dickmachern.
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Die Oberärztin setzt vor allem Fructose auf die rote Liste: Fruchtzucker, der die Entwicklung einer Fettleber fördert. Zurückhaltung ist u.a. bei Trauben, Süßkirschen, Birnen, Äpfeln und Bananen angesagt. Geringer ist der Fructose-Anteil bei Ananas, Apfelsinen, Aprikosen, Erdbeeren, Grapefruit, Mandarinen und Melonen. Fruchtsäfte oder Smoothies als Vitamin-Lieferanten sollten entsprechend selten getrunken werden. Zur Vorsicht rät Anja Figge auch bei Obst und Gemüse im Glas mit Zuckerzusatz. Besser frisch und saisonal kochen. Nichts einzuwenden sei gegen Kaffee (gefiltert, kein Espresso) und ein Gläschen Wein.
Vorträge gibt es zum Nachlesen im Internet
Für die Leserinnen und Leser beim WAZ-Nachtforum ist nach 100 Minuten klar: Die Franzosen liegen richtig. „In Deutschland“, erzählt Prof. Canbay, „wird bei der Frage nach dem wichtigsten Organ des Menschen immer das Herz genannt. Die Franzosen antworten mehrheitlich: die Leber. Wer hat wohl recht?“
Die Vorträge zum Nachlesen gibt es auf www.kk-bochum.de.