Bochum. . „Wie krank ist Bochum?“, fragt die WAZ in einer Themenwoche. Eine Erkenntnis: Erkrankungen der Lunge und Leber bereiten die größten Sorgen.
Wir Bochumer wissen’s längst: Hier lebt es sich besser als in den Nachbarstädten. Damit nicht genug: Hier lebt es sich auch länger. Zumindest für Neugeborene. Wer schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat, darf nur bedingt auf ein gesegnetes Alter hoffen. Dafür sind nicht zuletzt Zigaretten und der Alkohol verantwortlich.
Beginnen wir mit dem Erfreulichen. In seinem Gesundheitsbericht, den die WAZ als Grundlage ihrer Themenwoche nutzt, stellt das Gesundheitsamt eine Hochrechnung an. Danach wird ein heute geborenes Mädchen 82,19, ein Junge 76,96 Jahre alt. Das liegt unter NRW-Schnitt, aber zum Teil erheblich höher als in Essen, Dortmund, Herne oder Gelsenkirchen.
Den neuen Erdenbürgern sei so früh wie möglich anzuraten: Finger weg von Fluppen und Fusel! Denn so gut Bochum bei der durchschnittlichen Lebenserwartung dasteht, so schlecht sieht es bei den zwei Sorgenkindern aus: den Erkrankungen der Lunge und Leber.
Die Lunge
„Für uns“, sagt Michael Behn, „gilt das gesamte Ruhrgebiet als gutes Pflaster.“ Wenig überraschend sind für den Lungenarzt im Europahaus die Daten, die der Gesundheitsbericht in der Kategorie „Krankheiten der Atemwege“ aufweist. Während es bei den Frauen kaum Auffälligkeiten gibt, haben die Bochumer Männer deutlich häufiger als im Landesschnitt Last mit der Lunge. Auch bei Tumoren klafft eine Lücke: 181 Männer und 105 Frauen starben an Neubildungen.
„Das Rauchen ist mit einem zehnfach erhöhten Risiko die Hauptursache für Lungenkrebs“, bekräftigt Michael Behn. Da in Bochum mutmaßlich nicht mehr gequalmt wird als andernorts, müssen die Gründe aber auch woanders liegen. „Hier herrscht halt kein Erholungsklima“, nennt Behn die – unter seinen Kollegen aktuell kontrovers diskutierte – Luftbelastung. Und: Bis heute rächten sich die Arbeitsbedingungen, denen Zehntausende Beschäftigte früher ausgesetzt waren. „Asbest zum Beispiel kann noch 30, 40 Jahre später zu Lungenkrebs führen“, sagt Dr. Juliane Kronsbein, Oberärztin am Bergmannsheil. Nicht umsonst zählten viele Bauarbeiter und Handwerker zu ihren Patienten.
Die Leber
Was für die Lunge das Rauchen, ist für die Leber der Alkohol. Auch hier weichen die Bochumer Werte von der Landesquote ab: zum Glück weniger bei den jährlichen Sterbefällen (71) als mehr bei den Krankenhausbehandlungen (512). Dr. Thorsten Brechmann, Oberarzt der Gastroenterologie und Hepatologie, kennt nach zwei Jahrzehnten am Bergmannsheil seine Patienten. Der Alkohol, berichtet er, sei der wesentliche Auslöser für eine kranke Leber. Nur selten gelinge eine Abstinenz: „Viele sehen wir immer wieder.“ In dem Trink- und Suchtverhalten spiegele sich die soziale Struktur einer Stadt wider, meint der Facharzt. Wer von Kindheit an sieht, dass Alkohol wie selbstverständlich zum Alltag gehört, werde dieses Verständnis als Erwachsener kaum ablegen.
Was ist zu tun?
Die Entwicklung bei den Rauchern ist positiv. Immer weniger Menschen, gerade Jugendliche, greifen zur Kippe. „Die positiven Auswirkungen auf die Erkrankungen der Lunge werden sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einstellen“, sagt Juliane Kronsbein.
Ein weitgehendes Werbeverbot wie bei Zigaretten müsse es dringend auch für Alkohol geben, fordert Thorsten Brechmann. Frühzeitig, in der Schule, müssten die Gefahren thematisiert sowie Aufklärung und (Sucht-)Beratung intensiviert werden. Dabei müsse nicht totaler Verzicht gepredigt werden: Auch Herr Doktor gönnt sich zum Essen gern ein Glas Wein.