Bochum. Im Bochumer Medican-Prozess soll jetzt alles ganz schnell gehen. Es gab einen Deal: Bei Geständnis gibt es nicht mehr als 6,5 Jahre Haft.

Nach fast sechsmonatiger, sehr zäher Hauptverhandlung geht es jetzt im Bochumer Medican-Prozess wegen Abrechnungsbetruges mit Corona-Tests wohl ganz schnell. Der Hauptangeklagte (49), damaliger Chef von Medican, und das Landgericht haben am Dienstag einen Deal abgeschlossen: Sollte er ein weitgehendes Geständnis ablegen, versichert ihm die 6. Wirtschaftsstrafkammer, dass er nicht mehr als 6,5 Jahre Haft bekommen wird, aber auch nicht weniger als sechs Jahre.

Auf die Frage von Richter Michael Rehaag, ob er den „Verständigungsvorschlag“ annehme, sagte der Unternehmer mit müder und zerknirschter Stimme: „Ich nehme an.“

Ausführliches Geständnis folgt erst in den nächsten Tagen

Dies war aber lediglich eine Grunderklärung. Im Einzelnen will der 49-Jährige die Anklagevorwürfe in Absprache mit seinen zwei Verteidigern in einer noch schriftlich auszuarbeitenden Erklärung erst am kommenden Dienstag (31.) einräumen.

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Verteidiger Jan-Henrik Heinz erklärte aber vorab schon mal, dass sein Mandant „maßlos zu hoch abgerechnet“ habe, allerdings ohne dafür eine Liste erstellt haben. Die Schadenshöhe komme „ungefähr“ mit den Zahlen aus der Anklage hin. Diese nennt 25,1 Millionen Euro. Geschädigter ist das Bundesamt für soziale Sicherung. In Vorleistung trat die Kassenärztliche Vereinigung.

Vorwurf: Als ärztliche Leistung abgerechnet, obwohl gar kein Arzt anwesend war

Laut Anklage soll der Unternehmer mit seiner Firma für Corona-Schnelltests („Bürgertests“) im März und April 2021 fast eine Million frei erfundene Tests abgerechnet haben. Außerdem wird ihm vorgeworfen, die tatsächlich durchgeführten Tests überhöht abgerechnet zu haben (15 statt 12 Euro), weil ein Arzt dabei gewesen sein soll. Das soll aber nicht der Fall gewesen sein. Auch überhöhte Sachkosten-Abrechnungen stehen in der Anklage.

Hauptangeklagter könnte 16 Millionen Euro zurückzahlen

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Am Dienstag wurde auch bekannt, dass der Hauptangeklagte rund 16 Millionen Euro als Schadenswiedergutmachung aufbringen könne und wolle. Ein Teil der mutmaßlichen Beute soll in die Türkei verschoben worden sein.

Das Verfahren gegen den mitangeklagten Sohn (26) des Wattenscheider Unternehmers ist am Dienstag – nach 23 Sitzungstagen – bereits beendet worden. Ihm wurde Beihilfe vorgeworfen. Er soll zwar offiziell der Geschäftsführer von Medican gewesen sein, tatsächlich aber gar keine Entscheidungskompetenz gehabt haben, das sei sein Vater gewesen.

Verfahren gegen Sohn wird gegen Zahlung von 10.000 Euro eingestellt

Die Kammer stellte das Verfahren gegen den Sohn gegen Zahlung von 10.000 Euro ein: 5000 Euro sollen an den Staat fließen, 5000 Euro an die Bochumer Kindertafel e.V.. Für die Zahlung hat der 26-Jährige fünf Monate Zeit.

Drei Wochen hatte er im vorigen Juni in U-Haft gesessen. Auf eine Entschädigung verzichtet er.

Sein Vater sitzt bereits seit einem Jahr in U-Haft. Sollte wie erwartet im Juni ein Urteil ergehen, ist noch völlig unklar, ob er direkt nach Verkündung vorläufig bis zum Antritt einer Strafhaft freikommt. Die Staatsanwaltschaft will das nach jetzigem Stand nicht. Richter Rehaag sagte aber: „Die Kammer ist in dieser Frage vollkommen offen.“