Bochum. Zum 60. Geburtstag der Universitätsbibliothek der Ruhr-Universität Bochum stellen wir einige Superlative vor. Es lohnt sich, genau hinzuschauen.
Als noch keine einzige Betonplatte der Ruhr-Universität auf der anderen stand, stapelten sich im Frühjahr 1962 bereits die Bücher für die Ruhr-Uni auf den Fußböden und tatsächlich auch in Badewannen der stillgelegten Zeche Klosterbusch im Lottental.
Die dort untergebrachte „Arbeitsstelle zum Aufbau der Büchersammlungen für die Bibliothek und die Institute der Universität Bochum“ leitete damals Rudolf Juchhoff, ehemaliger Direktor der Universitätsbibliothek Köln. 1963 übergab er Günther Pflug, dem Gründungsdirektor der Universitätsbibliothek Bochum, 50 000 Bände mit Schwerpunkt auf antiquarisch erworbenen Büchern, Nachdrucken und Nachlässen.
Vorreiter der EDV
Erst zu Beginn des ersten Studiensemesters im Winter 1965 nahm die Uni-Bibliothek in der vierten Etage des Gebäudes IB den Ausleihbetrieb auf. Nach weiteren Umzügen stand im Jahr 1974 endlich der Einzug in das fünf Jahre geplante eigene Gebäude an.
Die Universitätsbibliothek erstreckt sich dort über sechs Ebenen mit einer Benutzerfläche von rund 12 500 Quadratmetern. Der Bestand der Zentralbibliothek umfasst nach Stand 2020 fast zwei Millionen gedruckter Bücher, rund 250 000 E-Books, Hunderte Zeitschriften, Zehntausende elektronische Zeitschriften sowie Datenbanken.
Innovation war angesagt
Von Anfang an hatte Innovation in der UB Bochum einen hohen Stellenwert: Sie katalogisierte bereits früh elektronisch und griff alle technischen Fortschritte im bibliothekarischen Bereich auf. Dies tat sie teils als Vorreiterin in Europa – über 20 Jahre lang unter der Leitung von Erdmute Lapp, die Ende 2021 in den Ruhestand ging. Abgesehen von technischer Innovation und Digitalisierung der Bestände war die Universitätsbibliothek stets darauf bedacht, die Service- und Aufenthaltsqualität weiterzuentwickeln.
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Durch den Umbau von Magazinräumen zu attraktiven, technisch gut ausgestatteten Lernlandschaften haben die Studierenden, Forschenden, aber auch Privatpersonen die Möglichkeit in einem motivierenden Umfeld mit insgesamt 1400 Benutzerarbeitsplätzen zu recherchieren, zu stöbern, zu suchen und zu finden. Mit modernen Konzepten wie hängenden Gärten und der barrierefreien Nutzbarkeit zeigt die Uni-Bibliothek mit ihren über 70 Mitarbeitern unter Leitung des kommissarischen Direktors Dr. Jörg Albrecht auch in der Gegenwart ein zukunftsweisendes Gesicht. Eine Jubiläumsschrift anlässlich des 60. Geburtstags der UB ist auf der Webseite der Ruhr-Universität zu finden.
Auf die Suche nach Superlativen
Zum 60-jährigen Bestehen der Universitätsbibliothek der Ruhr-Universität Bochum haben wir uns auf die Suche gemacht nach den Superlativen unter den Büchern: Welches ist so winzig, dass es in die Hosentasche passt? Und welches kann ein Mensch alleine kaum aus dem Regal heben? Fast alle Fundstücke haben ihren Platz im sogenannten „Käfig“ der Universitätsbibliothek Bochum. Sie werden wirklich hinter Gittern aufbewahrt und dürfen nur im Lesesaal unter Aufsicht genutzt werden: zu selten, zu kostbar, zu empfindlich, zu brisant.
Das älteste Buch
Es handelt sich um eine Predigtsammlung aus Augsburg (St. Ulrich und Afra) aus dem Jahr 1474: Sermones Aurei des Sanctis. Die kirchliche Sammlung ist eine Inkunabel, auch Wiegendruck genannt. Inkunabeln gelten als Zeugnisse der frühen Buchdruckkunst und wurden in dem Zeitraum zwischen circa 1450 und 1500 mit beweglichen Lettern gedruckt.
Das größte Buch
Beachtliche 89 Zentimeter hoch, 55 Zentimeter tief und 8,5 Zentimeter breit gibt das größte Buch der Universitätsbibliothek Zeugnis von einem Ritterturnier, das Gustav Krupp von Bohlen und Halbach zu Ehren und in Gegenwart des Kaisers und Königs Wilhelm II. im Garten der Villa Hügel in Essen abhielt. Das Buch ist eine Sammlung 13 handgemalter Tafeln.
Das häufigste Buch
Ganze 21 Exemplare des Arbeitsbuches zu Tiplers „Physik“ von James S. Walker hält die Universität vorrätig – der Bedarf ist also hoch. Der Amerikaner Paul Allen Tipler ist bekannt für seine Physik-Lehrbücher, die als sehr gut verständlich gelten. 7 Die Top-Ausleihe 305 Mal wurde der Titel „Biochemie“ (2016) von Rainer Deutzmann und Joachim Rassow ausgeliehen. Der Fachbuch-Bestseller war damit 2021 das am häufigsten ausgeliehene gedruckte Buch in der Universitätsbibliothek Bochum.
Das verbotene Buch
Neben einigen Werken aus dem Nationalsozialismus, etwa des NS-Ideologen Alfred Rosenberg, hält die Universitätsbibliothek der Ruhr-Universität ein Buch unter Verschluss, das sich mit der Selbsttötung beschäftigt. Unter dem französischen Titel „Suicide, mode d’emploi: Histoire, technique, actualité.“ veröffentlichte Claude Guillon gemeinsam mit Yves Le Bonniec eine Streitschrift für einen selbst bestimmten Tod. Es sorgte nach Erscheinen 1982 für hitzige Kontroversen. Aufgrund seiner Details zum Thema Selbstmord ist zwar der Besitz des Buches in Deutschland erlaubt, aber es darf nicht vertrieben werden.
Das dickste Buch
Als das Buch mit den meisten Seiten gilt aktuell der Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit rund 3800 Seiten. Allerdings: „Die Festschrift seiner Königlichen Hoheit dem Prinzregenten Luitpold von Bayern zum achtzigsten Geburtstage. Dargebracht von der Universität Erlangen“ bringt es mit nur etwa 1200 Seiten im Goldschnitt auf eine Dicke von 12,5 Zentimeter. Das Werk von 1901 enthält Einzelbände der Fakultäten: Theologie, Jura, Medizin, Philosophie.