Bochum. Beispiellos ist die Bochumer Hilfe für die Ukraine. Ein Rockstar zählt ebenso zu den Unterstützern wie eine Bar – mit einem sehr speziellen Bier.

Die Botschaft ist unmissverständlich. „Piss off Putin“ heißt ein Bier, das in der Bermuda-Bar „Miss Hops“ verkauft wird. Zusammen mit weiteren Lokalen in Essen und Dortmund wurden binnen eines Monats fast 4000 Euro erlöst. Das Geld wurde jetzt an die Gesellschaft Bochum-Donezk gespendet. Die Hilfsaktion kommt dort ebenso gut an wie der Name des Gebräus.

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„Unglaublich“: Dieses Wort fällt häufig, wenn man mit Monika Grawe spricht. Unglaublich seien die täglichen Schreckensmeldungen, die die 2. Vorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk, aus dem Osten der Ukraine erhält. „So viele Tote, so viel Zerstörung, so viel Vertreibung“, sagt die 71-Jährige traurig. Beim WAZ-Gespräch poppt eine neue Nachricht von Freunden in Donezk auf ihrem Handy auf: „100 Kühe von Russen erschossen.“ Ein weiteres Foto zeigt einen weißen Transporter mit etlichen Einschusslöchern: „Der war für uns im Einsatz. Zum Glück blieb der Fahrer unverletzt.“

Der Verkauf des „Piss of Putin“-Bieres u.a. in der Bochumer Bermuda-Bar „Miss Hopps“ kommt der Gesellschaft Bochum-Donezk zugute.
Der Verkauf des „Piss of Putin“-Bieres u.a. in der Bochumer Bermuda-Bar „Miss Hopps“ kommt der Gesellschaft Bochum-Donezk zugute. © KJL Hopfen & Salz

Ukraine-Hilfe: 20 Hilfslieferungen brachten auch Leichensäcke ins Kriegsgebiet

Unglaublich sei zugleich die Hilfsbereitschaft der Bochumerinnen und Bochumer, schwärmt Monika Grawe, Herz und Seele der Sammelstelle an der Herner Straße. 1987, noch vor der offiziell besiegelten Städtepartnerschaft mit Donezk, wurde der Förderverein gegründet. „Was wir seit dem Kriegsausbruch erleben, ist beispiellos. Wie sehr Bochum zusammenhält, wie groß die Anteilnahme ist – unglaublich!“

20 vom Verein gemietete Lastwagen haben sich in den vergangenen zwei Monaten auf den Weg in die Ukraine gemacht. Mächtige 40-Tonner, beladen mit Gütern, die den Opfern des brutalen Angriffskrieges helfen; von Kleidung bis Lebensmitteln, von Rollstühlen bis zu Medikamenten. Allesamt Spenden von Bürgern, Firmen, Kliniken, Verbänden, Vereinen. Auch 2000 Leichensäcke, bereitgestellt von heimischen Beerdigungsinstituten, zählten zur Fracht. Wer die TV-Bilder aus den zerbombten Städten und Dörfern sieht, weiß warum.

Gesellschaft verbuchte bisher mehr als 300.000 Euro Geldspenden

Auch Geldspenden fließen seit Februar in bislang unerreichtem Ausmaß. Mehr als 300.000 Euro waren es bisher. Geld, das neben den Transporten auch für den Kauf von medizinischen Hilfsgütern sowie Lebensmitteln vor Ort verwendet wird. Am Freitag kam die größte Einzelspende in der Geschichte der Gesellschaft hinzu: Dirk W. Erlhöfer, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Ruhr/Vest, überreichte im Beisein von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) einen Scheck über 50.000 Euro: „als Akt der Solidarität unserer Mitgliedsbetriebe“, so Erlhöfer.

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Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer – darunter zahlreiche geflüchtete Frauen aus der Ukraine, die in Bochum ein Obdach gefunden haben – nahmen sich nur kurz Zeit für ein Dankeschön mit einem ukrainischen Volkslied. Denn Arbeit in der Sammelstelle gibt’s reichlich. Täglich werden ab 15 Uhr neue Spenden abgegeben. Sämtliche Hallen, inzwischen auch die Keller sind randvoll.

Auch Sänger Rea Garvey zählt zu den Unterstützern

Am Donnerstag nächster Woche wird der nächste 40-Tonner erwartet. Allein 3000 Pakete mit Altkleidern stapeln sich bis zur Decke. Es wird dringend gebeten, von weiteren Kleiderspenden abzusehen. Benötigt werden stattdessen haltbare Lebensmittel (vor allem Reis), Babymilch, -gläschen und -brei sowie Damenbinden, Tampons und Feuchttücher.

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Es gibt auch prominente Unterstützung. Stolz zeigt Monika Grawe ein Handy-Video des Rocksängers Rea Garvey. Der Ire hat in Kooperation mit der Gesellschaft Bochum-Donezk und einem Discounter zwei Lastwagen-Touren mit Lebensmitteln in die Ukraine organisiert. Und noch mal: „Unglaublich.“

Monika Grawe zeigt auf einer Landkarte den Weg der Hilfslieferungen der Bochumer Gesellschaft in die Ukraine.
Monika Grawe zeigt auf einer Landkarte den Weg der Hilfslieferungen der Bochumer Gesellschaft in die Ukraine. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Städtepartnerschaft stünde bei russischer Annexion vor dem Aus

Die vielen Stunden des Arbeitens und Organisierens lassen nur selten Raum zum Nachdenken. 2017 war Monika Grawe zuletzt in Donezk. „Da herrschte auch schon Krieg zwischen den Ukrainern und den Separatisten. Aber die Stadt war noch weitgehend unzerstört.“ Das ist heute anders. Grawes größte Sorge: Das örtliche Krankenhaus mit 16 leukämiekranken Kindern könnte ausgebombt oder evakuiert werden. „Wir können die Kinder doch nicht sterben lassen! Unsere ukrainischen Freunde brauchen dringend Panzer!“

Trikot von Toni Kroos zu ersteigern

Die Sammelstelle an der Herner Straße 146 ist montags bis freitags von 15 bis 18 Uhr, donnerstags ab 10 Uhr, geöffnet. Alle Infos und Packlisten gibt es auf bochum-donezk.de.

Für die Gesellschaft Bochum-Donezk ist aktuell eine Auktion der „Bochumer Jungs mit Herz“ bestimmt. Auf der Plattform unitedcharity.de werden Trikots bekannter Fußballspieler versteigert, u.a. von Toni Kroos. Infos: unitedcharity.de/Auktionen/Kroos-Madrid.

Sollte Donezk trotz aller „heldenhaften“ Gegenwehr fallen, sollte es Putin gelingen, die Region zu annektieren, wäre für Monika Grawe und ihre Helfer eines unausweichlich: „Die Städtefreundschaft müsste dann offiziell beendet werden. Russen können nicht unsere Partner sein.“ Ob er das ebenso sehe, lässt OB Eiskirch auf WAZ-Anfrage offen: „Aktuell müssen wir alles dafür tun, dass wir die Partnerschaft wieder so leben können wie vor 2014.“ Mit einem ukrainischen Donezk.

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