Bochum. Die Zahl der neu registrierten Ukraine-Flüchtlinge geht in Bochum zurück. Doch es gibt Kritik: Wer Wohnungen bereitstellt, müsse lange warten.

Die Zahl der Ukraine-Flüchtlinge, die sich in Bochum neu registrieren lassen, ist deutlich gesunken. Im Durchschnitt treffen täglich 20 Kriegsopfer ein, sagt Petra Peschke-Göbel, Abteilungsleiterin im Sozialamt. Zu Spitzenzeiten waren es 150. Hinzu kommt: Die ersten Flüchtlinge kehren in ihre Heimat zurück. Bei der Vermittlung privater Unterkünfte kommt es gleichwohl zu langen Wartezeiten. Die Stadt bittet um Geduld.

Ukraine-Flüchtlinge in Bochum: Stadt berichtet von erbärmlichen Angeboten

2400 Geflüchtete haben sich seit Beginn des russischen Angriffskrieges bei den Behörden in Bochum gemeldet. „Der Großteil lebt bei ukrainischen Verwandten und Bekannten“, weiß Petra Peschke-Göbel. Die Stadt stellt Unterkünfte für knapp 600 Menschen bereit, etwa in Hotels, zuletzt auch in Turnhallen. Nach wie vor groß sei die Hilfsbereitschaft bei Bürgern, die private Unterkünfte anbieten, sagt Uwe van der Lely, Geschäftsführer der Bochumer Ehrenamtsagentur (BEA), die Angebot und Nachfrage zusammenführt.

Im Gemeindehaus an der Grimmestraße in Bochum haben Tatjana Bahr und weitere Helfer 14 Schlafplätze für Ukraine-Flüchtlinge mitsamt Babyzimmer eingerichtet. Sie ärgern sich über die Bearbeitungszeiten bei der Stadt.
Im Gemeindehaus an der Grimmestraße in Bochum haben Tatjana Bahr und weitere Helfer 14 Schlafplätze für Ukraine-Flüchtlinge mitsamt Babyzimmer eingerichtet. Sie ärgern sich über die Bearbeitungszeiten bei der Stadt. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

150 private Bleiben wurden bislang von der BEA vermittelt. Mehr als 50 Eingaben wurden aussortiert. Van der Lely berichtet von einem Mittdreißiger, der „ausschließlich weibliche Mitbewohner, am liebsten minderjährig“, wünscht. „Habe noch eine Bettseite frei“, lautet eine weitere zweifelhafte Offerte. Von „Couch-Angeboten“ erzählt der BEA-Chef. Eine Ukrainerin sei bereits Opfer sexueller Belästigung geworden. Kopfschütteln ernten auch „Kellerwohnungen, die verschimmelten Verließen gleichen“.

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Entsprechend sorgfältig werde jedes Angebot vom Sozialamt (es trägt die Kosten für die Unterkunft) hinterfragt und geprüft, betont Petra Peschke-Göbel. Vom leerstehenden Kinderzimmer bis zur Vier-Zimmer-Wohnung: Zwei Kollegen seien mit nichts anderem beschäftigt. Dennoch könne es mehrere Wochen dauern, bis es zu einer Vermittlung kommt.

Kritik in Laer: Räume stehen bereit, aber nichts passiert

Daran wird zunehmend Kritik laut. Etwa bei Tatjana Bahr, die mit ihrem Mann im evangelischen Gemeindehaus Laer 14 Schlafplätze mitsamt Babyzimmer eingerichtet hat. Die Räume im Obergeschoss an der Grimmestraße hätten Ende März zehn Mitarbeitende der Stadt in Augenschein genommen. Als nach Tagen keine Rückmeldung kam, habe ein anderes Gemeindemitglied bei der Stadt nachgefragt. „Dort hat man ihm gesagt: Die Kostenaufstellung ist noch nicht fertig“, berichtet Tatjana Bahr. Man habe noch nicht entschieden, ob die Räume angemietet werden.

14 Schlafplätze sowie ein großzügiger Gemeinschaftsbereich wurde im Gemeindehaus an der Grimmestraße in Bochum eingerichtet.
14 Schlafplätze sowie ein großzügiger Gemeinschaftsbereich wurde im Gemeindehaus an der Grimmestraße in Bochum eingerichtet. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

„Mich ärgert das tierisch. In nur einer Woche hat mein Mann Möbel für all diese Zimmer gesucht, abgeholt und aufgebaut. Und die Stadt schafft es nicht, in der Zeit ein Papier fertigzumachen“, sagt Tatjana Bahr, die zwischen zahlreichen Kisten mit Sachspenden steht. Für die – bislang vergeblich – erwarteten Familien hat sie Babynahrung, Kinderbekleidung und Hygieneartikel gesammelt.

Die ersten Helfer melden: „So langsam wird’s eng“

„Niemand darf erwarten, dass er bei uns anruft und tags darauf die Menschen kommen“, bekräftigt Uwe van der Lely. Er sichert zu, dass fortan eine Rückmeldung noch während der Prüfung erfolge. Seit kurzem sei es zudem möglich, dass die Stadt die angebotenen Wohnungen anmietet und selbst für die Vermietung zuständig ist. Die ersten vier Verträge seien unterzeichnet.

Hilfe für Geflüchtete: Hier gibt es Informationen

Die Bochumer Ehrenamtsagentur vermittelt Unterkünfte sowie Ehrenamtliche für Behördengänge und als Dolmetscher.

Wer Wohnraum für Geflüchtete bereitstellen oder weitere Hilfe leisten will, erreicht die Ukraine-Hotline montags bis freitags von 10 bis 16 Uhr unter 0234 95 70 99 49; E-Mail: spontanhilfe@bochum.de.

Auf ehrenamt-bochum.de gibt es auch den Zugang zu einer eigenen Datenbank.

Die Stadt listet alle Informationen auf bochum.de/ukraine auf.

Entspannt sich die Wohnungssituation mit Blick auf die zurückgehenden Flüchtlingszahlen? Wohl kaum, glaubt Petra Peschke-Göbel. Denn: Es häuften sich Meldungen von Eigentümern und Mietern, die nach den ersten Wochen mit Geflüchteten unter einem Dach vorsorglich mitteilen: „So langsam wird’s eng.“ Dauerhafte Unterkünfte müssen her, ab Juni finanziert vom Jobcenter. Möglichst groß sollen sie sein. Denn laut Sozialamt treffen immer häufiger Großfamilien in Bochum ein: Familienverbünde mit bis zu 50 Personen, für die schnell ein Obdach gefunden werden muss.

Dass Geflüchtete derzeit in Sammelunterkünften übernachten müssen, obwohl Wohnungen wie diese frei sein, kann Tatjana Bahr nicht verstehe. Ehrenamtlichen vor Ort in Laer hätten für die Geflüchteten auch bereits Sprachkurse, eine Betreuung der Kinder in dieser Zeit, ein „Welcome Café“ sowie Hilfe bei Behördengängen und Ähnlichem organisiert. Nun fehlten lediglich noch ukrainische Familien, die diese Räumlichkeiten mit Leben füllen.
Dass Geflüchtete derzeit in Sammelunterkünften übernachten müssen, obwohl Wohnungen wie diese frei sein, kann Tatjana Bahr nicht verstehe. Ehrenamtlichen vor Ort in Laer hätten für die Geflüchteten auch bereits Sprachkurse, eine Betreuung der Kinder in dieser Zeit, ein „Welcome Café“ sowie Hilfe bei Behördengängen und Ähnlichem organisiert. Nun fehlten lediglich noch ukrainische Familien, die diese Räumlichkeiten mit Leben füllen. © FFS | Gero Helm