Bochum. Fast 2000 Geflüchtete aus der Ukraine sind in Bochum angekommen. Privater Wohnraum ist notwendig. Ein Theater geht mit gutem Beispiel voran.

Bei der Unterbringung der geflüchteten Menschen aus der Ukraine ist die Stadt zunehmend auf die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Deren Anteilnahme ist enorm. Jüngstes Beispiel: ein Containerdorf, das binnen weniger Tage am Varieté et cetera in Riemke aufgebaut wurde.

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar treffen immer mehr Geflüchtete in Bochum ein. 1974 Menschen – meist Frauen und Kinder – wurden bisher offiziell registriert. Die Stadt hat kurzfristig alle Möglichkeiten ausgeschöpft, Wohnraum zu beschaffen und zu vermitteln. Neben den städtischen Unterkünften und Wohnungen werden dafür die ehemalige Schule an der Unterstraße in Langendreer sowie zwei Turnhallen ebenfalls im Osten Bochums genutzt. Hinzu kommen zwei Hotels.

Ukraine-Krieg: Stadt hat bisher 435 Geflüchtete untergebracht

Zusammen sind es aktuell 435 Geflüchtete, für die die Stadt ein Obdach gefunden hat. Das entspricht einem Viertel aller Geflüchteten. Mit weiteren 2000 bis 3000 Kriegsopfern aus der Ukraine rechnet Sozialdezernentin Britta Anger schon in nächster Zeit.

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Umso wichtiger ist die private Solidarität. Die ist in Bochum mit der Bereitstellung von Geld- und Sachspenden sowie mit vielfältigen Hilfsaktionen und -transporten im Kriegs- und Grenzgebiet seit über einem Monat überragend. Nun benötigen die Geflüchteten vor allem eines: ein Dach über dem Kopf.

Binnen zwei Wochen haben (v.l.) Lara Begic-Cabello und ihre Eltern Ronny und Silvia Cabello das Containerdorf auf dem Parkplatz hinter ihrem Theater aufgebaut. 35 Geflüchtete werden versorgt.
Binnen zwei Wochen haben (v.l.) Lara Begic-Cabello und ihre Eltern Ronny und Silvia Cabello das Containerdorf auf dem Parkplatz hinter ihrem Theater aufgebaut. 35 Geflüchtete werden versorgt. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Varieté et cetera: „Jetzt sind wir es, die helfen wollen“

„Für uns war unmittelbar nach Kriegsausbruch klar: Wir müssen, wollen und werden etwas machen. Immerhin hatten und haben wir immer wieder Künstler und Mitarbeiter aus der Ukraine – und deren Sorgen um ihre Liebsten zuletzt hautnah mitbekommen“, sagen Silvia und Ronny Cabello, die seit 30 Jahren das Varieté et cetera betreiben. Zwar haben sie unter den Corona-Lockdowns massiv gelitten. Monatelang blieb die Bühne seit 2020 verwaist. „Aber wir haben dank der staatlichen Fördergelder überlebt. Jetzt sind wir es, die helfen und etwas zurückgeben wollen“, sagt Ronny Cabello. Und das während der laufenden Frühjahrsstaffel mit dem bedrückend-treffenden Titel „Das kann doch nicht wahr sein!“.

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Anfangs stellten die Varieté-Inhaber fünf ihrer Künstler-Apartments zur Verfügung: u.a. ihrer ehemaligen Service-Mitarbeiterin Anna. Die Studentin, die aus der Ukraine stammt, suchte dringend eine Bleibe in Deutschland für ihre geflüchtete Mutter und Schwester. Ein Anruf bei den alten et-cetera-Freunden, und die Familie war versorgt.

Bochum-Total-Chef half bei den Beschaffung der Container

Schnell waren alle Apartments voll. Schnell war klar: Im nächsten Schritt müssen Wohncontainer aufgestellt werden. Der Parkplatz hinter dem Theater ist dafür gut geeignet. Die Bogestra als Vermieter war sofort damit einverstanden. Und mehr als das: Das Nahverkehrsunternehmen sicherte zu, sich um Strom und Wasser zu kümmern. Selbstverständlich kostenlos.

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Marcus Gloria, langjähriger Veranstalter des Festivals „Bochum Total“, nutzte seine Kontakte, um kurzfristig sechs Doppelcontainer zu organisieren. Mit 20.000 Euro gingen die Cabellos dafür in Vorkasse – inklusive der Inneneinrichtung mit jeweils vier Betten, Heizung, Mobiliar und allem, was für ein halbwegs gemütliches Leben auf 25 Quadratmetern benötig wird.

Auch im Theaterfoyer wird Solidarität mit der Ukraine bekundet. Eine Schaufensterpuppe strahlt in den Landesfarben blau und gelb.
Auch im Theaterfoyer wird Solidarität mit der Ukraine bekundet. Eine Schaufensterpuppe strahlt in den Landesfarben blau und gelb. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Containerdorf ist mit 35 Müttern und Kindern voll belegt

Es brauchte gerade mal zwei Tage, ehe es auch im Containerdorf hieß: Nichts geht mehr. Mit insgesamt 35 Geflüchteten, darunter 15 Kinder, sind die Quartiere auf Zeit an der Herner Straße komplett belegt. Ausnahmslos sind es Mütter mit ihren Töchtern und Söhnen (darunter ein behinderter Junge), die auf Vermittlung u.a. von Privatleuten, Fördervereinen und der Stadt an der Herner Straße untergekommen sind.

Hilfsverein bittet um Spenden

Für den Betrieb ihres Containerdorfs hat Familie Cabello einen Verein gegründet: den et cetera hilft e.V.

Sachspenden sind bereits reichlich eingetroffen. Jetzt wird vor allem Geld benötigt, um die Geflüchteten nachhaltig zu versorgen.

Gesucht werden zudem Paten, die sich jeweils einer Familie annehmen und sie etwa bei Behördengängen begleiten.

Alle Infos auf et-cetera-hilft.de und telefonisch unter 0234 13 003.

„Die Menschen sind unendlich dankbar und glücklich, sich endlich geborgen zu fühlen“, sagt Lara Begic-Cabello, die mit ihren Eltern dafür gesorgt hat, dass es auch einen neuwertigen Sanitär-Container mit Duschen sowie einen kleinen Spielplatz gibt. Die Verpflegung und Einkäufe übernehmen die Flüchtlinge selbst. Ihre Container verfügen über eine Küchenzeile. „Viele haben noch etwas Geld. Wenn nicht, helfen wir aus“, sagt Silvia Cabello.

Ukrainerin erwartet in wenigen Wochen Zwillinge

Auch das Varieté-Team ist im Containerdorf im Einsatz: ehrenamtlich, vor und nach Feierabend. Alle freuen sich bereits auf Zuwachs. Die 29-jährige Ukrainerin Tanja ist im siebten Monat schwanger. Sie erwartet Zwillinge. Die Cabellos haben die Container für mindestens sechs Monate gemietet. Das bedeutet: Alsbald wird das erste Dorf-Baby geboren.

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