Bochum. Die Gräueltaten im Kriegsgebiet machen die Zisterzienser in Bochum fassungslos. Wie kann Gott das zulassen? Eine nicht ganz einfache Frage.
Hunderte Leichen auf den Straßen, Massengräber, Tod, Schmerz und Trauer, soweit das Auge reicht: Die Bilder, die uns derzeit aus der Ukraine erreichen, sind kaum zu ertragen – und nicht wenigen kostet es einige Überwindung, am Abend überhaupt noch die Nachrichten einzuschalten. Doch wegschauen nützt ja nichts.
Auch die Mönche im Zisterzienser-Kloster Bochum-Stiepel verfolgen die Tagesschau dieser Tage oft fassungslos und reden viel darüber. „Wenn man die völlig zerstörten Städte sieht, das sieht aus wie ein Inferno“, sagt Pater Maurus Zerb, der dem Konvent seit Ende 2019 als Prior vorsteht. Erst neulich sah er auf Youtube einen Film, der zeigte, wie eine ganze Familie ausgelöscht wurde. „Das nimmt einen mit und macht einen auch hilflos“, erzählt er. „Immerhin, man kann zum Gebet greifen.“
Kloster nimmt Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf
Seit Beginn des Krieges hat das Zisterzienser-Kloster in Stiepel eine Flüchtlingsfamilie aus der Ukraine aufgenommen: „Die Mutter kam mit ihren beiden Söhnen über die Vermittlung eines Mitbruders zu uns, der einen Hilfskonvoi in Rumänien organisiert hat“, erzählt Pater Maurus.
Die geflüchtete Familie lebt jetzt im Gästehaus direkt neben dem Kloster und wird über die Klosterküche versorgt. „Einige wenige Zimmer sind bei uns für Geflüchtete aus der Ukraine noch frei.“
Zisterzienser in Bochum sind fassungslos über dass Kriegsgräuel in der Ukraine
Die apokalyptischen Bilder aus dem bombardierten Mariupol oder die Leichenfunde in Butscha erinnern Pater Maurus oft an die schlimmsten Gräueltaten des vergangenen Jahrhunderts: „Wie die Menschen einander so etwas antun können, auf Befehl eines Einzelnen, das ist schwer zu begreifen“, sagt er. „Dabei waren wir uns doch eigentlich sicher, dass wir hier mitten in Europa auf Dauer in Frieden leben würden.“
Doch angesichts der grausigen Bilder dieses Krieges höre Pater Maurus in Gesprächen immer wieder auch eine Frage: Wie kann Gott das alles zulassen? Wenn es eine große, ordnende Kraft im Himmel gibt, die auch die Stiepeler Mönche täglich um Beistand bitten: Wo steckt die bloß in diesen finsteren Zeiten?
Auch interessant
Manche Menschen suchen Halt im Gebet
Für Pater Maurus, der ein leidenschaftlicher Mann des Glaubens ist, sind solche Fragen falsch gestellt. Denn der Mensch sei eben keine Marionette, sondern ein mit Vernunft ausgestattetes Wesen, betont er. „Gott hat den Menschen den freien Willen gegeben. Am Ende entscheiden wir selbst darüber, welchen Weg wir gehen. Wir allein tragen die Verantwortung für unser Handeln.“
Bereits während der Corona-Pandemie und jetzt auch während des Ukraine-Krieges beobachtet Pater Maurus den verstärkten Wunsch mancher Gläubiger, den Halt im Gebet zu suchen. „Das sind keine Massen, aber es sind immer wieder einzelne, die sich uns in den Gebeten anschließen und die intensive Auseinandersetzung damit suchen“, sagt er. „Auch die Angebote zur Beichte werden stärker angenommen als zuvor.“
Und dass Beten tatsächlich hilft, daran glaubt der Prior fest. „Für was wären wir Mönche denn sonst da?“, fragt er. „Wofür stehen wir jeden Tag um sechs Uhr in der Früh im Chor? Es ist unsere Aufgabe, den Menschen in ihrer Angst beizustehen und den Himmel immer wieder mit unseren Gebeten zu bestürmen.“
Kreuzweg offenbart bittere Aktualität
Doch das sei eben ein schwerer Weg. Die schlimmen Bilder aus den Nachrichten könne man nicht einfach abschütteln: „Man wird dünnhäutig, wenn man sich das jeden Tag ansieht, und man stumpft auch ab“, meint er. „Unsere Seele ist so gestrickt, dass wir dichtmachen, wenn wir das Leid nicht mehr ertragen können.“
Auch interessant
Die Ostertage nutzen die Stiepeler Mönche für eine Andacht auf dem Kreuzweg. Auf 14 Stationen wird im Kirchwald direkt neben der Wallfahrtskirche an den Leidensweg Christi von der Verurteilung bis zur Kreuzigung erinnert – eine Geschichte von bitterer Aktualität. So sieht man etwa an der vierten Station die trauernde Mutter, die ihrem Sohn kurz vor seinem Tod zärtlich den Arm auf die Schulter legt. Szenen wie diese gibt es in den Nachrichten derzeit an fast jedem entsetzlichen Kriegstag.