Bochum. 1246 Kilometer lang ist das Kanalnetz in Bochum, 81 km sind in einem sehr schlechten Zustand. Auch deshalb soll mehr Geld ins Netz fließen.

Marode Brücken, löchrige Straßen, fehlende Radwege. Die öffentliche Infrastruktur in Bochum hat Defizite. Auch das Kanalnetz ist in die Jahre gekommen, die ältesten Anlagen stammen aus dem Jahr 1890. Besonders alarmierend ist der Zustand von 6,5 Prozent des gesamten Netzes. Es besteht „Gefahr im Verzug“.

81 von 1246 Kilometern Kanalnetz sind marode

Das betrifft bei einer Gesamtlänge von 1246 Kilometern im Stadtgebiet immerhin etwa 81 Kilometer Abwasserkanal, die sehr starke Mängel aufweisen und für die „sofortiger Handlungsbedarf“ bestehe. Das jedenfalls ist das Ergebnis eines Gutachtens, das die Stadt in Auftrag gegeben hat, um das aktuelle Abwasserbeseitigungskonzept (ABK) erstellen zu können.

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„Insgesamt ist das Kanalnetz in Bochum betriebssicher“, versichert Marko Siekmann, der als Abteilungsleiter im Tiefbauamt das Kanalnetz im Blick hat. Einen Investitionsstau gebe es nicht. 43,6 Prozent des Netzes sind schadenfrei (Stand 2021). „Aber es gibt wegen des Alters des Netzes viel zu tun“, so Siekmann. 40 Prozent der Anlagen müssen sofort bis mittelfristig saniert oder ersetzt werden.

Netz ist größtenteils nach 1950 entstanden

Deshalb legt die Stadt in den nächsten Jahren bei der Instandhaltung und beim Ausbau des Netzes, das zu einem großen Teil 50 Jahre und älter ist, eine Schippe drauf. Eines der Probleme: Die Qualität des Betons, aus dem die meisten Kanalrohre hergestellt sind, war in der Nachkriegszeit nicht immer hoch. Bis 2032 sollen nun etwa 450 Millionen Euro in das Kanalnetz gesteckt werden, um den Zustand insgesamt zu verbessern. Die 20 Prozent des Bestands, die jetzt noch starke bis sehr starke Mängel aufweisen, sollen bis 2038 nahezu vollständig saniert sein.

„Die Substanz des Bochumer Kanalnetzes wird angehoben“, so  Marko Siekmann vom Tiefbauamt der Stadt Bochum (Archivbild)).
„Die Substanz des Bochumer Kanalnetzes wird angehoben“, so Marko Siekmann vom Tiefbauamt der Stadt Bochum (Archivbild)). © FUNKE Foto Services | Carsten Klein

„Würden wir nach dem Feuerwehrprinzip handeln“, so Kanalnetzexperte Siekmann, „würden wir immer nur die Schäden an den dringendsten Stellen beseitigen.“ Bochum habe sich aber dazu entschieden, nach und nach die Substanz des Netzes anzuheben.

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Gebühren sollen nur moderat steigen

Daher steigen die Ausgaben in Neubau und Sanierung von bislang im Durchschnitt etwa 25 Millionen Euro jährlich auf etwa 40 Millionen Euro. Dazu wird die Personalausstattung angehoben, vier weitere Mitarbeiter sollen sich mit der Sanierung beschäftigen. Ein Teil der Neuplanungsleistungen, nämlich jeweils zehn Millionen Euro, wird in den nächsten Jahren aber auch über Rahmenverträge an externe Planer vergeben. „So bekommen wir mehr Geschwindigkeit“, sagt Marko Siekmann.

Starkregenereignis höchster Stufe: 100 Liter je Quadratmeter

Das 2021 verabschiedete Abwasserbeseitigungskonzept (ABK) umfasst 16 unterschiedliche Maßnahmen: von der Erweiterung des Kanalnetzes bis zu Konzeptstudien.

Um die Maßnahme, ihre Abhängigkeiten und Wirkungen besser bewerten zu können, wurde das Stadtgebiet in 114 Quartiere mit einer Größe von je 1 bis 2,5 Quadratkilometer unterteilt.

Zum Geltungsbereich des ABK gehören das 1246 Kilometer lange Kanalnetz (1035 km Mischwasser, 155 km Regenwasser, 56 km Schmutzwasser), 57 Regenrückhalteanlagen, 57 Regenüberlaufbauwerke und 20 Pumpwerke.

Die Gebühren sollen dennoch nur „moderat“ steigen, wie es heißt. Die Rechnung sieht dabei so aus: Im Vorjahr musste ein Vierpersonenhaushalt mit einem Einfamilienhaus und einer versiegelten Fläche von 130 Quadratmeter 695,27 Euro für Schmutz- und Niederschlagswasser bezahlen, 2025 sollen es 739,60 Euro sein. Seit 2017 (628,70 Euro) würden die Abwassergebühren bis 2025 dann um insgesamt 17,6 Prozent steigen; jährlich demnach um etwa 2,2 Prozent.

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Schlechte Erinnerungen an Cross-Border-Geschäft

Eine große Rolle vor allem bei den Planungen neuerer Anlagen hat die Starkregengefahrenkarte, in der die kritischen Bereiche bei seltenem und außergewöhnlichem Starkregen zeigt. Welche Auswirkungen ungewöhnliche Regenereignisse haben, hat Bochum im Vorjahr am 14. Juli erfahren, als die Ruhr über die Ufer trat und Teile von Dahlhausen unter Wasser standen. Die Karte mit Prognosen für drei unterschiedliche Extremfälle ist im Internet einsehbar. Der schlimmste angenommene Starkregenfall geht dabei von „Blockregen“ mit einer Niederschlagssumme von 100 Liter je Quadratmeter für eine Stunde aus. Dies entspricht der doppelten Menge des 100-jährlichen Ereignisses (54 Liter je Quadratmeter).

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Für Furore gesorgt hatte Bochum mit seinem Kanalnetz im Übrigen vor knapp 20 Jahren mit der Cross-Border-Leasing-Transaktion – so wie viele andere Städte in Deutschland auch. Damals wurde das Kanalnetz an US-Banken vermietet und zugleich wieder zurückgemietet, um an einem in den USA erzielten Steuervorteil teilhaben zu können. Von 20 Millionen Euro war die Rede. Später drohte es zu einem Zuschussgeschäft für Bochum zu werden. Mit Glück konnte die Vereinbarung 2009 rückabgewickelt werden, die Stadt ging damals finanziell schadlos aus dem Geschäft heraus.