Bochum-Weitmar. Sie haben schon einen Krieg miterlebt. Und nun wieder. Der Ukraine-Konflikt ist auch bei Senioren in Bochum Gesprächsthema Nummer eins.

Auf einmal sind sie wieder da, all die schlimmen Erinnerungen an die gar nicht so gute alte Zeit. Gedanken, die alle, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben, am liebsten aus ihrem Gedächtnis löschen würden. „Doch jetzt kommt alles wieder hoch“, sagt Hildegard Falkenstein, „jede schreckliche Einzelheit.“ Die 95-Jährige lebt im Heinrich-König-Zentrum der Arbeiterwohlfahrt in Bochum-Weitmar. Auch dort gibt es aktuell nur ein Thema: den Krieg in der Ukraine.

Ukraine: Wie Senioren aus Bochum über den Krieg denken

„Wir haben leider viel zu viel Zeit, uns Sorgen zu machen“, sagt Hildegard Falkenstein halb im Scherz. Natürlich verfolgen sie alle die Nachrichten im Fernsehen, lesen intensiv die Zeitung. „Wir wollen uns dem Geschehen auf der Welt ja auch nicht verschließen.“ Ändern könne man es nicht. „Nur beten.“

Die Betroffenheit im Heinrich-König-Zentrum sei groß, sagt Sabine Matelin vom Sozialen Dienst. „Viele unserer Bewohner haben geweint, als der Krieg los ging.“ Das Thema sei allgegenwärtig. Das Personal sei in dieser sorgenvollen Zeit natürlich besonders für die Senioren da. „Wir geben ihnen Raum, hören ihnen zu. Und sie sollen auch weinen können, wenn sie das Bedürfnis haben.“

Hildegard Falkenstein (von links), Elisabeth Pöhlmann und Erna Drewitz verfolgen mit Schrecken die Berichte über den Krieg in der Ukraine. Die Bewohnerinnen des Heinrich-König-Zentrums in Bochum-Weitmar haben schon einen Krieg miterlebt und wissen, was die Menschen dort durchmachen.
Hildegard Falkenstein (von links), Elisabeth Pöhlmann und Erna Drewitz verfolgen mit Schrecken die Berichte über den Krieg in der Ukraine. Die Bewohnerinnen des Heinrich-König-Zentrums in Bochum-Weitmar haben schon einen Krieg miterlebt und wissen, was die Menschen dort durchmachen. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Zu erzählen haben die Senioren viel. Wie Elisabeth Pöhlmann. Sie findet „schockierend“, was sich in der Ukraine abspielt. Die 85-Jährige ist sicher: „Der Russe gibt nicht nach.“ Mit „der Russe“ ist nicht das russische Volk gemeint, sondern Putin. „Der muss unter Druck gesetzt werden, bis er nicht mehr kann“, sagt Pöhlmann.

„Wir wissen noch genau, was Krieg bedeutet“, erzählt Erna Drewitz. „Auch unsere Mütter hatten damals Angst um ihre Kinder.“ Die Bilder von fliehenden ukrainischen Müttern und Kindern gehen ihr nah. Und auch die vom Bombenhagel auf die Städte. „Das haben wir damals in Bochum am eigenen Leib erlebt.“

Aktiv werden, nicht nur zuschauen

Die Idee, sich als Einrichtung mit der Ukraine solidarisch zu erklären, kam von Leiterin Ursula Scherner. Man wolle auch aktiv werden und nicht nur zuschauen. Die Bewohner des Heinrich-König-Zentrums waren sofort dabei.Doch es soll nicht bei dieser Fotoaktion bleiben. Im Foyer des Seniorenheims steht eine Spendendose, um für die Kriegsopfer zu sammeln. Auch bei künftigen Veranstaltungen soll sie tüchtig gefüllt werden.

Die 93-Jährige kann sich noch gut erinnern, „wie wir bei Sirenen-Geheul zusammengezuckt sind“. „Dann mussten wir sofort raus aus den Häusern und Schutz im Bunker suchen.“ Erna Drewitz ist fest davon überzeugt, damals einen Schutzengel gehabt zu haben. „Wir wurden einmal von einer Person aufgefordert, unsere Häuser verlassen. Das war auch gut so. Denn als wir später zurückkamen, lag es in Schutt und Asche.“

Erna Drewitz kann sich noch gut an den Kriegsbeginn damals erinnern. „Als Hitler am 1. September 1939 Polen angreifen ließ, kam meine Mutter zu mir ins Zimmer und sagte „Jetzt ist Krieg“. Diese Worte vergesse ich nie, auch wenn ich damals mit meinen zehn, elf Jahren noch nicht so recht begriff, was das bedeutet.“ Das kam leider schneller, als ihr lieb war. Die Bilder heute aus der Ukraine beschäftigen sie sehr. „Ich kann dann nachts immer sehr schlecht schlafen.“