Bochum. „Putin ist ein Raubtier“, sagt der Pastor einer freikirchlichen Gemeinde in Bochum. Seit dem Morgen hilft er bei der Evakuierung in der Ukraine.

„Es gibt keine Fluchtmöglichkeit mehr. Man ist nirgendwo mehr sicher“, sagt Ivan Stukert. Der 37-Jährige ist ganz nah dran am Krieg Russlands gegen die Ukraine. Als Pastor der Christengemeinde „Gottes Wort“ reiste er regelmäßig in der Separatistenregion Donezk. Von Bochum aus leistet er jetzt logistische Hilfe bei den Evakuierungen.

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Kinder und Alte zuerst: Das gilt schon seit Wochen beim verzweifelten Versuch, möglichst viele Menschen aus den Krisengebieten zu retten. Ivan Stukert weiß um die Not und Furcht in der Zivilbevölkerung. Seit dem Beginn der Kämpfe 2014 war er „an mehr als 250 Tagen an der Frontlinie“, wie er sagt. Seine freikirchliche Gemeinde an der Harpener Heide hat zahlreiche Spendenaktionen organisiert. Kleidung, Decken, Medikamente, Kinder- und Babynahrung: „Es fehlt an allem“, sagt Stukert, der mit der Gesellschaft Bochum-Donezk zusammenarbeitet und zuletzt im November 2021 in der Ostukraine war.

Bochumer Pastor: Jetzt geht es ums nackte Überleben

Seit dem Einmarsch russischer Truppen in der Nacht zum Donnerstag, seit den ersten Bomben und Todesopfern geht es nicht mehr um Schlafsäcke, Brei oder Tabletten. Spätestens jetzt gehe es ums nackte Überleben, warnt Pastor Stukert. Telefonate mit seinen Partnern vor Ort zeichnen in den vergangenen Stunden ein dramatisches Bild. Schüler und Lehrer flüchteten sich in Bombenschutzkeller unter den Klassenräumen. Es habe bereits zivile Opfer gegeben.

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Seit 2014 leistet Ivan Stukert mit der Bochumer Christengemeinde humanitäre Hilfe in der Ostukraine. Sein Foto zeigt ihn auf dem Kanonenrohr eines russischen Panzers nahe Bochums Partnerstadt Donezk.
Seit 2014 leistet Ivan Stukert mit der Bochumer Christengemeinde humanitäre Hilfe in der Ostukraine. Sein Foto zeigt ihn auf dem Kanonenrohr eines russischen Panzers nahe Bochums Partnerstadt Donezk. © Ivan Stukert

„Es herrscht große Angst“, sagt Stukert. Per Handy und Laptop versucht er, Fluchtziele für besonders schutzbedürftige Kinder und Senioren zu finden, Transporte zu organisieren, Fluchtwege zu ebnen. Aktuell komme noch die Großstadt Dnipro in Betracht. Doch die Evakuierung falle seit Beginn der russischen Aggression noch schwerer. Dabei rechnen Beobachter schon in Kürze mit großen Flüchtlingsströmen. Und: Ivan Stukert (ein gebürtiger Kasache) glaubt nicht an ein baldiges Ende des Krieges. Im Gegenteil: „Putin ist ein Raubtier, das sich seine Beute holt.“

Spendenaufruf und Friedensgebete

Die Christengemeinde bittet um Spenden für die Bevölkerung in der Ukraine über das Hilfswerk Helping Hands. Die IBAN lautet: DE24452604750012636705; Verwendungszweck: „Evakuierung“.

Am Freitag findet neben dem Friedensgebet in der Pauluskirche um 12.10 Uhr in der Innenstadt auch um 18 Uhr in St. Maria Magdalena ein Friedensgebet am Wattenscheider Hellweg statt.

Am Samstag sind Christinnen und Christen um 12 Uhr zum Gebet in der Friedenskirche an der Oststraße eingeladen.

Derweil stehen Bochumer Christinnen und Christen am Donnerstagmittag „ohnmächtig angesichts des Angriffs Russlands auf die Ukraine“ zusammen: Zum gemeinsamen Friedensgebet in der Pauluskirche in der Innenstadt hatten die evangelische Kirche sowie die katholische Stadtkirche Bochum und Wattenscheid eingeladen. „Alle diplomatischen Bemühungen waren vergebens“, bringt der katholische Stadtdechant Michael Kemper hervor, und fügt dann hinzu: „Und wohl auch alle unsere Gebete.“

Bochumer Christen beten um Frieden in der Pauluskirche

In ihren Fürbitten nehmen die über 50 Betenden nicht nur die Ukrainerinnen und Ukrainer in den Blick, die nun um ihr Leben fürchten. Die Verantwortlichen in Politik und aufseiten der Vereinten Nationen mögen „mit Maß handeln und nicht aus Vergeltungsstreben“, tragen Kemper sowie der evangelische Superintendent Gerald Hagmann vor.

Sie beten „für die Menschen, die Angst haben, zwischen die Fronten zu geraten“ und nicht zuletzt für Medienschaffende, „dass sich die Wahrheit durchsetzt und nicht die Sensationslust“. Flehend erklingt das Abschlusslied aus den Mündern der Gemeindemitglieder „Herr, gib uns deinen Frieden“, die im Anschluss jeweils Kerzen im Altarraum aufstellen, die auch während der kommenden Stunden des Ukraine-Kriegs weiterbrennen sollen.

Beim Friedensgebet für die Gemeinde St. Josef in Donezk und alle Menschen in der Ukraine kamen am Donnerstagmittag in der Pauluskirche in der Bochumer Innenstadt über 50 Gläubige unterschiedlicher Konfessionen zusammen.
Beim Friedensgebet für die Gemeinde St. Josef in Donezk und alle Menschen in der Ukraine kamen am Donnerstagmittag in der Pauluskirche in der Bochumer Innenstadt über 50 Gläubige unterschiedlicher Konfessionen zusammen. © WAZ Bochum | Verena Lörsch

Zum dritten ökumenischen Friedensgebet wollen sie auch am Freitag, 25. Februar, wieder um 12.10 Uhr in der zentral gelegnen Pauluskirche an der Grabenstraße 9 zusammenkommen. Doch Constantin Decker, Pastor der evangelischen Pauluskirche, stellt angesichts der Verschärfung der Lage in der Ukraine schon die Überlegung an, „das Friedensgebet zu einem regelmäßigen Angebot zu machen“. Er sei davon überrascht gewesen, wie viele Menschen sich am Donnerstag zum Gebet versammelt haben.

Zwei Kundgebungen am Freitag angekündigt

Derweil werden in Bochum weitere Protestkundgebungen angekündigt. Die politischen Jugendorganisationen Jungsozialisten (Jusos), Junge Union (JU), Junge Liberale (JuLis) und Grüne Jugend rufen am Freitag (25.) um 15.30 Uhr am Rathaus zu einer Demonstration auf. „Wir wollen nicht länger zusehen und gemeinsam unserer Solidarität mit den Menschen in der Ukraine Ausdruck verleihen“, heißt es bei der Grünen Jugend.

Ebenfalls am Freitag, ebenfalls vor dem Rathaus, ist bereits für 11.55 Uhr eine Friedenswache geplant. Die SPD ruft dazu auf.