Bochum. Mehr als 500 Jahre alt ist Deutschlands ältestes Familienunternehmen. Auch in Bochum hat es einen Fußabdruck, wenn auch erst seit 50 Jahren.
Es gibt einige traditionsreiche Familienunternehmen in Bochum. Eickhoff zum Beispiel, der Maschinenbauer geht auf das Jahr 1864 zurück. Und auch Deutschlands ältestes Familienunternehmen hat einen Fußabdruck in dieser Stadt: The Coatinc Company. Bis auf das Jahr 1502 lässt sich deren Geschichte zurückverfolgen. Und immerhin seit 50 Jahren produziert sie in Bochum.
Ein Blick von der Erzbahntrasse auf das Werksgelände
Coatinc Bochum hat im Januar 2022 Geburtstag gefeiert. Anfang der 1970er Jahre begann die Verzinkerei auf dem Gelände der früheren Zeche Carolinenglück im Stadtteil Hamme. Noch heute erinnert der Förderturm über Schacht 3 der Zeche an die mehr als 100-jährige Bergbaugeschichte an dieser Stelle.
Zwischen dem seltenen Fördergerüst der Bauart Zschetzsche und dem Coatinc-Werksgelände liegt Bochums bekanntester Radweg: die Erzbahntrasse. Wer sie befährt, der kann einen Blick auf das weitläufige Firmengelände werfen. Stahl und Eisen liegen dort in unterschiedlicher Größe und Form, über ihnen ragen zwei große Kräne. Allerdings nicht mehr lange. „Wir werden den Platz in diesem Jahr mit einer Halle überbauen“, sagt Paul Niederstein (47). Die Rede ist von einer Millioneninvestition. Die Kräne verschwinden dann.
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1500 Mitarbeiter und 300 Millionen Euro Jahresumsatz
Einer der Vorteile: Die Stahl- und Eisenteile, die in Hamme verzinkt werden, können auch spät abends und nachts angeliefert und bearbeitet werden, ohne damit die Nachbarschaft zu stören.
In 17. Generation führt Paul Niederstein das Familienunternehmen, das längst eine international tätige Gruppe ist und das an 22 Standorten mit 1500 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 180 Millionen Euro erwirtschaftet. Mit allen Beteiligungen kommt es sogar auf 2200 Beschäftigte und 300 Millionen Euro Jahresumsatz.
130 Menschen arbeiten im Werk Bochum. „Viele von ihnen sind schon sehr lang hier“, sagt der Chef. Und nicht wenige werden bei Coatinc ausgebildet bzw. angelernt. Bedarf an Kräften gebe es immer.
Mannschaft am Ofen braucht Erfahrung
Das Herz des Werks sind die beiden Öfen, einer davon „eine alte Dame“, so der 47-Jährige, die aber immer noch höchst produktiv arbeite. Die beiden traditionellen Feuerverzinkungskessel „sorgen für einen optimalen Korrosionsschutz“, erklärt Ludger Kröger, Geschäftsführer des Bochumer Werkes. 16,5 Meter lang ist der große Ofen, sieben Meter der kleine. Um damit umzugehen, bedarf es einer gewissen Erfahrung.
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Das erfährt der Besucher an diesem Vormittag, als ein gekrümmtes großes Rohrstück mit 90 Grad Winkel in das Zinkbad eingetaucht wird. Kein Stück von der Stange, sondern eines, dass länger als üblich behandelt werden muss; u.a. damit auch die Innenseite sauber mit dem Zink überzogen ist, und das an einigen Stellen auf Wunsch des Kunden aber auch nicht verzinkt wird, weil dort andere Teile angeflanscht werden. All das erfordert die ganze Aufmerksamkeit der Mannschaft am Ofen.
Zinkbad hat eine Temperatur von 450 Grad Celsius
Beschäftigungsintensiv ist das Verzinken – trotz der maschinellen Hilfe. Von leichteren Zaunelementen bis zu tonnenschweren Maschinenteilen werden, aufgehängt an mechanischen Trägern, den sogenannten Traversen, durch die Hallen bewegt. Erst werden sie gereinigt, dann vorbehandelt und schließlich für kurze Zeit in das 450 Grad heiße Zinkbad getaucht.
Ein Prozess, den der studierte Diplom-Kaufmann Paul Niederstein geradezu euphorisch beschreibt. „Zink und Eisen gehen eine natürliche Verbindung ein“; die für einen jahrzehntelangen Schutz des behandelten Stücks sorge. Beim Jobben in den Ferien habe er das als Schüler zum ersten Mal erfasst. Und es fasziniert ihn offenbar immer noch. Zumal das Geschäft erfolgreich ist.
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In Sachen Nachhaltigkeit wähnt sich die Branche vorne
Wenn Umweltschützer und Politik zu mehr ökologischem Bewusstsein aufforderten und Industriebetriebe danach fragen, wann sie endlich CO2-neutral produzierte, antwortet der Firmenchef gerne so – und verschweigt nicht, dann auch als Vertreter der gesamten Branche unterwegs zu sein: „Unsere Branche muss sich in Sachen Nachhaltigkeit nicht verstecken.“ Sie leiste schon jetzt einen großen Beitrag auf dem Weg zur KIimaneutralität. „Feuerverzinkter Stahl ist dauerhaft, wiederverwendbar, instandsetzbar und recycelbar.“ Eigenschaften, die anderen industriell gefertigten Produkten längst nicht zugeschrieben werden könnten.
Von einer Verzinkerei zum modernen Dienstleister
Was vor 50 Jahren als reine Zinkerei in Bochum-Hamme begonnen hat, ist nach dem Verständnis des Unternehmens „The Coatinc Company“ mittlerweile ein moderner Dienstleister geworden. Dazu gehört, dass die firmeneigenen Lkw täglich durchs ganze Ruhrgebiet und darüber hinaus fahren, um bei den Kunden die zu verzinkenden Teile einzusammeln und später wieder auszuliefern.
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„Das ist unser Milkrun“, erklärt Geschäftsführer Paul Niederstein. In Anlehnung an die britische Tradition der täglichen Milchlieferung bis an die Haustür ist damit ein Logistikprinzip gemeint; nämlich die bedarfsgerechte Bereitstellung von Gebinden.
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Von der BVB-Südtribüne bis zur Antarktis
Ein ausgeklügeltes und flexibles Logistiksystem garantiere eine kurze Auftragsabwicklung. „Und dank der geringen Entfernung zu den Schwesterwerken in Siegen, Scherpenzeel und Roermond ist Coatinc Bochum auch in der Lage, weitere Veredelungstechniken wie die Nassbeschichtung, Anodisierung und auch Hochtemperaturverzinkung anzubieten“, heißt es im Unternehmen.
Zum großen Kundenkreis gehören mittelständische Betriebe wie Schlossereien und Stahlbauer, aber ebenso Serienteilhersteller, Mastbauer und konzerngebundene Unternehmen. In Bochum verzinkte Teile sind über Europa verstreut. Und sie werden auch an spektakulären Stellen verbaut, zum Beispiel an der eindrucksvollen Südtribüne im Signal-Iduna-Park, der Heimstätte von Borussia Dortmund, der Neumayer-Forschungsstation in der Antarktis und Kraftwerken in der Karibik.