Bochum. Von einer „Krise der Systeme“ spricht Thomas Jorberg, Chef der GLS Bank in Bochum. Sein Haus stellt 100 Millionen Euro für Photovoltaik bereit.
Wirtschaft, Klima, Gesundheitssektor. „Alle Systeme sind an der Grenze“, sagt Thomas Jorberg. Die aktuelle Krise, besonders von Klimawandel und Corona-Pandemie getrieben, sei nicht zu vermeiden. „Aber wir können sie gestalten“, so der Vorstandssprecher der in Bochum beheimateten GLS Bank. Gelingen soll das zum Beispiel mit einer großangelegten Photovoltaik-Kampagne (PV) für das Ruhrgebiet.
GLS Bank stellt 100 Millionen Euro für Photovoltaik bereit
100 Millionen Euro stellt Deutschlands älteste sozial-ökologische Bank zu einem Zinssatz von 0,5 Prozent allein für 2022 bereit. Finanziert werden damit Photovoltaik-Anlagen auf Firmendächern mit einer Größenordnung von 100.000 Euro an. „Wir wollen den Anschub geben für viel mehr grüne Energie von Firmendächern“, sagt Michael Orth vom bankeigenen Kompetenzcenter Erneuerbare Energien.
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Das Interesse ist groß. „Wir verzeichnen eine rege Nachfrage an der Finanzierung. Es wurden bereits Kredite in Höhe von zehn Millionen Euro ausgezahlt und zahlreiche Angebote erstellt.“ Das Angebot gilt zwar bundesweit. Aber eine gemeinsame Umsetzung, inklusive Projektierung, läuft derzeit als Pilotprojekt im Ruhrgebiet mit den Partnern B&W Energy, Stadtwerke Bochum, Energiegewinner Köln sowie dem Modulhersteller Meyer & Burger.
Großes Photovoltaik-Potenzial auf Hausdächern
Das Potenzial ist immens. „Schauen sie sich um“, sagt Bank-Chef Jorberg beim Gespräch in der obersten Etage der Bankzentrale an der Christstraße im Stadtteil Ehrenfeld beim Rundblick über Bochum. Weit und breit sei kaum eine Solaranlage zu sehen. „Das ist eine Schande.“
Ende 2020 gab es zwar 2288 PV-Anlagen mit einer Leistung von 35.739 Kilowatt Peak (kWp) im Netz der Stadtwerke Bochum. Damit können umgerechnet rund 8600 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden. Auch ist die revierweit größte PV-Anlage hier; nämlich auf dem Hannibal-Einkaufscenter in Hofstede; ebenso die größte PV-Anlage in Eigenbedarf. Diese betreibt der Kühllogistiker Nagel im Stadtteil Harpen.
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GLS Bank baut PV-Anlage auf eigenem Dach
Aber nach Auskunft der Stadt gibt es allein in Bochum gut geeignete PV-Anlagenflächen im Umfang von 4.516.665 Quadratmetern, geeignete PV-Anlagenflächen im Umfang von 3.638.916 Quadratmeter und immerhin 1.402.521 Quadratmeter noch bedingt geeignete Flächen. Alles in allem ließen sich 1.049.43 Kilowattepeak (kWp) in Bochum erzeugen, 35 Mal so viel wie bislang erst genutzt. Damit ließen sich deutlich mehr als die knapp 200.000 Haushalte in Bochum versorgen. Und: „Dies entspräche einem CO2-Einsparungsbetrag von insgesamt 546.763 Tonnen.“.
Und das nur in Bochum. Wie groß sind da erst die Möglichkeit im Ruhrgebiet? „Wenn wir es hier schaffen, dann geht das auch überall“, so das Credo bei der Vorstellung der Geschäftsergebnisse. Auch das hauseigene Dach der GLS Bank soll eine neue PV-Anlage erhalten. Ein weiteres Projekt habe etwa die Seco Kältetechnik beauftragt.
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Genehmigungsverfahren dauern zu lange
Das Potenzial in NRW liegt bei 68 Terawattstunden, im ganzen Bundesgebiet nach einer Studie der Agentur für Erneuerbare Energien sogar bei 900 Gigawatt.
Geschäftszahlen 2021
Die GLS Bank hat im vergangenen Jahr ihr Geschäftsvolumen um 15 Prozent auf mehr als zehn Milliarden Euro gesteigert. Allein 1,1 Milliarden Euro Kredite wurden vergeben, darunter vor allem in den Bereichen sozial-ökologisches Wohnen (30 Prozent), Erneuerbare Energien (23 Prozent) und nachhaltige Wirtschaft (15 Prozent). Der Gewinn beträgt 7,4 Millionen Euro, eine Million Euro mehr als 2020.
321.000 Kundinnen und Kunden hat die Bank mittlerweile. Das ist ein Plus von 15 Prozent. Die Zahl der Mitglieder ist um 25 Prozent auf 104.000 gestiegen. Die Belegschaft ist um 17 Prozent auf 820 Beschäftigte gewachsen
Um dieses Potenzial ist aber nicht nur Geld nötig, so GLS-Bank-Chef Jorberg. „Die Genehmigungsverfahren für regenerative Energien müssen beschleunigt werden.“ So manche Akte schlummere zu lange auf Schreibtischen.
Freiflächen für Landwirtschaft nutzen
Zur richtigen Strategie für eine Transformation der System gehöre aber auch, Photovoltaikanlagen ausschließlich auf versiegelten Flächen anzubringen. „Die Freiflächen brauchen wir für die Landwirtschaft.“
Dass der Geschäftspartner Stadtwerke Bochum über das Stadtwerke-Konsortium Trianel auch an Solarparks auf der grünen Wiese beteiligt ist, möchte die GLS Bank nicht kommentieren. „Aber vielleicht sorgt der Austausch untereinander ja für einen anderen Blick auf das Thema“, sagt Bank-Vorstand Aysel Osmanoglu.
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Mehr Engagement beim Radschnellweg gewünscht
Eine Rolle bei der aus Bank-Sicht noch falschen Verteilung spielten aber auch die Rahmenbedingungen. Photovoltaik-Anlagen auf Dächern seien teurer als auf Freiflächen. „Das müssen wir anders steuern.“
Was die Transformation betrifft, so sieht Aysel Osmanoglu bei der Stadt Bochum gute Ansätze für einen Wandel. Aber auch noch Luft nach oben. Beim Radschnellweg etwa würden sie sich ein größeres Engagement wünschen. Dass Strecken wie der Springorum-Radweg gut angenommen werden, sei ein Wink mit dem Zaunpfahl, mehr Strecken, gerade für den Berufsverkehr mit dem Rad, auszubauen. Denn: „Je größer das Angebot, desto intensiver wird dieses Angebot auch genutzt.“