Bochum. Neue Energiekonzepte für die Wohnungswirtschaft sucht die Vonovia. In Bochum investiert sie 80 Millionen Euro in einem Innovationsquartier.

Die Wohnungswirtschaft steht vor riesigen Herausforderungen. Es fehlt Wohnraum – bezahlbarer Wohnraum, ökologisch vertretbarer Wohnraum, Wohnraum in der richtigen Größe. Die Vonovia lotet in Bochum-Weitmar aus, wie sie diesen Herausforderungen begegnen will – und das mit wissenschaftlicher Unterstützung.

Zusammen mit renommierten Fraunhofer-Instituten und gefördert durch einen Zuschuss in Höhe von 6,2 Millionen Euro des Landes NRW werden in einer Siedlung mit Mehrfamilienhäusern und derzeit etwa 1200 Wohnungen vornehmlich aus den 1960er Jahren neue Technologien im laufenden Betrieb entwickelt und getestet. Das Ziel des auf drei Jahre angelegten Projektes ist ehrgeizig. „Wir wollen eine unabhängige und möglichst CO2-neutrale Strom– und Wärmeversorgung des Quartiers hinbekommen“, sagt Vonovia-Regionalbereichsleiter Michael Klöpsch.

Energiewende auf dem Wohnungsmarkt

Es geht um nichts Geringeres als die Energiewende auf dem Wohnungsmarkt – und Weitmar ist das Testlabor. Und um noch ein bisschen mehr; „um den Dreiklang von Ökologie, Bezahlbarkeit und demografischer Wandel“, so Mario Stamerra, Geschäftsführer von Vonovia-West. Dazu werden die alten Häuser saniert und künftig über Photovoltaikanlagen auf den Dächern mit Energie gespeist. Der Clou dabei: Die überschüssige Energie wird vor Ort in Wasserstoff umgewandelt und gespeichert für sonnenärmere Tage. Zugleich müssen die in den 1980er Jahren schon einmal zusätzlich gedämmten Gebäude nicht noch einmal mit Styropor eingepackt werden, um eine bestmögliche Energieeffizienz zu erreichen. Klöpsch: „Das ist es, was wir hier mit dem Projekt beweisen wollen.“

Längst ist das frühere Allheilmittel der energetischen Sanierung, das Styropor, nicht mehr die erste Wahl. „Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel“, sagt Alexander Rychter, Verbandsdirektor der Immobilienwirtschaft in Rheinland und Westfalen. Denn auch Styropor müsse irgendwann entsorgt werde und belaste die Umweltbilanz Gemeinsam mit Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, hat er am Montag bei der Besichtigung zukunftsweisender Bauprojekte im Ruhrgebiet auch einen Abstecher nach Weitmar gemacht.

385 Wohnungen werden saniert, 189 neu gebaut

Dort hat die Vonovia viel vor. 80 Millionen Euro investiert Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen mit Sitz in Bochum bis 2025. Von den 1200 Wohnungen werden 385 mit neuen Fenstern und Balkonen modernisiert. Außerdem entstehen 113 neue Wohnungen mit insgesamt 8475 Quadratmeter Wohnfläche durch Dachgeschossaufstockungen und 76 neue Wohnungen in sechs Neubauten mit insgesamt 7354 Quadratmeter Wohnfläche. Das alles, so heißt, soll in einem für die Mieter vertretbaren finanziellen Rahmen gelingen. Auch deshalb werde auf eine neuerliche Dämmung verzichtet. Denn die, so Michael Klöpsch, sei bei der Modernisierung der teuerste Posten.

Photovoltaikanlagen auf den Dächern

Zum Projekt gehört eine gläserne Technikzentrale, die für 81 Wohnungen Energie liefert. Zu den innovativen Technologien gehören ein Elektrolyseur zur Produktion von Wasserstoff aus Strom, Brennstoffzellen oder Wärmepumpen, die dazu führen, dass die anliegenden Gebäude und Haushalte zu 60 Prozent mit dezentral erzeugter CO2-freier Wärme versorgt werden. Den benötigten Strom erzeugt Vonovia zu 25 Prozent lokal aus eigenen Photovoltaikanlagen auf den Hausdächern.

Vonovia möchte das Serviceangebot ausweiten. Es soll von einer permanente Betreuung durch Quartiersentwickler mit Büro vor Ort über die Möglichkeit einer Versorgung mit Mieterstrom bis zu Ladevorrichtungen und E-Carsharing reichen. Ein Schwerpunkt soll zudem auf dem barrierearmen Wohnraum für ältere Mieter liegen.

GdW-Präsident Axel Gedaschko sagt, wohin der Weg aus Sicht der Wohnungswirtschaft führen muss:„Wenn das Wohnen noch klimaschonender werden und gleichzeitig bezahlbar bleiben soll, brauchen wir statt immer mehr teurer energetischer Sanierungsmaßnahmen endlich zukunftsgerichtete politische Rahmen- und Förderbedingungen. Dezentrale und CO2-arme Energieerzeugung ist der Schlüssel.“ In Weitmar will die Vonovia das beweisen.

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