Bochum. Die Schließung der Kinder- und Jugendpsychiatrie Linden würde das Aus der Schule für Kranke bedeuten. Mit drastischen Konsequenzen für Bochum.
Seit fast 35 Jahren befindet sich an der Axtstraße in Bochum die Ferdinand-Krüger-Schule, in unmittelbarer Nähe zur Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Schule für Kranke besuchen die jungen Menschen zum Unterricht, die für mehr als vier Wochen in der Lindener Klinik leben. Zum Jahresende droht dieser die Schließung – und mit ihr auch der Schule. Das hat drastische Konsequenzen.
Elf Lehrkräfte unterrichten die Kinder und Jugendliche – egal, ob sie die Grund- oder weiterführende Schule beziehungsweise ein Berufskolleg besuchen. „Wir konzentrieren uns dabei auf die Kernfächer“, erklärt Schulleiter Markus Brokamp im WAZ-Gespräch. Der zeitliche Umfang der Beschulung orientiert sich an der individuellen Belastbarkeit der Kinder und Jugendlichen sowie dem zeitlichen Rahmen, den die Therapie lässt. 99,9 Prozent der Kinder und Jugendlichen kommt aus der benachbarten Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Kinder- und Jugendpsychiatrie: Klinikschule droht die Schließung
„Wenn die Klinik schließt, schließt die Schule“, ergänzt Gerd Julius, der jahrelang Schulleiter war und nun im Vorstand des Fördervereins ist. Das liegt daran, dass die Existenz der Schule rechtlich an die des benachbarten Krankenhauses geknüpft ist.
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Brokamp und Julius schließen sich dem mehrheitlichen Stimmungsbild in Bochum an – die Klinik in Linden dürfe nicht schließen. Zu groß sei die Notwendigkeit. Die Betten in der Einrichtung seien stets voll besetzt, die Wartelisten lang. Ein Großteil dieser Kinder komme direkt hier aus Bochum. Viele würden noch darüber hinaus ambulant von der Klinik betreut, da sie keinen Platz bei hiesigen Therapeutinnen und Therapeuten erhielten.
„Ich finde, die geplante Schließung der Klinik ist eine Katastrophe, gerade in der Pandemie, in der der Bedarf nachweislich steigt“, sagt Gerd Julius und kritisiert scharf: „Die Kündigung eines Versorgungsauftrag klappt hier schneller als die eines Handyvertrags. Es kann nicht sein, dass ein Milliardenkonzern das hier einfach schließt.“
Mit Schul-Schließung geht große Expertise verloren
Einen Ersatz für die Schule für Kranke gebe es im Bochumer Stadtgebiet wohl nicht so schnell. Auch nicht, wenn mit anderem Träger oder an anderer Stelle erneut eine Kinder- und Jugendpsychiatrie öffnen würde. Schulleiter Brokamp erklärt: „Es gibt in Nordrhein-Westfalen kein spezielles Lehramt für Klinikschulen. Alle, die hier unterrichten, haben sich ihr Wissen über die Krankheitsbilder über die Jahre angeeignet.“ Die Lehrkräfte hätten eine enorme Expertise im Umgang mit psychisch kranken Kindern entwickelt, durch Fortbildung und vor allem langjährige Erfahrung.
Schließt die Schule, müsste sich das Personal einen neuen Arbeitsplatz suchen. „Es ist bei Weitem nicht so, dass die Kolleginnen und Kollegen keine neue Wirkungsstätte finden würden“, so Brokamp. Im Gegenteil: Viele Schulleitungen anderer Schulen würden die Lehrkräfte aufgrund ihrer Expertise sofort nehmen. Allerdings müsste bei einer Neueröffnung einer Schule für Kranke erst einmal ein neues Lehrerkollegium generiert werden. „Die jetzige Qualität wäre nicht mehr da. Das Team müsste mühsam wieder aufgebaut werden genauso wie das jahrzehntelange Netz mit Bochumer Schulen, das besteht“, erklärt Brokamp weiter.
„Das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten“
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Denn: Die Schülerinnen und Schüler, die in der Schule für Kranke unterrichtet werden, sind weiterhin an ihren Stammschulen angemeldet. Das bedeutet einen engen Austausch zwischen Lehrkräften beider Schulen. Nicht selten muss auch ein Wechsel auf eine neue Schule organisiert werden. Da hilft es, wenn seit Jahren eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Schulen in Bochum besteht und die Wege zu persönlichen Gesprächen kurz sind. „Es funktioniert nicht, alles über das Telefon zu besprechen“, erläutert Brokamp.
Die Ferdinand-Krüger-Schule in Bochum
Die Ferdinand-Krüger-Schule ist eine städtische Schule für Kranke. Elf Lehrkräfte unterrichten durchschnittlich 62 Schülerinnen und Schüler aller Schulstufen und Schulformen im Alter von sechs bis 18. Pro Jahr hat die Schule bis zu 400 Schülerinnen und Schüler.
Einen weiteren Standort gibt es am Bergmannsheil in Bochum, wo Kinder und Jugendliche mit Neotrauma unterrichtet werden. Der Anteil dieser Schülerinnen und Schüler sei allerdings sehr klein.
Außerdem wäre auch der kurze und geschützte Weg von Klinik zur Schule nicht mehr möglich – stattdessen wären längere Fahrten die Konsequenz, beispielsweise nach Dortmund oder Hamm. Markus Brokamp und Gerd Julius sind sich einig: „Die Schließung der Klinik und die Schließung der Schule sind etwas, das wir uns als Gesellschaft nicht leisten können.“ Beides ginge zu Lasten von Kindern und Jugendlichen, die sich nicht wehren können.