Weitmar. Immer neue Tagesbrüche tun sich im Weitmarer Holz auf. Kein Wunder, denn die Geschichte des Bochumer Südens liefert dazu eine klare Antwort.

Wer sich in diesen Tagen über einen neuen Tagesbruch im Weitmarer Holz wundert und ärgert, muss wissen, dass der oberflächennahe Steinkohlenbergbau in diesem heute als beliebtem Naherholungsgebiet genutzten Wald dort schon seit dem späten 17. Jahrhundert betrieben wurde. Das hat seinen Grund, denn im Süden unserer Stadt, wo das Ruhrtal tief ins Gebirge einschneidet, treten die Kohleflöze ans Tageslicht. Dort war, anders als im nördlichen Ruhrgebiet, der oberflächennahe Bergbau mit beinahe horizontal in die Erde vorangetriebenen Stollen möglich. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs waren etliche dieser längst stillgelegten Grubenbaue und Kleinzechen wieder geöffnet worden – aus reiner Not heraus.

Allein im Bergamtsbezirk Bochum-Süd, zu dem auch die Stadtteile Stiepel, Linden und Dahlhausen gehörten, arbeiteten damals bis zu 180 Klein- und Kleinstzechen, deren Belegschaften oft kaum mehr als ein Dutzend Bergleute zählten. Die Kohle bauten die Kumpel dann oft nur ab, um ihren eigenen oder den Brennstoffbedarf ihrer Familien zu decken, wirtschaftlich lohnend war das nicht.

Die Aufnahme aus dem Jahr 1964 zeigt einen großen Tagesbruch an der Weitmarer-Holz-Straße.
Die Aufnahme aus dem Jahr 1964 zeigt einen großen Tagesbruch an der Weitmarer-Holz-Straße. © Stadt Bochum, Presseamt | Fotografen der Stadt Bochum

Die Folgen aber beschäftigen die Bergbehörde und die Stadt bis heute. Neu sind die Tagesbrüche nicht. Die Aufnahme aus dem Jahr 1964 (siehe oben) zeigt einen großen Tagesbruch mitten auf einer Wiese an der Weitmarer-Holz-Straße.

Peter Hogrebe ist Dezernent für Gefahrenabwehr im Altbergbau bei der Bezirksregierung in Arnsberg. Das Dezernat nimmt auch die Aufgaben der früher weitgehend selbstständig agierenden Bergbehörde wahr. Er betont: „Hinsichtlich des aktuellen Tagesbruchgeschehens an der Blankensteiner Straße kann ich versichern, dass die Bergbehörde alles unternimmt, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit schnellstmöglich abzuwenden. Tagesbrüche werden in allen Altbergbaugebieten in NRW leider immer wieder auftreten.“ Um dem zu begegnen, gebe es Risikomanagementsysteme der Bergbehörde sowie auch die von Altbergbaugesellschaften.

Aus der Geschichte des Weitmarer Holzes

Das heute noch rund 80 Hektar große Weitmarer Holz ist der Rest eines ehemals viel größeren zusammenhängenden Waldgebietes im Bochumer Süden. Wie auf preußischen Karten zwischen 1830 und 1840 zu sehen ist, war dieses Waldgebiet schon damals von zahlreichen Zechen durchzogen. Seit 1780 befindet es sich im Besitz der Familie von Berswordt-Wallrabe.

Eine der ältesten Bergbaubetriebe in dem Gebiet ist die Zeche „Preußisch Zepter“, die wahrscheinlich schon 1695 (oder früher) die Förderung aufnahm. Sie wurde 1808 stillgelegt, aber 1873 als „Brockhauser Tiefbau“ neu in Betrieb genommen.

Aus einer anderen Perspektive blickt der Historiker Dietmar Bleidick, der auch Schatzmeister der Kortumgesellschaft ist, seit vielen Jahren auf das Weitmarer Holz. Er hat sich etwa für die neue Beschilderung des Bergbauwanderwegs Bochum-Süd eingesetzt. Zu den aktuell aufgetretenen Tagesbrüchen warnt er nachdrücklich: „Ich kann nur dringend raten, dort auf den Wegen zu bleiben. Diese sind mit Stahlmatten gesichert. Auch die Warnschilder stehen aus gutem Grunde da.“

Diese Aufnahme zeigt eine Kleinzeche an der Straße Am Bliestollen im August 1957.
Diese Aufnahme zeigt eine Kleinzeche an der Straße Am Bliestollen im August 1957. © Stadt Bochum, Presseamt | Fotografen der Stadt Bochum

Ein sterbender Wald

Bleidick verweist auf die Geschichte des Gebietes. Vor bald 20 Jahren, 2003, veröffentliche die Kortumgesellschaft in den „Bochumer Zeitpunkten“ einen lesenswerten Beitrag, der sich mit der Situation im Weitmarer Holz und auch der wunderbaren Verwandlung eines ehemaligen Bergwerkgebietes zu einer Naherholungsoase beschäftigt. Übrigens lässt sich in diesem Heft wunderbar nachlesen, dass es auch Schüler der Goetheschule waren, die sich in einer „Biologischen Arbeitsgemeinschaft der Oberprimaner 1956/57“ in einer Dokumentation mit dem Titel „Ist das Weitmarer Holz ein sterbender Wald?“ schon früh mit der Zukunft des Waldgebietes beschäftigt hatten.

Der Bergbau und seine Folgen sind bis heute im Weitmarer Holz präsent. Die Warnschilder sollten daher sehr ernst genommen werden.
Der Bergbau und seine Folgen sind bis heute im Weitmarer Holz präsent. Die Warnschilder sollten daher sehr ernst genommen werden. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

In die Zukunft gewandte Forderung

Als nämlich die Zahl der kleinen Zechen dort im Rahmen des wirtschaftlichen Aufschwungs der jungen Bundesrepublik mehr und mehr zurückging, mehrten sich Proteste aus der Bevölkerung. Kohlenstaub und Kohlenschlamm, die mit einfachen Mitteln errichteten Abbaubetriebe, die Schienen, Halden und Hütten in dem Waldgebiet sorgten für Ärger.

Der Unmut eskalierte, als ein Wattenscheider Kohlenhandelsunternehmen 1955 eine Kohlensieberei und Mischanlage am Weitmarer Holz errichtete. An die Spitzes des Protestes der Anwohner übrigens stellte sich der ehemalige Bochumer Oberbürgermeister Willi Geldmacher (SPD) und spätere Arbeitsdirektor des Bochumer Vereins. Geldmacher war auch Ortsvorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, die sich als frühe Naturschutzbewegung im Ruhrgebiet für den Erhalt der wenigen Waldgebiete einsetzte.

Besagte Goetheschüler übrigens listeten Ende der 50ere Jahre akribisch auf, wie viele Einstürze und Einbruchgräben es im Weitmarer Holz gab, beschrieben die akute Unfallgefahr und blickten schon weitsichtig in die Zukunft. Sie schlugen einen „Waldrundweg – eine Idee, aber noch keine Wirklichkeit vor“.