Bochum. Der Fahrradmarkt ist von Lieferengpässen geplagt, in leeren Läden stehen Kunden aber nicht. Ein Bochumer Händler sagt: “Mein Lager ist voll“.
Es war eine Meldung von der "Tagesschau", die Jörg Petzel besonders geärgert hat. "Kein Nachschub an Waren" lautete die Überschrift, und darunter die Meldung: "Lieferengpässe könnten das diesjährige Weihnachtsgeschäft beeinflussen - besonders Elektronik-, Spielwaren- und Fahrradhändler sind betroffen."
Auch die "Tagesthemen" berichteten Ende November, der "Black Friday" spiele in manchen Geschäften in diesem Jahr überhaupt keine Rolle - weil die begehrte Ware auch ohne Rabatte weggehe.
Händler: "Fahrräder nicht ausverkauft"
Aus Sicht des Bochumer Fahrradhändlers Jörg Petzel, der den "Rockers Bikeshop" am Nordring betreibt, beschreibt das den Markt nicht richtig. "Die Kunden kommen bei mir in den Laden, schauen sich um und sagen: 'Boah, habt ihr viele Räder, ich dachte, es wäre alles ausverkauft'", berichtet er.
Durch die Meldungen in den Medien sei bei den Kundinnen und Kunden ein falsches Bild entstanden, es stimme nicht, dass man im lokalen Fahrradhandel keine Fahrräder mehr bekomme. "Mein Lager ist pickepacke voll, da ich Ware frühzeitig bestellt habe", sagt Petzel. Vor zwei Jahren habe er rund 100 Fahrräder auf Lager gehabt, aktuell seien es etwa 350.
Lange Lieferzeiten
Auch in seinem Netzwerk, das aus Fahrradhändlern in ganz Deutschland bestehe, hört Petzel dieselben Klagen immer wieder. "Wer ein Fahrrad sucht, sollte jetzt dringend in die Planung gehen", appelliert der Unternehmer. Noch habe man Optionen für das nächste Jahr. "Ich gehe davon aus, dass wir im nächsten Jahr einen überverkauften Markt erleben", sagt Petzel. Dann könne man sein Fahrrad erst 2023 bekommen.
Schon jetzt gebe es Lieferschwierigkeiten, wenn man bestimmte Vorstellungen für sein Fahrrad habe, gibt Petzel zu. "Wer eine bestimmtes Modell sucht, muss bei Farbe, Rahmen oder Ausstattung Kompromisse eingehen, wenn er jetzt im Laden etwas kaufen möchte", so der Experte. "Die Vorlaufzeiten für Fahrräder sind viel länger." Was früher zwei bis sechs Monate gewesen seien, könnten heute anderthalb Jahre sein.
Kunden sind oft überrascht
Auch Uwe van Beek von "Balance" muss Kunden mit konkreten Vorstellungen vertrösten. "E-Bikes und Kinderfahrräder sind besonders betroffen", gibt er zu. Bei bestimmten Farbwünschen könne der Lieferzeitpunkt schnell die 40. Kalenderwoche im kommenden Jahr sein. Wie groß die Lieferengpässe seien, unterscheide sich aber auch von Hersteller zu Hersteller.
Denn die langen Lieferzeiten lägen an den Herstellern. "In unserer Werkstatt merken wir aber auch, dass Kunden davon ausgehen, es gäbe keine Termine", so van Beek. Dem sei nicht so. "Wir können teilweise Termine direkt für den nächsten Tag anbieten, dann sind Kunden überrascht", sagt der Fahrradexperte.
Flexibilität bei Fahrradwahl
Auch Lars Tüsselmann vom E-Bike-Geschäft "E-Motion" sagt: "Es ist aktuell ein bisschen ein Glücksspiel, ob man sein Wunschmodell bekommt, aber es sind reichlich Räder da." Ein ähnliches Bild bei "Fahrrad Seegers": "Wir haben gut bestellt, wenn man ein bisschen flexibel ist, findet man auf jeden Fall ein Fahrrad", sagt dort Julian Wink.
Die Zweirad Einkaufs-Genossenschaft hat bereits ein Statement mit dem Titel "E-Bikes und Fahrräder sind nicht ausverkauft, es ist genügend auf Lager!", veröffentlicht. Darin heißt es: "Der Lockdown und ein sonniges Frühjahr sorgten 2020 für eine deutlich gestiegene Nachfrage im Fahrradhandel."
Geschäfte schlecht besucht
Vor diesem Hintergrund hätten die Fachhändler für 2021 ihr Bestellvolumen erhöht –was aktuell dazu führe, dass Fahrradhändler nach einem Jahr mit großer Nachfrage und reduziertem Angebot derzeit sogar das genaue Gegenteil erlebten.
E-Bikes sind beliebt
Die Lieferschwierigkeiten bei Fahrrädern wurzeln in Werksschließungen und Produktionsunterbrechungen durch die Corona-Pandemie.
Besonders der Verkauf von E-Bikes boomt in Deutschland: Im ersten Halbjahr 2021 stieg er um 9,1 Prozent auf 1,2 Millionen. Mit 1,55 Millionen Fahrrädern ohne Tretunterstützung wurden hingegen deutlich weniger Fahrzeuge dieser Kategorie verkauft als im Vorjahreszeitraum (Minus 26 Prozent ).