Bochum. Mehr als 100 Radfahrende demonstrierten in Bochum für mehr Sicherheit der Kinder und Jugendlichen. Es gibt konkrete Forderungen.

Ein einspuriger Innenstadtring mit breiten Radwegen, Abstellmöglichkeiten für Räder an allen Schulen, Parkstreifen links statt rechts neben den Fahrradwegen, abgetrennt mit Spurrillen – wenn es nach den Demonstranten bei der ersten Bochumer„Kidical Mass“ gehen würde, wäre all das in Bochum längst Realität.

Für die Radsicherheit der Jüngsten demonstrierten am Samstag (18.) mehr als 100 Bochumer und Bochumerinnen. Die 300 angemeldeten kamen nicht, dafür war besonders die Fraktion der unter 14-Jährigen bestens vertreten - teils auch mit Laufrad und Scooter.

Acht Kilometer lange Fahrrad-Demo durch die Stadt

Mit einem Fahrrad-Demozug starteten die Demonstranten am Bergbaumuseum ihre acht Kilometer lange Route. „Das Gesetz sieht vor, dass man schon ab dem 10. Lebensjahr den Gehweg nicht mehr mit dem Rad benutzen darf. Dabei ist die motorische Entwicklung dann noch gar nicht abgeschlossen“, erinnert Marek Nierychlo.

Vor dem Bochumer Bergbaumuseum gab es auf der Rad-Demo ein kleines Rahmenprogramm.
Vor dem Bochumer Bergbaumuseum gab es auf der Rad-Demo ein kleines Rahmenprogramm. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Ein Schlenker mit dem Lenker, ein holpriges Anfahren, der vergessene Schulterblick – bei Kindern auf dem Rad nichts ungewöhnlich. „Es versteht sich also von selbst, dass wir ein sicheres Radwegenetz in Bochum brauchen“, sagte Nierychlo.

Mehr Abstellplätze für Fahrräder gewünscht

Er hat ein unsicheres Gefühl, wenn er seine elf- und 14-jährigen Söhne Jasper und Lieven mit dem Rad zur Schule schickt. „Sie müssen auf dem Schulweg eine Hauptstraße überkreuzen, das ist gefährlich“, so der Vater.

Doch die Probleme fingen schon früher an: „Die meisten Kinder müssen ihre Räder erst aus dem Keller holen, weil es an den Straßen Parkplätze für Autos gibt, aber nicht für Räder“, sagt Nierychlo. Dabei könne man einen Autoparkplatz leicht durch neun Fahrradbügel ersetzen.

Sichere Trennung des Rad- und des Kraftverkehrs in Bochum

Auch Martin Kraft ist sich sicher: „Wenn wir die Verkehrswende schaffen wollen, werden Autofahrer sich einschränken und auf Verkehrsraum verzichten müssen“. Mehrere Bochumer Hauptstraßen müssten zugunsten von Radfahrern einspurig werden.

Seine heute 21- und 18-Jährigen Söhne traute er sich damals nicht mit dem Rad zur Grundschule zu schicken. „Dabei hätte ich das gerne getan.“ Die sichere Trennung von Rad- und Fußverkehr sei dafür aber nötig.

Parkstreifen sollten rechts von Radwegen sein und nicht links

Viele Eltern trauen sich nicht, ihre Kinder mit dem Rad zur Schule zu schicken, weil das Radwegesystem zu gefährlich ist. Auch deshalb wurde demonstriert.
Viele Eltern trauen sich nicht, ihre Kinder mit dem Rad zur Schule zu schicken, weil das Radwegesystem zu gefährlich ist. Auch deshalb wurde demonstriert. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Auch Nierychlo betont: „Aufmalen auf der Fahrbahn reicht nicht, es braucht eine bauliche Trennung.“ Ihn ärgern besonders all die Projekte, bei denen Straßen so geplant werden, dass sich Parkstreifen weiterhin rechts neben dem Radweg befinden.„Das ist eine absolute Verschwendung von Geldern!“ Man könne vielleicht nicht alle Straßen neu planen, aber bei der Allee- und Castroper Straße weiterhin auf eine solche Aufteilung zu setzen, sei unsinnig. „Das hat Dooring-Unfälle zur Folge, wenn Autofahrer die Türen aufreißen und ein Radfahrer vorbeikommt.“

Undichtes Radwegenetz: Plötzlich beginnt das Nirwana

Kidical Mass: Internationale Bewegung

Die erste Bochumer „Kidical Mass“ war Teil eines bundesweiten Aktionswochenendes, an dem sich 140 deutsche Städte beteiligten.

Die internationale Bewegung gibt es seit 2017 in Deutschland. Hauptforderung ist, dass Kinder und Jugendliche sich in Städten sicher und selbstständig mit dem Fahrrad bewegen können.

Weitere Forderungen: Mehr Tempo-30-Zonen, Spielstraßen und breite Radwege an Hauptstraßen.

Karl-Heinz Hüsing kann sich noch erinnern, wie er einst als Kind durch Bochum radelte. „Damals gab es noch viel weniger Autos, wir konnten auf der Straße Fußball spielen und man hat sich viel sicherer gefühlt“, erinnert sich der 67-Jährige.

Ein solches Sicherheitsgefühl wünscht er sich auch für die Jüngsten der heutigen Zeit. „Teilweise wird ein Radweg vorbildlich ein paar hundert Meter lang separat geführt, dann ist man wieder mitten im Nirwana“, ärgert er sich.

Wunsch nach mehr Tempo-30-Zonen in Bochum

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Axel Hamann vom Bochumer „Radwende“-Bündnis schließt sich an: „Wir brauchen mehr Tempo-30-Zonen, das reduziert die Gefahren bei Unfällen.“ Auch die Bochumer Schulen hat er im Sinne der Kinder besonders im Blick: „Die Elterntaxis verschlimmern die Situation dort für die wenigen Kinder, die noch mit dem Rad oder zur Fuß zur Schule kommen.“

Fünf bis zehn Kinder pro Klasse seien nicht mehr fit für die Fahrradprüfung. „Die Vorbilder fehlen den Kindern“, klagt er. Wenn man gleichzeitig etwas für die Umwelt tun wolle und die Kinder zu Bewegung motivieren wolle, müsse sich an der Radwegesituation in Bochum unbedingt etwas ändern. Mehrere Städte zeigten, dass es anders gehe: „Da muss man nur nach Holland oder Dänemark blicken.“