Bochum. Babykleidung aus Herrenhemden, Beutel aus Tischdecken, bestickte Geschirrtücher: An der Bessemerstraße in Bochum entsteht Neues aus Ladenhütern.

Fatma Hasan (Name geändert) spannt den Stickrahmen um ein weißes Tuch, dann zieht sie die Nadel mit dem grünen Garn entlang der aufgemalten Blume. "Das wird ein Geschirrtuch und war einfach mal ein Stoffrest", sagt die 28-Jährige. Hinter ihr hängen alte Herrenhemden, rechts daneben Babykleidchen, die einst Männerhemden waren.

Jede Menge Produkte hat Hasan in den letzten Wochen schon hergestellt. "Man braucht Geduld, aber es macht auch Spaß", sagt sie. Das Jobcenter hat ihr die Stelle in der Upcycling-Werkstatt an der Bessemerstraße vermittelt - als niedrigschwelliges Angebot, um wieder in den Arbeitsmarkt zu finden.

2 Euro Stundenlohn für Bochumer Beschäftigte

2 Euro pro Stunde bekommt die Bochumerin anrechnungsfrei und zusätzlich zu den Sozialleistungen vom Jobcenter für ihre Tätigkeit. Mit dem Angebot der Upcycling-Werkstatt erweitert das Bochumer Jobcenter sein Portfolio an Arbeitsgelegenheiten. "Wir haben etwa 40 verschiedene Stellen für solche Arbeitsgelegenheiten - etwa im Verkauf, im Recyclingbereich, in einer Fahrradwerkstatt oder im Tierheim", erklärt Jobcenter-Pressesprecher Johannes Rohleder.

Dass mit der Upcycling-Werkstatt nun ein kreatives Angebot hinzukommt, hat folgenden Hintergrund: Betrieben wird die Werkstatt von der "QBS Gewerkstatt", einer gemeinnützigen Gesellschaft für berufsbezogene Bildung. In Bochum unterhält die Gewerkstatt mehrere Standorte. "An der Universitätsstraße betreiben wir seit 2017 den Tauschsalon", sagt Petra Holzhauer von der Gewerkstatt.

Kooperation mit Tauschsalon

Idee dort: Kunden tauschen Ausrangiertes gegen ein neues Outfit, Jugendliche sammeln Praxiserfahrung im Einzelhandel. "Im Laufe der Zeit haben wir festgestellt, dass es ein paar Ladenhüter gibt", räumt Holzhauer ein. Die Frage stand im Raum: Was soll mit ihnen geschehen? "So kam die Idee des Upyclings", erzählt Holzhauer.

Hemden und Blusen, die im Tauschsalon den Laden hüteten, wird in der Upcycling-Werkstatt neues Leben eingehaucht. "Am Ende landen sie dann wieder im Tauschladen", sagt Holzhauer. Allerdings mit einem völlig neuen Eigenleben: Was Bettwäsche war, findet den Weg zurück vielleicht als Jutebeutel.

Insgesamt 20 Plätze

"Wir machen auch Produkte aus Spenden wie Wollresten", sagt Holzhauer und zeigt einen Korb mit gestrickten Mützen. Passend zur Weihnachtszeit haben die Mitarbeiterinnen - es sind größtenteils Frauen - auch bereits jede Menge Papiersterne aus alten Buchseiten gefaltet. "Wir orientieren uns an den Fähigkeiten unserer Mitarbeiterinnen", sagt Holzhauer.

Neben einer Tagesstruktur und einem beruflichen Rhythmus soll die Maßnahme den Frauen, häufig mit Migrationsgeschichte, auch Selbstbewusstsein vermitteln. Plätze gibt es insgesamt 20, manche sind noch frei. "Die Maßnahme ist nicht auf Dauer angelegt, sondern üblicherweise für einen Zeitraum von sechs Monaten", sagt Pressesprecher Rohleder.

Spenden gesucht

Eine Arbeitsgelegenheit solle als Aktivierung dienen, um dann wieder auf dem regulären Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Seit Mai 2021 arbeiten Jobcenter und Gewerkstatt im Projekt der Upcycling-Werkstatt zusammen. "Jetzt beim Adventsgeschäft wird sich zeigen, ob die einstigen Ladenhüter mit neuem Gesicht besser ankommen", sagt Holzhauer.

Auf der Suche nach Spenden für die Werkstatt ist sie ständig. "Mein Highlight sind weiße Tischdecken, da kann man so viel draus machen", sagt sie. Wer etwas abgeben wolle, könne sich gerne melden.Wer Spenden in Form von Stoff- oder Wollresten für die Upcycling-Werkstatt hat kann sich melden unter: holzhauer@gewerkstatt.de.

Nachhaltiges Projekt

Ideen hat Petra Holzhauer von der Gewerkstatt allerhand: Wimpelgirlanden aus Stoffresten hängen in der Werkstatt ebenso wie Makramee-Körbe aus Paketband. "Aus alter Wolle stricken wir gerade einen ganz langen Schal, der soll im Stadtteil Laternen verschönern", kündigt Holzhauer an.

Auch Hasan hat Freude an der Arbeit in der Werkstatt gefunden: "Ich habe nie gedacht, dass ich das so gut kann", sagt sie. Sie habe bereits Ideen, die sie auch zuhause umsetzen wolle. Denn die Arbeitsgelegenheit hat nicht nur positive Effekte für Kunden des Jobcenters: Nachhaltig ist das Projekt allemal.