Bochum-Mitte/Ehrenfeld. . Gewerkstatt betreibt den „Tauschsalon“. Jugendliche sammeln Praxiserfahrung im Einzelhandel. Kunden bekommen Outfit und lassen Ausrangiertes da.

Jenny Horack kommt regelmäßig. Bei T-Shirts, Tüchern und Blusen wird sie auch diesmal rasch fündig und verlässt das Geschäft, ohne einen Cent zu zahlen. Sie ist Kundin im „Tauschsalon“, seitdem er im September eröffnete. Hier bringen Mode-Interessierte ausrangierte eigene Sachen mit und suchen sich im Gegenzug Second-Hand-Bekleidung, Schuhe und Taschen aus.

Der Tauchladen an der Universitätsstraße ist aber nicht nur eine pfiffige Idee, sondern dient der beruflichen Orientierung Jugendlicher über die Gewerkstatt (gemeinnützige Gesellschaft für berufsbezogene Bildung mbH). Auftraggeber sind die Agentur für Arbeit und das Jobcenter, die wie der europäische Sozialfonds (ESA) die Maßnahmen jeweils für zwölf Monate fördern. Produktionsschule der Gewerkstatt ist an der Bessemer Straße für die Bereiche Metall/Maschinenbau und Lager/Handel/Logistik.

Für die Metaller gibt es im Ehrenfeld eine Werkstatt

Barbara Bernhard begleitet wie Petra Holzhauer als Pädagogin die Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren. Für die Metaller gibt es im Ehrenfeld eine Werkstatt, zudem können über eine Tochterfirma Lagertätigkeiten trainiert werden. Doch Alltagserfahrung im Bereich Einzelhandel ließ sich bislang nur über Praktika sammeln.

Petra Holzhauer: „Dann haben wir im Herbst das leerstehende Ladenlokal entdeckt, wo zuletzt ein Teppichgutachter drin war.“ Die „Metaller“ konstruierten die Einrichtung mit Kleiderständern und Regalen. Seither üben sich hier – gegenüber vom Hotel Ibis – zwei bis vier junge Leute pro Tag als Einzelhändler.

Ein Mädel und elf Jungs nehmen an der Maßnahme teil. Zu ihnen gehört Navin Jesuratnan (17): „Ich dachte ja, das wäre nicht zu schwer, doch es gehört schon mehr dazu, wie Fenster putzen, den Laden sauber halten.“ Auch Buchhaltung über Warenbestand, Ein- und Ausgänge lernt er hier, dazu haben die jungen Leute eine eigene Software entwickelt.

Tausch-Idee als Nachhaltigkeits-Beitrag

Den Kontakt zu Kunden nennt er schöne Erfahrungen. Dennoch will sich der Jugendliche umorientieren und weiter suchen: „Klamotten – das ist nicht so meins.“ Lukas Michel (18) winkt beim Thema Einzelhandel auch ab. Doch er weiß durch die Gewerkstatt bereits, was er will: „Ich möchte im Lager arbeiten. Das hat mir gefallen.“

Die Tausch-Idee wollen die Pädagoginnen auch als Nachhaltigkeits-Beitrag verstanden wissen: „Es gibt so viele ungenutzte Kleidung, dabei muss nicht immer neu produziert und gekauft werden, wenn man sich neu stylen will“, sagt Barbara Bernhard.

65 Prozent wechseln in Job, Lehre oder Schule

Zielgruppe der gemeinnützigen Gesellschaft Gewerkstatt sind Jugendliche, die noch gar nicht wissen, wo’s hingehen soll und solche, die als schwer vermittelbar gelten – ob in Ausbildung, Job oder Weiterbildung. Einigen Teilnehmern sind sogar feste Tagesstrukturen fremd wie morgens aufzustehen.

Die Bemühungen sind durchaus erfolgreich: Im vergangenen Jahr verließen 65 Prozent der Teilnehmer die Maßnahmen, um in eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle oder weiterführende Schule zu gehen.

Stammkundin Jenny Horack frischt regelmäßig ihre Garderobe auf: „Ich werde immer fündig.“ Vom Konzept ist sie begeistert: „Das ist eine Mega-Idee und lohnt sich vor allem für Leute mit wenig Geld.“ Doch nicht nur solche kommen, auch teuer gekleidete Kunden hat Barbara Bernhard schon beraten. „Die Leute stammen aus allen Gesellschaftsschichten. Die meisten bleiben etwas, plaudern oder trinken dazu einen Tee.“

Schneit zwischendurch mal keiner herein, trainieren die jungen „Verkäufer“, stellen sich gegenseitig Outfits zusammen oder probieren sich in Stilberatung.