Bochum. Eine Siedlung in Bochum diente im Krieg als Lager für Zwangsarbeiter. Nun sollen die Gebäude gesichert werden. Eine Gedenkstätte ist im Gespräch.
Hoch im Bochumer Norden befindet sich eine geschichtsträchtige Siedlung: In den Häusern an der Bergener Straße 116 lebten im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter. Der Komplex, der zu einem Teil heute noch bewohnt wird, zu einem anderen Teil verfällt, soll nun für die Zukunft gesichert werden. Verschiedene Aktivitäten sind angelaufen.
Die besondere Geschichte der Häuser in Bochum stellt eine Herausforderung dar, die nun angepackt wird. „In der Siedlung wurde gearbeitet, gelitten und gestorben. Daran erinnert nur noch wenig. Ich bin froh, dass sich das ändern soll“, erklärt Sonja Gräf, SPD-Ratsfrau und Mitglied im Kulturausschuss. Gemeinsam mit den Grünen hat die SPD dort einen Antrag eingereicht, der die Aufbereitung des ehemaligen Lagers als Gedenkstätte behandelt.
Gebäudesubstanz des alten Lagers soll erhalten bleiben
Die Idee ist nicht neu, schon öfter wurde über einen „Erinnerungsort Bergener Straße“ nachgedacht. Zuletzt machte die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering 155.000 Euro für das Projekt locker. Was aber genau dort geschehen soll, baulich, inhaltlich, konzeptionell – das ist im Moment noch völlig offen.
Der erwähnte Antrag von SPD und Grünen setzt vor allem auf den Erhalt. „Damit die Bausubstanz nicht leidet, muss die Stadt die momentan leerstehenden Häuser winterfest machen, bevor wir konkret über eine Folgenutzung sprechen“, so Sonja Gräf. Dass die Siedlung eine historische Rarität und ein wichtiger Ort der Erinnerung ist, sei unstrittig. Nach der ursprünglichen Nutzung wurde das Lager Ende der 1940er-Jahre umgebaut, um Bergarbeiterfamilien ein Zuhause bieten zu können.
So wurde die Siedlung vor dem Verfall bewahrt und auch heute leben immer noch einige Bochumerinnen und Bochumer dort in einfachen Verhältnissen.
Leerstehende Häuser könnten in Zukunft Ateliers beherbergen
Der Substanzerhalt ist das eine, für die Siedlung als Ganzes müsste aber ein bauliches und inhaltliches Gesamtkonzept her. Beispielsweise ist daran gedacht, die ehemalige Kommandantur, das Haus 116i, als Gedenkstätte und Erinnerungsort herzurichten. Die anderen Häuser sollen weiter als Wohnraum dienen. Momentan leerstehende Häuser könnten in Zukunft Ateliers beherbergen, aber auch Schulen zur Verfügung stehen, so die Idee.
Das Bochumer Bündnis gegen Rechts hat sich in der Vergangenheit immer wieder für den Erhalt der Siedlung und den Umbau in eine Gedenkstätte stark gemacht. „Wir begrüßen es, dass jetzt Bewegung in die Sache kommt“, so Bündnis-Sprecher Ulrich Borchers. Er hoffe, dass die Absichtserklärungen nun konkretisiert werden.
Info zur Siedlung
Über die Geschichte der 1941/42 eingerichteten Siedlung an der Bergener Straße 116a-i war bis in die 1990er Jahre nur wenig bekannt.Heute weiß man: In den Ziegelsteinbaracken waren während der NS-Zeit bis zu 600 Zwangsarbeiter für die Zeche Constantin untergebracht; sie stammten zumeist aus Polen und Galizien.Der Komplex, der seit 2003 unter Denkmalschutz steht, ist eines von nur acht erhaltenen Lagern deutschlandweit – bei ursprünglich mehreren tausend Lagern.
Borchers schlägt einen Arbeitskreis vor, der sich regelmäßig trifft, um Überlegungen anzustellen. Neben den Parteien, der Stadtverwaltung und dem Bündnis gegen Rechts sind u.a. die Bezirksvertretung Nord und das Stadtarchiv mit dem Thema Bergener Straße befasst. Die SPD hat signalisiert, dass sie in den nächsten Wochen das Gespräch am Runden Tisch suchen wird.
„Menschen, die in der Siedlung leben, dürfen nicht vergessen werden“
Nicht zuletzt sollen bei den Planspielen die Menschen, die in der Siedlung leben, nicht vergessen werden. „Egal, was mit der Kommandantur oder dem aktuellen Leerstand geschieht: Die Bewohnerinnen und Bewohner dürfen nicht verdrängt werden“, bekräftigt Sonja Gräf. Das bedeute auch, dass Sanierungen, wenn überhaupt, nur zu moderaten Mieterhöhungen führen dürften. Auch eine genossenschaftliche Organisation der ehemaligen Lagergebäude käme infrage.