Bochum. Bochumer Forscher wollen herausgefunden haben, dass ein bestimmter Migrationshintergrund das Risiko auf eine Coronainfektion erhöht. Die Details.
Kinder und Jugendliche mit einem türkischen oder arabischen Migrationshintergrund haben ein drei Mal höheres Risiko sich mit dem Coronavirus zu infizieren als Kinder ohne – oder mit einem anderen Migrationshintergrund. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „CorKid“ der kommissarischen Leiterin der Abteilung Pädiatrische Pneumologie der Bochumer Universitätskinderklinik Dr. Folke Brinkmann (44).
Das Zuspitzen auf ein höheres Risiko bei türkischem und arabischem Migrationshintergrund birgt Sprengkraft. Mehrfach hatten Statistiker dieses Studienergebnis überprüft. Ursprünglich hatten erste Ergebnisse bereits im September 2020 vorliegen sollen.
CorKid: Türkische und arabische Kinder haben höheres Risiko auf Corona-Infektion
Forscherinnen und Forscher haben die Daten von 2500 Kindern und Jugendlichen aus dem Ruhrgebiet und Gütersloh ausgewertet. Sie waren im Rahmen ihrer Vorsorge-Untersuchungen bei ihren Kinderärzten zwischen Juli 2020 und Februar 2021 auf Coronavirus-Antikörper untersucht worden.
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Die Daten von 2200 jungen Patientinnen und Patienten aus allen Altersgruppen sind nach dem Einverständnis ihrer Eltern schließlich auch in die Studie mit eingeflossen, die mit 566.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. 39 Prozent der Studienteilnehmer hatten einen Migrationshintergrund. Das entspreche der Bevölkerungsverteilung im Ruhrgebiet, heißt es von den Forschern.
Neben der Blutabnahme haben die Forscher auch Daten zum sozialen Hintergrund der Studienteilnehmer gesammelt: Wie viele Menschen gehören zur Familie? Auf wie vielen Zimmern leben sie? Was arbeiten die Eltern? Wie ist der höchste Bildungsabschluss? Gibt es einen Migrationshintergrund? „Das ist, soweit wir das wissen, bei Kinderstudien in Deutschland noch nicht systematisch erfasst worden“, sagt Dr. Folke Brinkmann.
Auch Kinder aus ärmeren Familien stecken sich häufiger an
Ein Ergebnis: Kinder, die auf wenig Raum mit vielen Familienangehörigen aufwachsen, stecken sich häufiger mit dem Coronavirus an. Gleiches gilt für Kinder und Jugendliche, deren Eltern einen niedrigeren Bildungsabschluss haben. Die Erklärung dafür scheint einfach: Eine größere Nähe und Berufe, bei denen kein Homeoffice möglich ist, erhöhen die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion mit dem Coronavirus.
Deutlich schwieriger sei die Interpretation von besonders häufigen Infektionen bei Kindern und Jugendlichen mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund. Andere sozio-kulturelle Hintergründe – wie etwa Beruf der Eltern oder Größe der Wohnung – seien dort herausgerechnet. Und: Bei Kindern mit einem ost- oder südeuropäischen Migrationshintergrund habe es diese Auffälligkeit nicht gegeben. Eine vermehrte Reisetätigkeit und enge Familienstrukturen könnten hier eine Rolle spielen. Auch genetische Besonderheiten, die eine Infektion begünstigen, seien denkbar.
80 bis 90 Prozent der Corona-Patienten auf Intensivstation mit Migrationshintergrund
„Wir sehen derzeit auch auf den Intensivstationen und in der Kinderklinik, dass ein türkischer und arabischer Migrationshintergrund das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus erhöht“, sagt Dr. Folke Brinkmann. „Die überwiegende Mehrzahl der Patienten haben Namen, die auf einen solchen Hintergrund schließen lassen.“
Hälfte der Kinder macht Infektion ohne Symptome durch
Während die Forscher im Januar 2020 bei weit unter einem Prozent der Kinder und Jugendlichen Antikörper auf das Coronavirus im Blut entdeckten, stieg die Zahl bis zum Februar 2021 auf sieben bis acht Prozent.Viele Eltern seien erstaunt gewesen, dass ihre Kinder demnach eine Infektion bereits durchgemacht haben. „Es spricht viel dafür, dass etwa die Hälfte der Kinder und Jugendlichen eine Infektion ganz ohne Symptome durchmachen“, sagt Dr. Folke Brinkmann.
Zuletzt hatte es oft geheißen, dass Menschen mit Migrationshintergrund sich seltener gegen das Coronavirus impfen lassen. So waren im August mehrere kostenlose Angebote für Impf-Skeptiker mit arabischem und türkischem Hintergrund in Bochum ins Leere gelaufen. Eine mehrsprachige Info-Veranstaltung hatte keine Besucher, einen Shuttle-Service zum damals noch geöffneten Impfzentrum nahm die Stadt nach dieser Erfahrung gar nicht erst in Betrieb.