Bochum. 100 neue Wohnungen will die Vonovia in Bochum-Weitmar errichten. Dafür soll ein Grabeland verschwinden. Die Anwohner kündigen Widerstand an.
Der Brief kam aus heiterem Himmel. Darin teilt das Wohnungsunternehmen Vonovia den Eigentümern von Häusern an der Brantropstraße in Weitmar mit, dass hinter ihren Grundstücken neue Häuser gebaut werden würden. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, erinnert sich Henning Rauscher. Er und die Nachbarn fürchten um Lebensqualität und Frischluft – nicht nur für sich, sondern für das ganze Quartier.
10.000 Quadratmeter mit Bäumen, Sträuchern und Wiesen sollen verschwinden
Es geht um einen etwa 10.000 Quadratmeter großen Streifen zwischen der Brantropstraße und der früheren, einst mit einem Preis ausgezeichneten Krupp-Siedlung, die der jetzige Eigentümer Vonovia um etwa 100 Wohnungen vergrößern möchte. Die Mehrfamilienhäuser in der Siedlung sollen aufgestockt und um zwei Häuser ergänzt werden. Im südlichen Teil ist ein vierstöckiges Gebäude plus Parkhaus und Quartierplatz geplant, im Westen sind einige Reihenhäuser und ein dreigeschossiger Giebelbau vorgesehen. Eine neue Straße soll auch gebaut werden.
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„Das ist die Fortentwicklung unserer von vielen Seiten gelobten Aktivitäten an der Bärendorfer Straße“, erklärt Vonovia-Regionalbereichsleiter Michael Klöpsch. Dort investiert Europas größtes Wohnungsunternehmen 80 Millionen Euro in ein Innovationsquartier, zu dem u.a. eine unabhängige und CO2-neutrale Strom- und Wärmeversorgung gehört. 385 Wohnungen werden saniert, 113 durch Dachgeschossaufstockung und weitere 76 durch Neubauten errichtet.
Grabeland besteht seit mehr als 100 Jahren
An der Brantropstraße habe das Unternehmen gemeinsam mit der Stadt seit 2018 die Pläne für die Entwicklung der Siedlung ausgearbeitet, um den weiter wachsenden Wohnungsbedarf in Bochum befriedigen zu können. Der Regionalbereichsleiter spricht von einer „moderaten Verdichtung“.
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Einige Hausbesitzer in der Nachbarschaft sehen das anders. „Das ist keine Verdichtung, dass ist eine Verpressung“, sagt eine Anwohnerin, die aus beruflichen Gründen ungenannt bleiben möchte. „Wir sagen, es muss jetzt genug sein. Sollte das Gelände, dass „seit 100 Jahren oder noch länger als Grabeland genutzt wird“, bebaut werden, würde das letzte Grün aus Bärendorf verschwinden.
30 Vogelarten und viele andere Tiere und Pflanzen
Tatsächlich wirkt das dicht mit Bäumen, Sträuchern und Wiesen bewachsene Areal, auf dem die Anwohner gegen eine geringe Pacht ihre eher kleinen Gärten vergrößert und darauf zum Teil Ruhezonen für die Erwachsenen und Abenteuerplätze für Kinder geschaffen haben, wie ein großes Refugium. „Hier gibt es 30 unterschiedliche Vogelarten, Füchse, Igel, Eichhörnchen, viele andere Tiere und zum Teil 50 Jahre alte Bäume“, sagt Henning Rauscher. Wertvolle Natur in einem „halböffentlichen Raum“, der nicht nur von den Pächtern genutzt werde, so der 56-Jährige.
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Anwohner können kleinere Flächen kaufen
Anrainer und andere Bewohner im Stadtteil haben das Grabeland zwischen Brantropstraße und der früheren Krupp-Siedlung bislang genutzt. Einen Teil der Fläche haben die Hauseigentümer gepachtet und damit ihre Gärten vergrößert.
Die Vonovia hat ihnen das Angebot gemacht, jeweils ein Stück des Grabelandes zu kaufen – für 260 Euro je Quadratmeter. Das entspricht 70 Prozent vom Bodenrichtwert. Elf von 15 Eigentümern haben nach Auskunft des Unternehmens Interesse an einem Kauf signalisiert.
Gebaut werden soll, so Vonovia-Regionalbereichsleiter MIchael Klöpsch, voraussichtlich ab 2024.
Helfen wird das beim angekündigten Kampf gegen die geplante Bebauung aber wohl nicht. Kein erhaltungswürdiger Baum, keine seltene Tierart. Bereits angesprochene Lokalpolitiker haben den Anwohnern keine große Hoffnung gemacht, die Pläne zu verhindern. „Das ist doch grotesk“, so Rauscher. „Als hätten andere Bäume und Tiere keinen Wert und keine Funktion.“
Bebauungsplan wird bald veröffentlicht
Es regt sich Widerstand unter den Anwohnern. Sie wollen den angekündigte Bebauungsplan, der vermutlich in den nächsten Tagen mit dem Aufstellungsbeschluss veröffentlicht wird, nicht einfach hinnehmen. Ein Dorn im Auge ist ihnen etwa die mehrgeschossige Bebauung im Südwesten. „Die wird so nah stehen und so hoch aufragen, dass von Privatsphäre dort keine Rede mehr sein kann“, so besagte Eigentümerin, die ungenannt bleiben möchte.
Bäckerei und Kinderarztpraxis vorgesehen
Überhaupt fehle auch die Infrastruktur für deutlich mehr Menschen im Quartier. So gebe es etwa nur noch eine Grundschule, die Sonnenschule. Die nächste sei drei Kilometer entfernt, nachdem vor einiger Zeit die Grundschule an der Brantropstraße geschlossen und abgerissen worden sei.
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Tatsächlich macht sich auch die Vonovia Gedanken über die Belebung des Viertels mit neuen Angeboten, so Regionalbereichsleiter Klöpsch. In einem der Neubauten werde eine Bäckerei und ein Kinderarzt einziehen.