Bochum. Bochum verlangt zu hohe Abwassergebühren – so der Steuerzahlerbund sowie 1642 Bochumer. Diese haben Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt.

1642 Bochumerinnen und Bochumer wehren sich gegen aus ihrer Sicht zu hohe Abwassergebühren. Sie haben Widerspruch gegen den im Januar erhaltenen Gebührenbescheid eingelegt und sehen sich darin vom Bund der Steuerzahler (BdSt) NRW unterstützt. „Es ist alles rechtens“, argumentiert dagegen die Stadt Bochum und hat die meisten Widersprüche schon abgewiesen.

Vorwurf: Stadt kalkuliert mit zu hohen Zinsen

„Viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen verdienen mit den Abwassergebühren Geld und verwenden dies für den allgemeinen Haushalt“, sagt Harald Schledorn, Gebühren-Experte beim BdSt. Die Rede ist von Zweckentfremdung. Unter dem Motto „Faire Abwassergebühren.Jetzt“ hat seine Organisation eine Musterklage vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster gegen die nach ihrer Ansicht falsche Gebührenkalkulation in vielen NRW-Städten eingereicht.

Obwohl die Zinsen in Deutschland seit vielen Jahren auf einem niedrigen Niveau liegen, würden die so genannten kalkulatorischen Zinsen für das für die Abwasserbeseitigung gebundene Vermögen für die Finanzierung von Baumaßnahmen zu hoch angesetzt. In Bochum liegt der angenommene Zinssatz für dieses Jahr bei 5,43 Prozent, für 2022 kalkuliert die Stadt mit 5,24 Prozent.

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Gebühren könnten deutlich sinken

Außerdem werden, so Schledorn, Abschreibungen auf den Wiederbeschaffungswert von Anlagen vorgenommen und nicht, wie der BdSt es für korrekt hält, auf den Anschaffungswert. Beides führe zu höheren Kosten und damit zu höheren Gebühren für den Bürger. „Würde das Gericht uns vollumfänglich Recht geben, würden die kalkulatorischen Kosten auf die Hälfte sinken.“

Mit einer Halbierung der Abwassergebühren könnten die Bochumer zwar nicht rechnen. Denn: Neben den genannten Faktoren gehören auch andere Aufwendungen wie die für Personal und für den Unterhalt von Klärwerken durch Wasserverbände zum Kostenapparat. Aber: Hauseigentümer und Mieter müssten, so der Steuerzahlerbund, deutlich weniger bezahlen.

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Stadt kündigt weitere Widersprüche an

Auch Karin Kaminski hat Widerspruch gegen ihren Gebührenbescheid für 2021 eingelegt. Die Wattenscheiderin ist nun verärgert, dass die Stadt diesen Widerspruch unlängst abgewiesen hat. „Damit werden Fakten geschaffen, ohne dass die Entscheidung des Gerichts abgewartet wird“, ärgert sie sich.

Tatsächlich hat die Stadtverwaltung bereits 1491 Widersprüche abgelehnt, so Stadtsprecher Peter van Dyk. Und: „Die restlichen Widersprüche werden nach und nach ebenfalls per Widerspruchsbescheid zurückgewiesen.“

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86 Millionen Euro Abwasserkosten in diesem Jahr

Eingegangen gegen die Ablehnung des Widerspruchs seien bislang „lediglich drei Klagen“. Auch Karin Kaminski hatte Rechtsmittel eingelegt, ihre Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen dann aber zurückgenommen. Sie folge damit, so die Wattenscheiderin, einem Rat des Steuerzahlerbundes. Der argumentiert, je mehr Klagen eingingen und höher der Aufwand bei den Gerichten damit sei, desto länger werde es voraussichtlich dauern, bis das OVG zu einem Urteil komme.

Es geht bei den 1642 Widersprüchen um erhebliche Summen: Für Schmutzwasser beträgt die Streitsumme 1.621.384,35 Euro und für Niederschlagswasser 571.826,27 Euro. Insgesamt kostet es in diesem Jahr mehr als 86 Millionen Euro, so die Kalkulation der Verwaltung, das gesamte Schmutz- und Niederschlagswasser in Bochum abzuführen.

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Bochum verweist auf Rechtssprechung

Die Stadt wähnt sich mit ihrer Vorgehensweise, sowohl bei der Berechnung der Gebühren als auch beim Umgang mit den Widersprüchen, auf der richtigen Seite. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen habe die Klage des Steuerzahlerbundes abgewiesen, „weil die beklagte Stadt nach Meinung des Gerichts im Einklang mit der geltenden Rechtsprechung des OVG NRW die Abwassergebühren rechtmäßig kalkuliert und erhoben hat“. Auch die Kalkulation der Abwassergebühren in Bochum entspreche der langjährigen Rechtsprechung des OVG.

„Es bestehen daher keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide, auch wenn grundsätzlich immer die Möglichkeit gegeben ist, dass das OVG seine Rechtsprechung ändert“, so Stadtsprecher van Dyk.

Steuerzahlerbund sieht Wendung in der Rechtssprechung

Tatsächlich glaubt der Steuerzahlerbund Anzeichen für eine solche Kehrtwendung zu erkennen; spätestens mit einem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte entschieden, bei Steuernachzahlungen einen Zinssatz von sechs Prozent festzulegen, sei angesichts der Niedrigzinsphase in Deutschland nichtnur unverhältnismäßig hoch, sondern auch verfassungswidrig.