Bochum. Der Nordbahnhof Bochum war eine Drehscheibe des NS-Terrors. Dann diente er Schulausflügen, dem Nah- und Fernverkehr. Ein Zeitzeuge blickt zurück.

Nach dem WAZ-Bericht über den Bochumer Nordbahnhof als neuer Gedenkort für die Deportation von Verfolgten des Nazi-Regimes meldete sich der Bochumer Rechtsanwalt Kurt Mittag. Er hat zahlreiche persönliche Erinnerungen an diesen Bahnhof.

„Er war nach dem Krieg für viele Flüchtlinge und Zuwanderer das Eingangstor zu einem neuen Arbeitsplatz und zu einem geregelten Einkommen im Bergbau, beim Bochumer Verein oder bei den Bochumer Stahlwerken“, sagt Mittag. Auch sein Vater habe dazu gehört; er habe seine Familie dann nachgeholt.

Gesamte Habe passte in ein paar Koffer und Kartons

„Im Februar 1952 trafen meine Mutter und meine Großeltern dann am Nordbahnhof mit einem Zug, der teilweise aus Personenwagen und teilweise aus Güterwagen bestand, mit ihrer gesamten Habe, die in ein paar Koffer und Kartons passte, ein.“

Kurt Mittag war damals noch im Bauch seiner Mutter.

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Am Nordbahnhof, so der Anwalt, hätten die Bochumer Möbelgeschäfte Unterstände, Schuppen und Zelte aufgebaut, um den Ankömmlingen Möbel und Hausrat zu verkaufen. „Meine Eltern und Großeltern kaufen dann an Ort und Stelle bei den Firmen Blennemann und Limpinsel einen Küchenschrank, einen Küchentisch, Stühle und ein Schlafzimmer.

Die gekauften Möbel wurden dann per Pferdefuhrwerk an die neue Adresse in der Gahlenschen Straße geliefert. In der 3-Zimmer-Wohnung (ca. 60 qm) an der Gahlenschen Straße lebten wir dann mit sechs Personen (Eltern, Großeltern und zwei Kinder) bis etwa 1960.“

Bahnhof war Ausgangspunkt für Schulausflüge der Bochumer Goetheschule

Bahnhof Bochum-Nord: Eine Postkarte aus den 1910er Jahren. Damals hatte das Gebäude noch drei Stockwerke; heute hat es zwei. Im Zweiten Weltkrieg war das oberste zerstört worden.
Bahnhof Bochum-Nord: Eine Postkarte aus den 1910er Jahren. Damals hatte das Gebäude noch drei Stockwerke; heute hat es zwei. Im Zweiten Weltkrieg war das oberste zerstört worden. © Stadt Bochum

In den 1960er-Jahren sei der Nordbahnhof immer wieder der Ausgangspunkt für den jährlichen Schulausflug der gesamten Goethe-Schule gewesen. „Zu diesem Schulausflug versammelten sich morgens gegen 8 Uhr rund 1000 Schüler und Lehrer am Nordbahnhof, um dann klassenweise den Schul-Sonderzug zu besteigen. Einmal ging die Fahrt in den Teutoburger Wald.“

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Die „Deutsche Bundesbahn“ habe „ordentlich wie eine Verwaltung“ funktioniert: „In einem Dienstabteil in dem Zug saßen mehrere Bahnbeamte, die für jeden Schüler und jeden Lehrer eine Papp-Fahrkarte (so groß wie eine halbe Streichholzschachtel) abknipsten.“ Dies geschah mit einer Lochzange. „Einige Schüler durften dabei helfen und selbst Fahrkarten lochen.“

Vom Bochumer Nordbahnhof ging es im Sommer direkt an die Nordseeküste

Vom Nordbahnhof aus habe es bis Anfang der 1980er-Jahre auch direkte D-Zug-Verbindungen nach Amsterdam, nach Frankfurt und in die norddeutschen Seebäder gegeben. Im Nahverkehr sei die direkte Verbindung über Herne nach Recklinghausen sehr wichtig gewesen – via Bahnhof Präsident und Bochum-Graetz (heute Bf-Riemke).