Bochum. Heinrich König wurde Opfer des Nationalsozialismus. Eine Ausstellung im Museum Bochum wagt eine ungewöhnliche Annäherung an den SPD-Politiker.

Der Name Heinrich König ist in Bochum wegen der gleichnamigen Straße in Weitmar und wegen eines nach dem SPD-Politiker benannten Seniorenheims bekannt. Darüber hinaus ist die Vita des von den Nationalsozialisten ermordeten Heinrich König heute so gut wie vergessen. Eine Ausstellung im Kunstmuseum macht nun auf ihn aufmerksam. Und das auf ungewöhnliche Art und Weise.

Heinrich König ist Mittelpunkt einer Ausstellung im Museum Bochum

„HK Anwesend“ heißt das Kunstprojekte, das sich als symbolische Wiederkehr des Kommunalpolitikers und Widerstandskämpfers Heinrich König (1886–1943) versteht, der nach zehn Jahren Exil in Frankreich 1943 in seiner Heimatstadt Bochum ermordet wurde. König, der 1919 zum ersten sozialdemokratischen Gemeindevorsteher Weitmars gewählt wurde, war bis 1933 Vorsitzender des Ortsvereins Groß-Bochum der SPD. Anfang März 1933 wurde sein Haus von der SA überfallen. Es kam zu einem Schusswechsel; mit seinen beiden Söhnen wurde König in U-Haft genommen.

Im Sommer 1935 floh er mit seiner Familie nach Agen/Frankreich und schloss sich später der Résistance an, der französischen Widerstandsbewegung gegen die deutschen Besatzer. Im Frühjahr 1943 wurde König verhaftet und nach Bochum überführt. Sowohl auf dem Transport als auch in der Haft wurde er schwer misshandelt. An den Folgen der Misshandlungen starb König am 7. Mai 1943.

Der Original-Schreibtisch von Heinrich König ist Teil der Ausstellung „HK Anwesend“ im Kunstmuseum Bochum. Rechts eine Fotografie des Ehepaares König, im Hintergrund ein Gemälde mit dem Motiv des Hüttenwerks Bochumer Vereins als Reminiszenz an Königs Heimatstadt.
Der Original-Schreibtisch von Heinrich König ist Teil der Ausstellung „HK Anwesend“ im Kunstmuseum Bochum. Rechts eine Fotografie des Ehepaares König, im Hintergrund ein Gemälde mit dem Motiv des Hüttenwerks Bochumer Vereins als Reminiszenz an Königs Heimatstadt. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

1976 erschien die erste umfassende Biografie über Heinrich König

All das war lange vergessen, erst 1976 brachte eine umfangreiche Biografie des damaligen Stadtarchivars Johannes Volker Wagner Licht in diese düstere Lebensgeschichte, und zwar aus dezidiert politischem Blickwinkel, mit Fokus auf die Widerstandsaktivitäten von Heinrich König und dessen politische Ambitionen. Die Ausstellung, die nun im Museum zu sehen ist, geht einen anderen Weg. Sie folgt Königs Lebensweg anhand von persönlichen Gegenständen und individuellen Bezügen. Fotografien, Objekte wie Königs Schreibmaschine oder das Familiengeschirr sowie Archivdokumente dienen als Erinnerungsfragmente und ermöglichen eine Erkundung seiner Präsenz.

Eröffnung Sonntag

Die Ausstellung „HK Anwesend“ wird am Sonntag, 19. September, um 15 Uhr im Kunstmuseum, Kortumstraße 147, von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) und Museumsdirektorin Noor Mertens eröffnet.

Zur Ausstellung, die bis zum 30. Januar 2022 zu sehen sein wird, erscheint ein zweisprachiges Buch: Arno Gisinger/Pierre Rabardel: „HK Destins/Schicksale“, erschienen in der Éditions Loco, Paris 2021.

Eine eigens entwickelte Website erweitert das Projekt in den virtuellen Raum und macht es dadurch über die Ausstellung hinaus zugänglich. Info: www.kunstmuseumbochum.de

Der Fotograf Arno Gisinger und Pierre Rabardel, ein Enkel Heinrich Königs, schaffen mittels räumlich inszenierter Fotografien eine visuelle Topographie von Königs Biografie und stellen gleichzeitig die allgemeine Frage nach dem Leben im Exil. So werden Bilder mobilisiert, die ein historisches Schicksal exemplarisch lesbar machen.

Geschichtliche Hintergründe wollen erschlossen sein

Das ist ein herausfordernder Ansatz, weil ausführliche Lebensbeschreibungen und/oder politische Erklärungen beinahe völlig fehlen und man zunächst die geschichtlichen Hintergründe erschließen muss, die zu der Präsentation geführt haben. Wer nichts über Heinrich König weiß, muss quasi bei Null anfangen. So wird – ästhetisch komplex verwoben und dabei zugleich sehr ansprechend – ein Lebensbild heraufbeschworen, das verschiedene Facetten hatte und das in Folter und Mord endete. Und das sich heute, für die Nachgeborenen, erst wieder zusammenfügen muss, um aus einer fernen Zeit heraus verstanden zu werden.

Der hintere Teil der Ausstellung „HK Anwesend“ im Kunstmuseum Bochum macht auf das düstere Kapitel Folter und Ermordung in Heinrich Königs Leben aufmerksam.
Der hintere Teil der Ausstellung „HK Anwesend“ im Kunstmuseum Bochum macht auf das düstere Kapitel Folter und Ermordung in Heinrich Königs Leben aufmerksam. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Bilder als Widerstand gegen das Vergessen

Gisinger und Rabardel unterstreichen in ihrer prozesshaften Arbeit gleichzeitig das phantomhafte Potenzial fotografischer Bilder als Widerstand gegen das Vergessen. Sie machen deutlich, dass Geschichte per se kein Ende kennt und dass jede Epoche und jede Generation nach neuen Interpretationen der Vergangenheit suchen muss.