Bochum. Der vielfach ausgezeichnete Christopher Rüping arbeitet erstmals am Schauspielhaus. Mit „Das neue Leben“ zeigt er eine zeitlose Liebesgeschichte.

Endlich wieder Theater! Live vor Publikum! Die Erleichterung, zum Saisonstart am Freitag, 10. September, leibhaftige Besucherinnen und Besucher im Schauspielhaus begrüßen zu dürfen, steht den Theatermachern nach der langen Corona-Pause ins Gesicht geschrieben. Denn Online-Premieren seien zwar eine schöne Sache, erzählt Intendant Johan Simons, aber auf Dauer im Vergleich zu „echtem Theater“ eben kein Ersatz.

Johan Simons hat nie ein großes Geheimnis daraus gemacht, mit Streaming im Theater reichlich zu fremdeln. So sei eine Weile überlegt worden, die Premiere seiner neuen Inszenierung von „Mysterien“ (am 17. September) zunächst als Stream herauszubringen, doch der Intendant entschied sich dagegen. „Um das vernünftig einzufangen, bräuchte man 30 Kameras“, sagt er. „Ich bin doch kein Alfred Hitchcock.“

Corona: Nur wenige Zuschauer dürfen ins Theater

Wegen der Corona-Verordnungen dürfen weiterhin nur wenige Zuschauer ins Schauspielhaus, obwohl die Platzkapazität aufgestockt werden konnte: 310 Besucher (statt über 800) sind es im großen Haus, in die Kammerspiele dürfen 80 (statt 400) hinein.Es gilt die 3-G-Regel. Im Foyer müssen Masken getragen werden. Auf den Sitzplätzen darf man sie abnehmen.

Christopher Rüping erstmals am Schauspielhaus Bochum

Mit Christopher Rüping ist zum Spielzeitauftakt einer der angesagtesten Theatermacher auf deutschsprachigen Bühnen erstmals am Schauspielhaus zu Gast. Kürzlich wurde der 35-Jährige von „Theater heute“ zum zweiten Mal zum „Regisseur des Jahres“ gewählt. Seine Uraufführung von „Dionysos Stadt“ 2018 in München (Spiellänge: knapp zehn Stunden!) genießt einen legendären Ruf.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus "Das neue Leben" mit (v.l.) Anne Rietmeijer, Viviane De Muynck und William Cooper. © Schauspielhaus Bochum | Joerg Brueggemann / OSTKREUZ

Weitaus kürzer (etwa zwei Stunden lang) wird seine Premiere von „Das neue Leben – Where do we go from here“ am Freitag im Schauspielhaus werden. Das Stück basiert lose auf dem Text von Dante Alighieri aus dem Jahr 1293, der darin die Vorgeschichte seiner berühmten „Göttlichen Komödie“ erzählt. Zeitlos schöne Themen sind es, die der Autor beschreibt. „Das ist die Geschichte eines jungen Mannes, der sich unsterblich verliebt“, so Rüping. Doch die Liebe zu Beatrice steht unter keinem guten Stern: Als in Florenz die Pest ausbricht und Beatrice jung stirbt, bleibt dem Erzähler nichts außer einem Stapel glühender Liebesgedichte.

Viele Parallelen zu unserer Pandemie-Zeit

Rüping sieht in der uralten Geschichte einige Parallelen zu unserer Pandemie-Zeit. „Das neue Leben“ soll also auch in die Gegenwart weisen. „Das ist ein schöner, passender Titel für einen Spielzeitauftakt“, sagt er. Angereichert wird das Spiel mit einer Reihe von Popsongs aus den 90er Jahren, die ebenfalls die Macht der Liebe beschreiben: von Britney Spears bis Natasha Bedingfield. „Wenn Meat Loaf ‚I will do anything for love’ singt, dann hätte Dante Alighieri das genauso geschrieben.“

Als zweite Premiere wird am Samstag, 11. September, das Stück „Das Gespenst der Normalität“ in den Kammerspielen seine deutschsprachige Erstaufführung erleben. Geschrieben und inszeniert hat es die finnische Regisseurin Saara Turunen, die ebenfalls zum ersten Mal in Bochum arbeitet. Gespielt wird ein Reigen vieler kleiner Szenen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben.

Fünf Schauspieler teilen sich über 20 Rollen

Fünf Schauspieler teilen sich über 20 Rollen: Man sieht eine Familie beim Fernsehen, eine Hochzeitsfeier, Schulkinder im Chorunterricht und vieles mehr. „Einen großen Handlungsbogen gibt es nicht“, erzählt Dramaturgin Dorothea Neweling. „Doch bei näherer Betrachtung entwickeln die kleinen Szenen, die einen feinen Humor haben, einen echten Sog.“ Vieles kommt fast ohne Worte aus, dafür legt die Aufführung großen Wert auf Musik.