Bochum. Bochums Kulturdezernent Dieckmann spricht über die Lage am Schauspielhaus nach dem Lockdown. Auch Johan Simons’ Intendanten-Vertrag ist Thema.

Das Schauspielhaus Bochum steht kurz vor dem Ende einer chaotischen Spielzeit – Corona hat alle Pläne durcheinandergewirbelt, Proben liefen, ohne dabei zu wissen, wann die Produktionen überhaupt auf die Bühne kommen können, über Monate war das Haus fürs Publikum geschlossen.

Das alles hat Auswirkungen, zumal im finanziellen Bereich. Aber auch personell und künstlerisch sind jetzt Entscheidungen zu treffen. Die WAZ sprach über diese Themen mit Dietmar Dieckmann (SPD). Der Kulturdezernent ist in Personalunion Verwaltungsrats-Vorsitzender des Schauspielhauses als Anstalt öffentlichen Rechts.

„Einnahmeverluste verschieben sich in die nächste Saison“

Ende August 2020 hieß es, das Schauspielhaus müsse wegen Corona mit 2,4 Millionen Euro „Miesen“ in der Saison 2020/21 rechnen. 1,8 Millionen wollte die Stadt tragen, 600.000 Euro das Haus. Ist es dabei geblieben?

Dietmar Dieckmann: Der Zuschussbedarf hat sich nicht noch einmal erhöht. Durch die Möglichkeit während der coronabedingten Schließzeiten Kurzarbeit zu beantragen, ergibt sich sogar das Bild, als würde das Schauspielhaus statt des Fehlbetrages diese Saison mit einem Überschuss abschließen. Dieses Ergebnis ist jedoch verzerrt, da es nur zu einer Verschiebung des coronabedingten Defizites in die Saison 2021/22 kommen wird.

Zur Person

Dietmar Dieckmann (*1961) war Abteilungsleiter im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW, bevor er zum 1. Mai 2018 Beigeordneter der Stadt Bochum für Bildung, Kultur und Sport wurde.

Zu seinen wichtigen kulturpolitischen Aktivitäten der letzten Jahre zählen die Aufstellung des Kulturentwicklungsplanes, die Neubesetzung des Direktorenpostens der Bochumer Symphoniker mit Tung-Chieh Chuang und die Einstellung der neuen Museumsleiterin Noor Mertens.

Was bedeutet das konkret?

Auch nach der Sommerpause muss aufgrund der pandemiebedingten Beschränkungen noch mit sehr viel geringeren Einnahmen gerechnet werden, da auch weiterhin mit Mindestabständen zwischen einzelnen Gästen zu planen ist. Nach aktuellen Regeln können – Spielbetrieb vorausgesetzt - für das Große Haus jeweils statt 800 nur rund 160 Karten verkauft werden, für die Kammer statt 400 nur 80 Plätze.

Dietmar Dieckmann (59) ist Beigeordneter der Stadt Bochum für Bildung, Kultur und Sport und Verwaltungsratsvorsitzender des Schauspielhauses.
Dietmar Dieckmann (59) ist Beigeordneter der Stadt Bochum für Bildung, Kultur und Sport und Verwaltungsratsvorsitzender des Schauspielhauses. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Zum Ende der 3. Spielzeit, also jetzt, sollte entschieden werden, ob der Vertrag von Johan Simons über die Spielzeit 2022/23 hinaus verlängert wird. Wie ist der Sachstand?

Bis zum Ende der Spielzeit 2020/21 müssen beide Seiten bekunden, ob Gespräche über eine Vertragsverlängerung aufgenommen werden. Dieser Schritt ist bereits erfolgt. Wie das Ergebnis der Verhandlungen aussehen wird, werden die nächsten Monate erweisen. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.

„Bochum ist stolz auf die Preise und Auszeichnungen für Schauspielhaus“

Wie schätzen Sie die Außendarstellung des Bochumer Theaters ein? Wirkt das Haus genügend in die Stadt hinein?

Johan Simons und sein Team machen eine hervorragende Arbeit, was sich nicht nur in den Kritiken auch der überregionalen Presse, sondern auch in den zahlreichen Theater-Preisen und Auszeichnungen, die er selbst, verschiedene Inszenierungen und Mitglieder des Ensembles in den drei Jahren erhalten haben. Als Höhepunkt ist hier sicherlich auch noch die Einladung des „Hamlet“ zum Berliner Theatertreffen zu nennen, wo das Schauspielhaus zuletzt im Jahr 2000 vertreten war.

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Was meinen Sie persönlich, als regelmäßiger Theatergänger?

Mich persönlich überzeugt das breit aufgestellte Programm vom Klassiker bis zur Uraufführung, das populäre Werke ebenso umfasst wie eine Auseinandersetzung mit den aktuellen Themen unserer Zeit und nicht zu vergessen natürlich auch die tolle Arbeit des Jungen Schauspielhauses. Das ist eine Mischung bei der für jeden Theaterinteressierten und auch solche, die es werden wollen, etwas dabei sein müsste, was auch die Zuschauerzahlen aus der Zeit vor Corona belegen.

Szene aus dem Bochumer „Hamlet“ mit Sandra Müller in der Titelrolle. Mit der Johan-Simons-Inszenierung wurde das Schauspielhaus nach 20 Jahren wieder zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
Szene aus dem Bochumer „Hamlet“ mit Sandra Müller in der Titelrolle. Mit der Johan-Simons-Inszenierung wurde das Schauspielhaus nach 20 Jahren wieder zum Berliner Theatertreffen eingeladen. © schauspielhaus | JU Bochum

Am 7. Juli geht das Schauspielhaus in die Theaterferien. Halten Sie eine lange Sommerschließung für angemessen, nachdem wegen des Lockdowns schon über Monate nicht gespielt wurde?

Abgesehen davon, dass der Tarifvertrag für die Theater eine Sommerpause zwingend vorsieht, haben sich die Mitarbeitenden eine Pause nun wirklich verdient. Selbst wenn das Haus für das Publikum immer wieder geschlossen war, ist der Proben- und digitale Aufführungsbetrieb trotz Kurzarbeit ja die ganze Zeit weitergelaufen.

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Gibt es sonst noch Gründe?

Darüber hinaus wird die Sommerpause genutzt, um dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Diese sind auf Jahre hinaus geplant, getaktet und mit Finanzen hinterlegt. Das Schauspielhaus ist eines der schönsten Theater, das ich kenne, aber es ist natürlich auch in die Jahre gekommen. Das heißt, abgesehen von Schönheitsreparaturen müssen auch immer wieder sicherheitsrelevante Dinge in Angriff genommen werden, die keinen Aufschub dulden. So auch in diesem Sommer.