Bochum. . Mit großer Geste führt „Herbie“ die Symphoniker durch Mozarts „Jupiter“. Konzerte zeigen auch sein wenig bekanntes Schaffen als Filmkomponist.
- Mit zwei Konzerten bedanken sich die Symphoniker für Grönemeyers Engagement beim Bau des Musikforums
- Zunächst werden Filmmusiken gespielt, die Grönemeyer fürs Kino komponiert hat
- Familienvorstellung am Sonntag bot ein schönes Wiederhören mit dem Märchen „Peter und der Wolf“
Der Hauch der Einmaligkeit wehte am Wochenende durchs Musikforum: Bochums berühmtester Sohn war bei zwei Konzerten zu Gast – doch statt wie sonst gern üblich über Alkohol und Flugzeuge im Bauch zu sinnieren, trat er am Samstag beherzt aufs Dirigentenpult und führte die Symphoniker durch die berühmte „Jupiter“-Symphonie von Mozart. Grönemeyer in neuer Rolle als kleiner Karajan? Das gab’s noch nie! Entsprechend riesig war die Neugierde, die Konzerte seit Monaten ausverkauft.
Dafür, dass Herbert Grönemeyer fast genau ein halbes Jahr nach Eröffnung des Anneliese-Brost-Musikforums zurück kehrt, gibt es einen guten Grund. Immer wieder hatte sich „Herbie“ in den letzten Jahren für den Bau des Konzerthauses stark gemacht und eifrig Geld gesammelt. Unvergessen bleibt sein großes Benefizkonzert 2009 im Ruhrstadion. Die Auftritte an diesem Wochenende sind also gewissermaßen der Dank des Orchesters und ihres Direktors Steven Sloane an den 61-jährigen Popstar, der eigentlich keiner sein will.
Zumindest am Samstagabend nicht: Bescheiden verfolgt Grönemeyer den ersten Konzertteil von der Empore aus. Sloane führt seine Musiker durch eher unbekanntes Terrain. Denn was nicht jeder weiß: Neben seinem Hauptjob als Stadion-Barde betätigt sich Grönemeyer gelegentlich als Filmkomponist. Für seinen guten Freund, den Fotografen und Teilzeit-Regisseur Anton Corbijn, fertigte er in den letzten Jahren zwei Soundtracks für Kinofilme: für „The American“ mit George Clooney und für „A most wanted man“.
Grönemeyers Schaffen von neuer Seite
Die Musik daraus dürften viele im Saal zum ersten Mal gehört haben, was auch seine Reiz hat. So lernt man Grönemeyers Schaffen von einer neuen Seite kennen. Hitchcock-Fans erkennen kleinere Parallelen zu den großen Motiven von Bernard Herrmann.
Dann der Höhepunkt: Grönemeyer selbst tritt aufs Pult, in der rechten Hand führt er den Dirigentenstab – und er scheint merklich nervös. Zunächst zögerlich, dann mit immer größerer Geste leitet er die Symphoniker durch Mozarts „Jupiter“. Je länger die Symphonie dauert, desto größeres Vertrauen scheint Grönemeyer zu fassen, der mit eigenwilligen Tanzbewegungen schließlich sogar die Grenzen seines kleines Podestes auslotet.
„Bochum“ gibt’s als gefeierte Zugabe
Ziemlich verschwitzt und sichtlich gerührt bedankt sich Grönemeyer bei seinen Musikern. Ob das souveräne Orchester die Symphonie zur Not auch ohne die Mithilfe des netten Herrn auf dem Dirigentenpult über die Rampe gebracht hätte, bleibt wohl ein Geheimnis.
Beim Familienkonzert am Sonntagvormittag gibt es ein schönes Wiederhören mit „Peter und der Wolf“: Grönemeyer liest das musikalische Märchen von Sergei Prokofjew, das viel erzählt von Mut und Herzblut. Vom Vogel (Querflöte) bis zum Wolf (drei Hörner): Die Symphoniker teilen sich die berühmten Rollen mit Freude.
Und „Bochum“? Klar, gab’s auch! Bei beiden Konzerten als donnernd gefeierte Zugabe. Grönemeyer singt erst das Steiger-Lied, dann die Allzeit-Hymne vom Doppelpass und von der Königsallee – und das Haus steht kopf.
>>> Von Kunst und Unterhaltung: Ein Kommentar von Jürgen Boebers-Süßmann
Bei aller Zustimmung fürs Haus und Orchester werden rund ums neue Musikforum auch Stimmen laut, die eine zunehmende Popularisierung der Klassik in Bochum beklagen. Grönemeyer „dirigiert“ (nicht ganz ernst gemeint), die BoSy konzertieren bei den Classic-Nights mit einer Rockband, bei der Beethoven-Aufführung wird jetzt, früher undenkbar, schon zwischen den einzelnen Sätzen und nicht erst am Schluss applaudiert: kann das gut gehen?
Skeptikern antworte ich: es kann! Große Kunst und lockere Unterhaltung schließen sich bei den BoSy nämlich nicht aus, im Gegenteil. Zwar stimmt es, dass auch populäre Formate ins Programm rutschen, aber gerade sie bringen ein Publikum, das sonst womöglich nie erschienen wäre. Und wer als Purist klassische Klänge unverstellt genießen möchte, kommt ja ebenfalls auf seine Kosten, man denke an die hochwertigen Kammermusikabende. Der Blick ins neue, dieser Tage vorgelegte Programmheft, beweist es.
Musik ist so universell wie die Menschen. Klassik = elitär ist eine Gleichung, die nirgends mehr aufgeht. In Bochum schon mal gar nicht. Und das ist auch gut so!