Bochum. Das Jugendamt Bochum hat 2020 häufiger überprüft, ob Kinder in Familien gefährdet sind. Experten hatten wegen Corona das Gegenteil befürchtet.

Das Jugendamt Bochum ist im Corona-Jahr 2020 wieder häufiger Hinweisen nachgegangen, dass Kinder in ihren Familien gefährdet sind oder vernachlässigt werden. Wie das statistische Landesamt IT NRW mitteilt, hat es im vergangenen Jahr insgesamt 959 Verfahren zur Überprüfung einer möglichen Kindeswohlgefährdung in Bochum gegeben. In knapp jedem zweiten Fall – insgesamt 478 Mal – wurden nach Angaben der Stadt Kinder und Jugendliche auch aus ihren Familien geholt.

Expertinnen und Experten hatten befürchtet, dass die Corona-Pandemie dazu führt, dass es deutlich seltener auffällt, wenn Kinder misshandelt oder vernachlässigt werden. Über Monate geschlossene Kindergärten und Schulen, fehlende Sozialkontakte würden dazu führen, dass Probleme zu spät auffallen könnten, so die Sorge damals. Das hat sich bisher nicht bewahrheitet, im Gegenteil. 2019 hatte das Bochumer Jugendamt etwa nur 818 Mal überprüft, ob Kinder und Jugendliche in ihren Familien in Gefahr sind.

Misshandelte und vernachlässigte Kinder in Bochum – mehr Verfahren im Jahr 2020

„Die Zunahme von Meldungen im Jahr 2020 zeigt, dass die Bevölkerung in Fragen des Kinderschutzes sensibilisiert scheint und auch für das Pandemiejahr 2020 eine große Aufmerksamkeit in Fragen des Kinderschutzes festgestellt werden kann“, heißt es in einer Einschätzung von der Stadt.

Kindernotruf

Den Kindernotruf gibt es seit 2008, als Konsequenz aus einem Verbrechen, bei dem ein Mann seinen Stiefsohn Justin mit heißem Wasser verbrüht hatte.

Etwa 40 Prozent der Anrufe münden in Einsätzen bei den betroffenen Familien. Es rufen Kinder und Jugendliche, aber auch Lehrer, Ex-Partner oder Nachbarn an.

Der Kindernotruf ist unter der Nummer 0234 910-5463 rund um die Uhr erreichbar. Die Leitstelle der Feuerwehr verbindet bei Anruf mit dem Jugendamt oder einer Ansprechpartnerin oder einem Ansprechpartner bei der Stiftung Overdyck.

Außerdem habe man festgestellt, dass der Bochumer Kindernotruf deutlich häufiger in Anspruch genommen wurde. Die Hotline (siehe Infobox) ist 24 Stunden erreichbar. Kinder und Jugendliche können in Notsituationen dort mit dem Jugendamt oder der Jugendhilfeeinrichtung Stiftung Overdyck über ihre Probleme sprechen. „Insgesamt scheint sich die Pandemiesituation auf das Meldeverhalten ausgewirkt zu haben. Eine Sorge, dass mögliche Kindeswohlgefährdungen im Kontext der Pandemie nicht oder nicht rechtzeitig bemerkt werden könnten, kann (...) nicht bestätigt werden.“

Schulen und Kindergärten melden im Corona-Jahr 2020 eher wenig Fälle

Es fällt allerdings auf, dass Schulen und Kindergärten im vergangenen Jahr mit 99 Fällen eher selten mögliche Gefährdungen gemeldet hatten. Deutlich häufiger hat das Jugendamt nach Hinweisen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten eingegriffen. Die meisten Auffälligkeiten wurden anonym oder von den betroffenen Kinder und Jugendlichen selber gemeldet.

Obwohl es mehr Besuche und Überprüfungen bei möglicherweise gefährdeten Familien in Bochum gegeben hat, ist die Zahl der Inobhutnahmen gesunken. 2019 waren noch 639 Kinder und Jugendliche aus ihren Familien geholt worden. „Im Pandemiejahr 2020 wurde der Kinderschutzauftrag des Sozialen Dienstes trotz der schwierigen Situation durchgängig und ohne Einschränkungen wahrgenommen“, heißt es von der Stadt.

Hinweise auf mögliche Kindeswohlgefährdungen seien entsprechend dem Standardverfahren des Jugendamtes nach dem Vier-Augen-Prinzip überprüft worden. Bei Bedarf seien Schutzmaßnahmen eingeleitet und Hilfen angeboten worden. „Hinweise auf akute Kindeswohlgefährdungen wurden grundsätzlich unverzüglich vor Ort und ebenfalls im Vier-Augen-Prinzip überprüft.“