Bochum. Von der Zeichnung bis zur Flummiwurfmaschine: Nach dem Lockdown sind die Bochumer Galerien wieder geöffnet, man kann Spannendes entdecken.

Corona ade? Na, hoffentlich. Kunstfreunde haben lange darauf gewartet, endlich wieder durch Galerien und Kunsthallen zu bummeln und sich inspirieren zu lassen. Die WAZ stellt drei Ausstellungen in Bochum vor, die wieder geöffnet und auf jeden Fall einen Besuch wert sind.

Galerie m zeigt „Grenzfälle des Raumes“

Die Galerie m im Schlosspark Weitmar widmet sich in ihrer aktuellen Exposition „Grenzfällen des Raumes“. Was zunächst ungewöhnlich klingt – denn der „Raum“, der uns umgibt, kennt ja keine Grenzen –, macht gleichwohl Sinn: Denn die versammelten Werke von fünf Künstlerinnen aus den Bereichen Bildhauerei, Malerei und Lyrik beziehen sich auf die Galerie selbst. Und die wird tatsächlich neu als Erfahrungsraum definiert.

Für die Ausstellung „Grenzfälle des Raumes“ schuf Lena von Goedeke in der Galerie m eine rätselhaft Installation, die nur schemenhaft ihr Inneres preisgibt.
Für die Ausstellung „Grenzfälle des Raumes“ schuf Lena von Goedeke in der Galerie m eine rätselhaft Installation, die nur schemenhaft ihr Inneres preisgibt. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Die mechanisch-technischen Flügel der Skulptur „Oszilloskop“ von Franka Hörnschemeyer loten den Raum durch rhythmische Bewegungen aus, ganz anders als Melanie Machot, die das durch Krach und Geräusch erreicht. Ihrer ausladende Soundinstallation „Alpine Diskomiks“ gipfelt in einen ohrenbetäubenden Klangmix, der die Wahrnehmung bis auf das Äußerste reizt. Und in „The Oneironaut (lab)“ lässt Lena von Goedeke nur schemenhaft das Innere ihrer raumeinnehmenden Installation erkennen, optische Anhaltspunkte verschwimmen wie bei einem White-Out, einem gewaltigen Schneesturm. Hier wird Kunst über das rein Objekthafte hinaus zum Feld der Welterfahrung.

www.m-bochum.de

Galerie Provinz präsentiert zwei Künstlerinnen

Die Galerie Provinz war lange im Ehrenfeld heimisch, dann musste Stephan Strsembski leider schließen. Er zog ins Internet um und avancierte mit seiner Website international zur gefragten Adresse, die auf Kunst-Editionen spezialisiert ist. Es werden also nicht in erster Linie Unikate wie Gemälde oder Skulpturen verkauft, sondern Grafiken oder Drucke allgemein. „Ein Sparten-Sammelfeld, aber wir haben unsere Nische gefunden!“, freut sich der Galerist.

Galerist Stephan Strsembski ist mit der Galerie Provinz auf Kunst-Editionen spezialisiert.
Galerist Stephan Strsembski ist mit der Galerie Provinz auf Kunst-Editionen spezialisiert. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Weil ihm das Internet auf Dauer dann doch zu unpersönlich war, suchte er in Bochum nach neuen Räumen. Und fand sie: in einem leerstehenden Atelier in der Speckschweiz. Hier macht im luftig-reduzierten Ambiente die aktuelle Exposition neugierig. Mit Editionen von Donna Huddleston (*1970) und Dorota Jurczak (*1978) stellt Strsembski zwei Künstlerinnen vor, deren Werke spartenübergreifend wirken, in Richtung auf Theater, Literatur und Film. So nehmen die minuziösen Zeichnungen von Huddleston die Darstellungskonvention von Bühnenstücken in den Blick. Verrätselt erscheint dagegen Jurczaks Raum- und Figurenwelt, in der die Künstlerin eine androgyne Person und einen tempelartig aufgebauten Stapel aus gemusterten Matratzen arrangiert. Selbstbespiegelung oder Selbstbehauptung: wer weiß?

www.provinzeditionen.de

Galerie Januar öffnet sich für ein „Kinderspiel“

Der Kunstverein Galerie Januar in Langendreer meldet sich mit der Präsentation „Kinderspiel“ kraftvoll aus dem Lockdown zurück. Zu sehen sind Arbeiten von Lukas Zerbst (*1988), denen einen gewisse Beiläufigkeit innezuwohnen scheint, und die doch auch druckvoll auf den Punkt kommen können.

Eher verspielt wirken die kunstvoll verbogenen Neon-Lichtröhren, die Zerbst im oberen Raum wie aus der Decke gewachsene Tentakel arrangiert, die sich gierig der anderen Lichtquelle an dieser Stelle – dem Fenster – zuzuwenden scheinen. Auch der alte Röhrenfernseher wirkt wie beiläufig hingesetzt, und gibt mit dem dargestellten Video-Loop in einer privaten Manier Auskunft über den Künstler selbst: Auf dem Amateurfilm ist der zehnjährige Zerbst zu sehen, der sein Kinder- in ein Kunstzimmer umgestaltet hat.

Kontakt und Öffnungszeiten

Galerie m, Schlossstraße 1a, „Grenzfällen des Raumes“, bis 25. September, Öffnungszeiten nach Vereinbarung unter 0234/43997.

Galerie Provinz, Schmechtingstraße 38, „Donna Huddleston, Dorota Jurczak“, bis 23. Juli, geöffnet Donnerstags 13 - 19 Uhr und nach Vereinbarung unter 0177/5535002.

Galerie Januar, Eislebener Straße 9, „Lukas Zerbst: Kinderspiel“, bis 2. September, geöffnet nach Vereinbarung unter 0234/3600578.

Kunst-Stücke setzen Gedanken frei

Erinnerungen an die Kindheit werden auch im Kellergeschoss wachgerufen. Hier hat Zerbst den Raum in eine „Flummi-Bude“ verwandelt. Ein selbstgebauter Apparat schießt die Gummibällchen kreuz und quer durch das Zimmer, über eine schräge Ebene laufen sie zu der Maschine zurück, und das Spiel beginnt von Form. Lukas Zerbsts „Kinderspiele“ sind erwachsenen gewordene Kunst-Stücke, die beim Betrachter Gedanken, Erinnerungen, Ideen freisetzen: Wer hätte als Kind bei aller Faszination nicht auch immer ein bisschen Angst gehabt, von einem der unberechenbar flippenden Flummis getroffen zu werden?

www.galerie-januar.de