Bochum. Wie melkt man Spinnen? Im Tierpark Bochum läuft ein ungewöhnliches Projekt. Mit Spinnfäden stellt eine Forscherin menschliche Knochen her.

Der Prototyp aus Lego: Dort wickelt sich der beinahe unsichtbare Spinnfaden auf der Spule auf.
Der Prototyp aus Lego: Dort wickelt sich der beinahe unsichtbare Spinnfaden auf der Spule auf. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Die dicke schwarze Seidenspinne liegt auf grünem Schaumstoff. Ein Küchentuch fixiert das Tier dort sanft, allein ein dickes schwarzes Spinnenbein lugt darunter hervor. Es ist stickig-warm, Fliegen summen unter einem Netz – Wohlfühlatmosphäre für die Seidenspinne aus Afrika. Wenige Meter daneben rutscht ein Eisenbahnwaggon aus Lego („ein Prototyp“) langsam auf einer Schiene hin und her.

Im Gleichtakt spinnt sich der beinahe unsichtbare Spinnfaden vom Tier bis um die Spule am Ende des Waggons. Was dort im Tierpark Bochum so unscheinbar auf einem einfachen Holztisch vor sich geht, das könnte nach Hoffnung von Forscherin Anna Bartz von der RWTH Aachen die Medizin revolutionieren.

Tierpark Bochum: Forscherin züchtet Spinnfäden für Knochen-Ersatz

Auf Schaumstoff liegt die Spinne zum Melken fixiert.
Auf Schaumstoff liegt die Spinne zum Melken fixiert. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Aus der Spinnenseide möchte sie Knochenersatzmaterial züchten. Das könnte zum Beispiel bei Osteoporose, Knochen-Tumoren und schweren Brüchen zum Einsatz kommen. Über Wochen melkt – so nennt sich das wirklich – Anna Bartz für ihr Projekt die Seidenspinnen, um an den wertvollen Spinnfaden zu kommen. Der nämlich gilt als antibakteriell, elastisch und sehr stabil. „Schon die alten Griechen haben ihn für medizinische Zwecke genutzt“, sagt Anna Bartz.

Die Forscherin nimmt eine der Seidenspinnen zärtlich auf ihre Hand. „Ich mochte Spinnen schon immer gerne“, sagt sie, während ihr das Tier den Arm hinauf krabbelt. In Norwegen habe man anhand von Spinnenvorkommen das Fortschreiten des Klimawandels erforscht. Argwöhnisch beäugt sie nun den Versuch der Seidenspinne, sich am Arm ein Netz zu spinnen, um nicht in die Tiefe zu stürzen. „Das würde sie nicht überleben, deshalb passe ich gut auf. Ich hänge an den Tieren“, sagt Anna Bartz.

In der Praxis bei Knochenbrüchen, Tumoren und Osteoporose einsetzbar

Anna Bartz und ihre Seidenspinne. „Ich mochte Spinnen schon immer!“
Anna Bartz und ihre Seidenspinne. „Ich mochte Spinnen schon immer!“ © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

In der Theorie klingt das Projekt des Instituts für Pathologie und Helmholtz Instituts für Biomedizinische Technologien einfach: Aus menschlichen Knochen werden Stammzellen isoliert, der Spinnfaden dient dann „nur“ als Trägerstruktur, die sich nach dem Einsetzen im Körper des Menschen auch wieder zersetzt. „Trotz vieler Fortschritte im medizinischen Bereich sind Behandlungsmöglichkeiten bei Krankheiten, die mit Knochenschäden einhergehen, oft noch unzureichend.“

Die Praxis ist mühsam: Vier bis acht Stunden täglich werden die Spinnen gemolken. Zur Belohnung gibt’s Heuschrecke oder ein Heimchen. Dann geht’s für die Spinnen zurück in ihr Terrarium, für Anna Bartz nach Aachen ins Labor. Bis aus dem fast unsichtbaren Spinnenfaden ein handfester Knochen wird, dauert es aber noch lange. Mit einer medizinischen Zulassung rechnet Anna Bartz frühestens in fünf bis zehn Jahren.

Tierpark Bochum braucht nun mehr Seidenspinnen – und Unterstützung

200 bis 500 Seidenspinnen leben derzeit in den Terrarien des Tierparks. Für das Projekt müssen es mindestens dreimal so viele werden. „Spinnen-Haltung ist aufwendig“, sagt die stellvertretende Zoo-Chefin Kerstin Schulze. So müsse nun auch dafür gesorgt werden, dass sich die Spinnen regelmäßig vermehren, denn die Tiere seien nur einjährig – der Bedarf an Spinnfäden aber immens.

Tierpark bittet um Unterstützung

Der Tierpark möchte weitere Seidenspinnen anschaffen, um das Projekt von Anna Bartz zu unterstützen. Außerdem soll eine wissenschaftliche Hilfskraft zum Melken der Tiere angestellt werden. Der Tierpark Bochum bittet dafür um finanzielle Unterstützung.Wenn Sie das Projekt finanziell unterstützen möchten, so können Sie dies mit einer Spende auf das Tierparkkonto: Tierpark Bochum gGmbH, Sparkasse Bochum, IBAN DE17 4305 0001 0001 3237 40, BIC WELADED1BOC, Verwendungszweck: Seidenspinnen

Der Tierpark plant, auch die Besucherinnen und Besucher weiter über das Projekt zu informieren. „Wir wollen dabei natürlich auch am Image der Spinnen arbeiten.“