Bochum-Stiepel. Für Bochum-Stiepel ist es das Ende einer Ära: Als langjähriger Pfarrer geht Jürgen Stasing in Rente. Im Abschiedsgespräch blickt er zurück.

Nicht wenige halten die Stiepeler Dorfkirche für die schönste in Bochum – und weit darüber hinaus. Auch Pfarrer Jürgen Stasing (65) ist noch immer begeistert, wenn er in das so anmutige wie schlichte Gebäude tritt: „Ohne diese Kirche wäre ich vermutlich nicht so lange in Bochum geblieben“, sagt er. Doch jetzt ist Zeit zum Abschiednehmen: Nach 32 Jahren und zwei Monaten geht Stasing in den Ruhestand. Für die evangelische Gemeinde in Stiepel ist es das Ende einer Ära.

Als Sie im Mai 1989 hier anfingen: War das Liebe auf den ersten Blick?

Jürgen Stasing: Überhaupt nicht. Ich kam als junger Geistlicher aus Versmold bei Bielefeld. Stiepel war meine erste Pfarrstelle. Die ersten Wochen hier waren schrecklich. Das Pfarrhaus war nicht renoviert, die Menschen waren schroff und unfreundlich. Ich habe immer nur gedacht: ,In was für eine Räuberhöhle bin ich denn hier geraten?’ Aber das hat sich schnell gelegt, weil ich gemerkt habe, dass die Kollegen hier wirklich etwas bewegen wollen und die vielen Ehrenamtlichen in der Gemeinde großartige Arbeit leisten. Das tun sie bis heute. Jetzt bin ich 32 Jahre geblieben, und unterm Strich haben die wirklich Spaß gemacht.

Pfarrer Jürgen Stasing verabschiedet sich aus Dorfkirche Bochum

Woran denken Sie besonders gern zurück?

Pfarrer Stasing wird mit zwei Gottesdiensten verabschiedet

Der Abschied von Jürgen Stasing aus der Dorfkirche wird am Sonntag, 27. Juni, mit zwei Gottesdiensten gefeiert: Zunächst gestaltet er um 10 Uhr seinen letzten „klassischen“ Gemeindegottesdienst. Danach um 11.30 Uhr wird er offiziell verabschiedet.

Da in der Dorfkirche derzeit coronabedingt nicht mehr als 30 Plätze zur Verfügung stehen, werden beide Gottesdienste nach draußen übertragen. Wichtig ist, dass alle, die dabei sein wollen, sich im Voraus im Gemeindebüro anmelden. Tel. 0234 / 791337 und Mail: bo-kg-stiepel@kk-ekvw.de

Vor allem an die große Restaurierung der Kirche von 1998 bis 2004. Die Zeit war wahnsinnig anstrengend, weil wir große Sorgen hatten, ob wir die einzelnen Bauabschnitte überhaupt finanziert bekommen. Am Ende haben wir allein 126.000 Euro durch die Schlafmünzen-Aktion eingenommen. Das war kurz vor der Einführung des Euro, als wir Münzen und Scheine aus allen möglichen Ländern sammelten und dann bei der Sparkasse eintauschen konnten. Diese Welle der Solidarität hat mich sprachlos gemacht. Aber daran sieht man auch, wie viel den Menschen ihre Dorfkirche bedeutet. Ich hab immer gesagt: Auf der Kirche liegt ein Segen, die rettet sich von allein.

Ein Highlight war gewiss die 1000-Jahr-Feier im Jahr 2008...

Absolut unvergesslich! Da haben die Symphoniker bei uns gespielt. Wir hatten ein Feuerwerk, der Gottesdienst wurde ins Festzelt übertragen. Das war perfekt.

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Mit seiner Frau zieht er an die Unistraße

Was ist Ihnen rückblickend nicht gut gelungen?

Vielleicht habe ich im Umgang mit den Menschen nicht immer das richtige Wort gefunden. Im Laufe der Jahre habe ich mehr als 1000 Kinder getauft und fast genauso viele Menschen beerdigt. Da muss man sich manchmal schon eingestehen, dass man nicht immer alles besser weiß, nur weil man der Pastor ist. Diese Bescheidenheit muss man haben. Die Alleskönner in dem Job werden schnell einsam.

Gehen Sie schweren Herzens?

Nein. Ich bleibe der Gemeinde ja als normales Mitglied erhalten. Meine Frau und ich ziehen an die Unistraße, das ist auch nicht so weit weg. Aber ich gehe jetzt bewusst etwas auf Distanz, auch weil ich weiß, dass meine Nachfolge gut geregelt ist.

Die Dorfkirche in Stiepel blickt auf eine über 1000-jährige Geschichte zurück. Sie ist vermutlich das älteste Baudenkmal Bochums und eines der schönsten dazu.
Die Dorfkirche in Stiepel blickt auf eine über 1000-jährige Geschichte zurück. Sie ist vermutlich das älteste Baudenkmal Bochums und eines der schönsten dazu. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Wie man hört, wird Ihre Stelle nicht neu besetzt.

Das stimmt nicht so ganz. Als sich Ortwin Pfläging aus dem Lutherhaus verabschiedete, sollte Christine Böhrer als seine Nachfolgerin ursprünglich nur eine halbe Stelle bekommen. Wir wollten aber die ganze Frau Böhrer! So wird meine Stelle jetzt dort gewissermaßen mit einberechnet. Dazu haben wir mit Sascha Dornhardt einen neuen Diakon mit einer ganzen Stelle bekommen. Personell geht mit meinem Weggang also nichts verloren.

Mit dem Wohnmobil nach Italien

Und strukturell? Dass im Lutherhaus womöglich bald keine Gottesdienste mehr gefeiert werden, kursiert als Gerücht schon länger.

Das Gelände des Lutherhauses haben wir an die Diakonie Ruhr verkauft, die dort das erste Seniorenheim auf Stiepeler Boden errichtet hat. Für zehn Jahre steht der Gemeinde die Nutzung des Hauses weiterhin zu. Was danach passiert, wird man sehen. Vielleicht gibt es dann Kooperationen mit anderen Gemeinden etwa in Wiemelhausen und Querenburg. Aber das wird alles weit nach meiner Zeit entschieden.

Was fangen Sie mit Ihrer vielen freien Zeit denn jetzt an?

Leider hatte ich in den Jahren immer so viel zu tun, dass ich entgegen aller Ratschläge völlig vergessen habe, mir ein Hobby zuzulegen. Mein Beruf war immer mein Hobby. In jedem Fall haben meine Frau und ich jetzt mehr Zeit, mit dem Wohnmobil unterwegs zu sein. Am liebsten zieht es uns nach Italien.