Bochum. Im Handel in Bochum herrscht neue Zuversicht. Die Corona-Beschränkungen sind aufgehoben, die Kunden kehren zurück. Doch es gibt auch Warnungen.
Frank Beckmann nimmt Anleihen beim Fußball, wenn er beschreibt, wie die Bochumer Innenstadt aufgestellt ist. „Aktuell spielen wir in der 2. Liga“, sagt der Inhaber des Schuhhauses Lötte. „Mit dem Viktoria-Karree steigen wir in die 1. Liga auf. Und das ,Haus des Wissens’ mit der Markthalle bringt uns in die Champions League.“
Raus aus dem Abseits, ab in die Offensive: Nach dem bleiernen Lockdown kehrt die Siegermentalität in den inhabergeführten Bochumer Einzelhandel zurück. „Es gibt beim Konsum einen massiven Nachholbedarf. Die Kunden kehren zurück“, beobachtet Frank Beckmann (48), der in seinen drei Schuhgeschäften 80 Mitarbeiter beschäftigt. Allesamt sind gut ausgelastet. Endlich wieder Shoppen. Endlich wieder Arbeit. Endlich wieder Umsätze. Endlich Sonne statt depressiver Dunkelheit.
Testpflicht schreckte in Bochum viele Kunden ab – damit ist es nun vorbei
Frank Korten ist hellwach. Dabei verdient er sein Geld mit dem Schlafen. 20 Mitarbeiter zählen seine Bettenfachgeschäfte. Bis auf die Fahrer, die die zum Glück üppigen Aufträge abarbeiteten, meldete Korten für das komplette Team Kurzarbeit an, als das Traditionsunternehmen 2020 wegen Corona schließen musste: erstmals in 150 Jahren außerhalb von Kriegen. „Jetzt sind alle wieder da“, sagt der 59-Jährige und ist froh, dass das Einkaufen wieder ohne Termin und Test erlaubt ist. „Die Testpflicht war eine Katastrophe. Die hat vor allem die älteren Kunden abgeschreckt. Das höre ich überall“, schildert Korten.
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Das bestätigt Stefan Rodemann (48), Chef des Einrichtungshauses an der Hattinger Straße in Linden. Nur für größere Anschaffungen, etwa eine neue Küche, seien die Kunden bereit gewesen, einen Schnelltest vorzunehmen. Kleinere Einkäufe blieben auf der Strecke. Aber: „Seit Mai ist wieder Land in Sicht.“ Bei Rodemann wie auch in den weiteren Geschäften auf der Lindener Meile, die – so die Hoffnung des Vorsitzenden der Werbegemeinschaft – weitgehend unbeschadet aus der Krise hervorgehen werde: „Aktuell weiß ich von keiner Schließung.“
Innenstadt muss zum Erlebnisraum für die ganze Familie werden
Auch in der Innenstadt bewegen sich die Leerstände derzeit auf üblichem Niveau. Waren die monatelangen Befürchtungen vor einem Kahlschlag unbegründet? „Wir sind erst am Anfang. Die Pandemie ist noch nicht vorbei“, warnt Frank Korten, sieht die City aber auf einem guten Weg. Entscheidend sei, dass die Kunden die Sicherheit beim Einkaufen zurückgewinnen, nicht mehr durch ständig neue Regeln verwirrt werden und: nicht weiter ins Internet abwandern. „Das ist eine echte Angst“, so Korten.
Bochumer wollen Handel die Treue halten
„Wie groß ist Ihre Sorge bezogen auf eine Verödung Ihrer Innenstadt?“, hat die WAZ im Frühjahr in ihrem Corona-Check gefragt. Auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 5 (sehr stark) findet sich Bochum bei knapp 3,7 wieder.
Zugleich bekundeten 79,7 Prozent der Teilnehmer ihre Bereitschaft, dem örtlichen Handel die Treue zu halten.
Dabei können die Geschäfte jetzt wieder mehr Kunden bedienen. Nach dem stabilen Unterschreiten der 50er-Inzidenz ist ein Kunde pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche (zuvor waren es 20) erlaubt.
Dazu müsse sich die Innenstadt auch außerhalb des Handels neu aufstellen, sagt Frank Beckmann. Der Sommer wird trotz der jüngsten Lockerungen noch einmal eine Herausforderung. Ohne Bochum Total. Ohne Bochum kulinarisch. Hoffentlich mit dem Musiksommer. Umso wichtiger sei es, die City zu einem Erlebnisraum für die ganze Familie aufzuwerten. Dabei erkennt Beckmann bereits Erfolge. Den zentralen Wochenmarkt auf dem Dr.-Ruer-Platz zählt er ebenso dazu wie die neuen Spielflächen für Kinder. Die öffentlichen Toiletten und die Sauberkeit hingegen stünden noch auf der Agenda.
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Der Aufstieg soll gelingen – so wie dem VfL Bochum
Sorgen, aber auch Zuversicht, dass es weitergeht, dass die Kunden dem stationären Handel trotz Amazon & Co. treu bleiben: Das prägt die Stimmung in der Kaufmannschaft und der gleichfalls wieder erwachten Gastronomie. Der Aufstieg Bochums bleibt fest im Blick. Ausgerechnet in diesem Corona-Jahr hat der VfL gezeigt, wie’s geht.