Bochum. Zum Haus des Wissens in Bochum fallen im Juni wichtige Entscheidungen. Muss wirklich ein neuer Name her? Leser haben noch ganz andere Fragen.
Es klingt ja ein bisschen verrückt: Was haben Krimi und Kochkurs mit Kabeljau und Käse gemeinsam? Bücherei, VHS, Wissenschaft und eine Markthalle – in Bochum soll bis spätestens Ende 2026 zusammen wachsen, was auf den ersten Blick nicht wirklich zusammen gehört. Für das geplante „Haus des Wissens“ im alten Postgebäude gegenüber vom Rathaus stehen im Juni 2021 wichtige Entscheidungen an.
Zum Beispiel eine über den Namen: Wie nennt man etwas, das es so vermutlich nirgendwo anders gibt? „Haus des Wissens“ ist ja nur ein Arbeitstitel. Drei bis fünf Vorschläge für einen griffigen Namen haben es ins Finale geschafft, heißt es. Welche das sind, will Projektkoordinatorin Britta Freis der WAZ nicht verraten.
Haus des Wissens - die neue Heimat von VHS, Bücherei und Markthalle in Bochum
Der neueste Vorschlag der FDP-Fraktion dürfte vermutlich zu spät kommen: BOSANOVUM. BO für Bochum, NOVUM für neu, S für Science und A für Art, begründen die Liberalen ihre Idee. Vorschläge gab es vor zwei Jahren auch bereits von Leserinnen und Lesern der WAZ: Bo Wiss Markt, City Center (CC), Haus der Möglichkeiten, COM Bo, Bochumer Allerlei – um nur einige zu nennen.
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Kritische Bürger fragen sich, warum es überhaupt einen neuen Namen braucht. Haus des Wissens sei gut – und längst etabliert. „Oder brauchen wir wieder unbedingt einen schmissigen Namen, wie für das Opelgelände und nachher heißt das Ding ,Gudrun 4711’ oder ,Karl-Gerd 08/15’“, heißt es in einer Mail an die Redaktion.
„Haus des Wissens ist zwar ein Arbeitstitel, das heißt aber nicht, dass dieser Name am Ende nicht herauskommen kann“, sagt Freis. Man müsse sich aber sehr wohl fragen, ob der laut Stadt geplante Ort der Begegnung, der Partizipation, des Wissensaustausches sowie der Sinne und des Einkaufgenusses nicht „mehr oder etwas anderes“ sei.
15 köpfiges Gremium schlägt dem Rat der Stadt einen Namen vor
Am 19. Juni will ein 15-köpfiges Gremium entscheiden, welcher Name dem Rat der Stadt für seine Sitzung fünf Tage später vorgeschlagen wird. Einige Bürger, Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, Experten und Lokalpolitiker gehören der Gruppe an.
Auch andere Fragen zu dem Leuchtturmprojekt im Herzen der Bochumer Innenstadt bewegen Bürger und unsere Leser. Mit einigen haben wir Architekt Markus Sporer und Britta Freis konfrontiert:
Barrierefreiheit: Die riesige Freitreppe im Eingangsbereich sorgt insbesondere Menschen mit eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten. „Die Barrierefreiheit des Hauses ist vielleicht nicht auf den ersten Blick greifbar, sie ist aber durchgängig garantiert“, versichert Freis. Alle fünf Etagen, auch der Dachgarten, seien für Personen mit Kinderwagen, Rollatoren oder Rollstühlen über Aufzüge erreichbar. In Absprache mit der Feuerwehr diene der Lastenaufzug zur Personenrettung.
Auf jeder Etage wird es einen Wickelraum geben
Markthalle und Gastronomie
Das Haus des Wissens soll der Stadt zufolge Ende 2026 fertig sein. Frühestens zwei Jahre zuvor sollen Betreiber für die Markthalle und die beiden Gastronomien gesucht werden.
Für die Markthalle hat eine Arbeitsgruppe ein Konzept erstellt. Darin heißt es, dass die von den Bürgern gewünschte Markthalle an diesem Standort wirtschaftlich betrieben werden kann.
Der Haupteingang wird an der Viktoriastraße liegen, aber auch über den Eingang am Willy-Brandt-Platz wird die Markthalle erreichbar sein. An beiden Eingängen sind gastronomische Angebote geplant.
In allen Toilettenbereichen seien auch Behinderten-WCs vorhanden. Außerdem werde es auf jeder Etage einen Wickelraum geben, „der nicht mit der Damentoilette kombiniert ist“. Im Eingangsbereich am Willy-Brandt-Platz sei zudem eine Toilette für mehrfach schwerstbehinderte Menschen geplant.
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Im Blick habe man natürlich auch Blinde und Menschen mit Seheinschränkungen. Brailleschrift auf den Handläufen der Geländer und Induktionsschleifen sind geplant. „Wir tauschen uns dazu mit Feuerwehr und Ordnungsamt aus. Momentan befinden wir uns noch im Stadium des Vorentwurfs, bis zur Einreichung des Bauantrags im Mai 2022 stehen die Details“, so Sporer.
Garten auf dem Dach leistet mehr als eine Photovoltaikanlage
Klima/ Umwelt: Das Bochumer Klimabündnis vermisst bei dem Leuchtturmprojekt der Stadt (O-Ton: „eines der herausragendsten und spannendsten Projekte in Bochum“) eine Photovoltaikanlage und kritisiert die Nutzung von Fernwärme. Die Stadt indes spricht von „einer energetisch sinnvollen und nachhaltigen Planung“.
Das Gebäude werde auf intelligente Art und Weise beheizt und gekühlt werden, sagt Sporer. „Die Fernwärme dient als Backup, weil wir noch nicht wissen, wie viel Leistung wir mit Geothermie erreichen können.“ In Kürze soll es dazu Probebohrungen geben. Die Erdwärme soll zudem einen Eisspeicher speisen, der zur Klimatisierung dient.
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Photovoltaikelemente und begrünte Fassaden indes passten optisch nicht zum durch Backsteine geprägten Gebäude. Die Nachbarhäuser sorgten außerdem für zu viel Schatten, um ausreichend Strom zu gewinnen. „Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach kann nicht leisten, was der Dachgarten leisten kann“, argumentiert Freis.
Die bisher versiegelte Innenhoffläche werde fast vollständig begrünt und auch die Speicherung von Regenwasser trage zur Verbesserung des Mikroklimas bei. Das Haus des Wissens leiste insgesamt „einen wichtigen Beitrag zur Kühlung der Innenstadt“, so die Projektkoordinatorin.
Sicherheitskonzept soll auch die Öffnungszeiten regeln
Öffnungszeiten: Wird das Haus wirklich 24 Stunden am Tag geöffnet sein, sieben Tage in der Woche? „Dazu werden wir ein Sicherheitskonzept erarbeiten“, sagt Freis. Natürlich müsse der Zugang geregelt und „nicht bewachte Bereiche teilweise geschlossen werden“. Klar sei auch, dass der Dachgarten nicht bei jedem Wetter geöffnet werden könne. „Denken Sie nur an Sturm.“
Grundsätzlich aber soll das Haus des Wissens rund um die Uhr allen Bürgern zu Verfügung stehen. Auch Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, verspricht Freis. „Ihr seid willkommen gilt auch für Obdachlose und Junkies, wenn sie sich an die Regeln halten.“ In Kooperation mit dem Sozialamt soll es auch dazu ein Konzept geben.
Kosten: Schon jetzt ist klar, dass der ursprüngliche Kostenrahmen von 90 Millionen Euro gesprengt wird und die 100 Millionen-Euro-Marke gerissen wird. Eine große Rolle dabei spielen Fördermittel und „Fundraising“, wie es in der dem Rat vorliegenden Vorlage heißt.
Rat entscheidet am 24. Juni über den Namen und den Vorentwurf
Bei diesem „Fundraising“ gehe es aber nicht um eine klassische Spendensammlung wie vor Jahren beim Musikforum, sondern um die Suche nach öffentlichen Geldquellen. Freis: „Wir wollen für große Stiftungen so interessant werden, dass sie uns unterstützen.“ Mindestens 27 Millionen Euro sollen aus Fördertöpfen und von Stiftungen in das Projekt fließen.
Wie sich die Architekten das Haus des Wissens vorstellen, zeigt unsere Fotostrecke, die wir auf Basis der Verwaltungsvorlage erstellt haben. Der Rat wird am 24. Juni über den Namen und den Vorentwurf der Architekten entscheiden.