Bochum. Die Schulaufsicht will Mängel beim digitalen Unterricht nicht dokumentiert wissen. Für benachteiligte Schüler hat das ärgerliche Konsequenzen.

Eine Bochumer Grundschullehrerin fühlt sich von der Schulaufsicht unter Druck gesetzt. Sie soll Jobcenter-Formulare zur Bewilligung von Laptops oder Tablets für bedürftige Schüler nicht wahrheitsgemäß ausfüllen dürfen. Die Lehrerin (Name der Redaktion bekannt) berichtet von einer schulinternen E-Mail aus dem Februar, die auch der Redaktion vorliegt.

Dort heißt es unterzeichnet von Schulrat Lutz Lamek, dass die Schule in den Formularen nicht bestätigen solle, dass „(...) der Schulunterricht (...) digital ausgeführt“ wird und „die (...) Schüler*innen auf einen internetfähigen Computer angewiesen“ sind.

  • Wie digital sind Bochums weiterführende Schulen? Wir haben den großen Vergleich gemacht. Mehr dazu lesen Sie hier!
  • Dass es auch gut laufen kann, zeigt ein Gymnasium in Bochum, das als Vorreiter in der Digitalisierung gilt. Mehr lesen Sie hier.
  • Ein Vergleich mit den Nachbarstädten zeigt, dass Bochums Schulen digital abgehängt sind. Das kommentiert WAZ-Redakteurin Carolin Rau. Lesen Sie den Kommentar hier!

„Man macht sich Sorgen, dass das ein Zugeständnis dessen wäre, dass die Schüler bisher nicht am digitalen Unterricht teilnehmen konnten“, sagt die Grundschullehrerin. Tatsächlich heißt es in der E-Mail weiter, dass ja bei einer Bestätigung sofort die Frage im Raum stehe, ob diese Schüler bisher überhaupt am Digitalunterricht teilnehmen konnten.

Keine Laptops für einige bedürftige Grundschüler - Digitalunterricht an Papas Handy

Erfahrungen aus der Grundschulklasse der Lehrerin bestätigen genau dieses Problem. Sechs Schülerinnen und Schüler hätten Zuhause eben keinen Zugriff auf einen Laptop oder ein Tablet. „Wenn die Kinder überhaupt am Digitalunterricht teilnehmen, dann sitzen sie am Handy des Vaters. Wenn der aber arbeiten muss oder das Geschwisterkind auch mal Digitalunterricht hat, dann haben die Kinder keine Chance teilzunehmen.“

Einmal in der Woche gebe es bei ihr eine Stunde Video-Unterricht. Ansonsten bekämen die Schülerinnen und Schüler ihre Aufgaben als Kopien. Die Grundschule habe versucht, ihren Schülern zu helfen und gleichzeitig die Empfehlung in der E-Mail zu umgehen. Dazu habe man Briefe aufgesetzt, die den Bedarf der Schüler bestätigen sollten. Diese jedoch habe das Jobcenter abgelehnt. In der Konsequenz gebe es bis heute Grundschüler, die nicht regelmäßig am digitalen Unterricht teilnehmen könnten.

Lehrerin ärgert sich: Gerade bedürftige Schüler sollten doch nicht zurückbleiben

Schulrat Lutz Lamek betont auf Nachfrage der WAZ, dass es sich bei der E-Mail um einen „internen Diskussionsbeitrag“ und keinesfalls um eine „schulaufsichtliche Weisung“ gehandelt habe. Außerdem sei Distanzunterricht nicht ausschließlich digital. „Die Schulen bemühen sich mit großem Engagement, den Distanzunterricht zielführend durchzuführen. Dazu kommen sowohl digitale, als auch analoge Formate zum Einsatz.“

Die Grundschullehrerin aus Bochum ärgert sich über solche Aussagen. „Stift und Papier sind auch technische Ausstattung, das ist ja damit gemeint. Dabei sollten wir doch gerade bei benachteiligten Schülern darauf achten, dass sie in der Pandemie nicht zurückbleiben.“

Immerhin: Spätestens Ende Mai soll sich das Problem nach Angaben des Schulrates erledigt haben. Dann nämlich werden die Laptops und Tablets erwartet, die aus dem Landes-Sofortausstattungsprogramm, einem kommunalen Eigenanteil und vom Jobcenter finanziert werden. Damit sei dann von „einer annähernd vollständigen Versorgung“ der Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Familien auszugehen.