Bochum. 14 Frauen, die Opfer teils schlimmster Gewalt wurden, leben im Bochumer Frauenhaus. Seit Corona ist vieles anders, erzählt eine Sozialarbeiterin.

Glücklich schätzen kann sich, wer ein Leben ohne Gewalt erfährt. Vielen geht es anders: Im Bochumer Frauenhaus leben bis zu 14 Frauen und ihre Kinder, die Opfer teils schlimmster körperlicher und seelischer Qualen geworden sind – und die Plätze sind gut belegt. Im Miteinander sowie unter fachlicher Anleitung versuchen die Frauen hier, das Erlebte zu verarbeiten und nach Kräften neuen Lebensmut zu fassen.

Das war schon ohne Coronavirus ein oft langer, zermürbender Prozess – doch seit Beginn der Pandemie sind die Probleme für die Frauen in ihrer ohnehin schwierigen Lage noch einmal erheblich gewachsen. Immer an ihrer Seite ist die Sozialarbeiterin Irene Sasse-Allievi (51), die auf ein kräftezehrendes Jahr zurückblickt.

Hinter dem Frauenhaus Bochum liegt ein schwieriges Jahr

Wo genau sich das Frauenhaus in Bochum eigentlich befindet, daraus macht die Caritas als Träger ein gut gehütetes Geheimnis. „Viele Bochumer werden das wissen, aber offen kommunizieren können wir das nicht“, sagt Irene Sasse-Allieve. Dies nicht ohne Grund: Denn durchaus berechtigt ist die Befürchtung vor ungebetenem Besuch.

Dass plötzlich die Ehemänner oder Verwandten vor der Tür stehen, vor denen die Frauen eigentlich ins Frauenhaus geflohen sind, passiere zwar selten, komme aber durchaus vor. Über einen eigenen Sicherheitsdienst verfügt die Einrichtung nicht: „Im Notfall hilft dann nur die Polizei.“

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Dabei sind die Gewalterfahrungen, die die Betroffenen erlebt haben, vielfältig: Längst sind es nicht nur prügelnde Ehemänner, vor denen die Frauen fliehen. „Das kann auch die Verwandtschaft sein, manchmal sind es sogar die Schwiegermütter.“ Manche wurden eingesperrt, geschlagen oder haben sexuelle Gewalt erfahren: „Alles, was man sich vorstellen kann und nicht vorstellen will, ist den Frauen schon passiert.“

Schlimme Erlebnisse von Gewalt

Im Schnitt vier bis fünf Monate leben die Frauen hier, manche bleiben auch nur ein Wochenende oder eine Nacht. Übrigens stammen viele gar nicht aus der direkten Umgebung: „Wir haben Frauen bei uns, die kommen aus Hessen oder Niedersachsen. Manche müssen möglichst weit weg von daheim, weil sie akut gefährdet sind. Manchmal ist auch einfach kein Platz in der Nähe frei.“

Denn die Probleme in den Familien nehmen zu: Das sei besonders seit dem Lockdown gut zu beobachten, erzählt Irene Sasse-Allievi. Im Bochumer Frauenhaus leben die Betroffenen mit ihren Kindern auf engem Raum: Jede hat zwar ein eigenes Zimmer, doch in der Gemeinschaftsküche oder im Aufenthaltsraum kann man sich nicht aus dem Weg gehen.

Angst vor dem Coronavirus hält das Frauenhaus auf Trab

Um das Virus trotzdem so weit wie möglich vom Haus fern zu halten, müsse jede Frau, die neu ankommt, für sieben Tage in einem abgeschlossenen Bereich leben: „Das ist ein kleines Appartement, in dem wir jeden Neuankömmling für die erste Woche gewissermaßen vorsorglich in Quarantäne nehmen“, erzählt Sasse-Allievi. „Erst wenn das Zimmer wieder frei ist, kann die nächste kommen.“

Hygiene, Abstandsregeln: Allein die logistischen Herausforderungen, mit denen Sasse-Allievi und ihre Kolleginnen jeden Tag zu kämpfen haben, sind enorm. „Wir haben Frauen aus ganz unterschiedlichen Nationen bei uns. Viele wissen gar nicht, was das Coronavirus eigentlich ist“, sagt sie.

Probleme beim Homeschooling der Kinder

Besonders schwierig gestalte sich das Homeschooling der Kinder: „Bei uns gibt es zwei PCs für zehn Kinder, von denen manche kaum Deutsch sprechen. Ihnen vernünftig die Schulaufgaben beizubringen, ist kaum zu schaffen.“

Trotzdem hoffen Sasse-Allieve und ihre Kolleginnen auf einen möglichst unbeschwerten Sommer: „Mit den Frauen mal wieder raus gehen, ein Eis essen, vielleicht ins Kino gehen. Das wäre schön“, sagt sie. „Der Winter war hart genug.“

Info zum Frauenhaus Bochum

Das Frauenhaus der Caritas bietet bedrohten und körperlich sowie seelisch misshandelten Frauen und ihren Kindern Schutz vor Gewalt. Religionszugehörigkeit, Nationalität oder regionale Herkunft spielen keine Rolle. Alle Infos: Tel. 0234 / 501034 und frauenhaus@caritas-bochum.de

In unserer Serie „Corona-Helden“ porträtieren wir Menschen, die sich während der Corona-Krise besonders um andere verdient machen, aber nur selten im Rampenlicht stehen: darunter Busfahrer, Supermarkt-Angestellte und Altenpfleger.