Bochum. Corona schlägt tiefe Wunden. Die Stadt Bochum macht sich auf, frühzeitig die sozialen Folgen zu bewältigen. Dafür gibt es nun eine eigene Stelle.

Als erste Stadt im Ruhrgebiet beruft Bochum einen eigenen Beauftragten, der sich mit den Folgen der Pandemie beschäftigt. “Nichts wird mehr so sein wie vorher“, sagt Thomas Ratenhof, der seit Monatsbeginn die neue Stelle im Rathaus besetzt. Es gelte, frühzeitig Strategien und Ideen zu entwickeln, um für die Zeit nach der Krise gewappnet zu sein.

Corona reißt seit mehr als einem Jahr tiefe Wunden in das Leben und die Seele vieler Menschen. Die Konsequenzen sind noch längst nicht absehbar. Erste Untersuchungen fallen alarmierend aus, vor allem bei den Jüngsten. „Jedes dritte Kind leidet nach aktuellen Studien unter den Maßnahmen“, sagt Sozialdezernentin Britta Anger. Auch Senioren seien massiv betroffen.

Corona in Bochum: Erster Blick fällt auf die Familien

„Stelle zur Bewältigung sozialer Folgen der Corona-Pandemie“: So lautet der sperrige Titel, der die Kernaufgabe von Thomas Ratenhof beschreibt. Der 60-Jährige bringt dafür jahrzehntelange Verwaltungs- und Führungserfahrung mit. Die Stadtspitze erachtet ihn als richtigen Mann, um „neue Wege zu gehen und Vorreiter zu sein“, so Britta Anger. Denn: „Testen, Impfen und Lockdown allein reichen mittel- und langfristig nicht.“

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Der erste Blick fällt auf die Familien, insbesondere in den lange Zeit wenig beachteten sozialen Brennpunkten, in denen der Alltag von Kindern und Jugendlichen durch Corona nochmals schwerer geworden ist. Kitas: im Notbetrieb. Schulen: im Distanzunterricht. Sportvereine: in der Corona-Zwangspause. Soziale Kontrolle: unzureichend. Man müsse befürchten, dass die Psyche vieler Kinder und Jugendlicher nachhaltig Schaden genommen hat, sagt Anger und konstatiert: „Wir können nicht mehr sicher sein, was in Familien passiert.“

Thomas Ratenhof (hier noch als VHS-Leiter) ist jetzt Corona-Krisenmanager im Bochumer Rathaus.
Thomas Ratenhof (hier noch als VHS-Leiter) ist jetzt Corona-Krisenmanager im Bochumer Rathaus. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Neuer Beauftragter soll Netzwerke stärken

Thomas Ratenhof soll gegensteuern. Wohlfahrtsverbände, Kinder- und Jugendring, Jugendamt, Stadtelternrat und etliche weitere Organisationen: Gemeinsam müsse das Netzwerk der Hilfe in Bochum in den nächsten Monaten und Jahren ihre wohl größte Belastungsprobe bestehen. Als Lotse will Ratenhof ermitteln, wo Unterstützung am dringendsten benötigt wird, und vermitteln, wer wo zum Einsatz kommt.

Thomas Ratenhof war lange VHS-Chef

Thomas Ratenhof ist Erziehungswissenschaftler. Der langjährige Chef der Bochumer Volkshochschule hatte im Frühjahr 2019 die Leitung des Schulverwaltungsamtes übernommen.

Im März schied der 60-Jährige aus gesundheitlichen Gründen aus dem Schulverwaltungsamt aus. Zum 1. Mai trat er die neue Stelle zur Bewältigung der psychosozialen Folgen der Corona-Pandemie an.

Gedacht wird an eine Ausweitung der Erziehungsberatung, zusätzliche Sportangebote sowie Ferienfreizeiten; wenn noch nicht im Sommer, so doch im Herbst. Profitieren könne Bochum auch vom neuen, zwei Milliarden Euro schweren Aktionsprogramm „Aufholen“ der Bundesregierung zur Beseitigung von Lernrückständen.

Sorge um vereinsamte Senioren

Zweiter Schwerpunkt: Senioren. Durch die fehlenden Angebote der Seniorenbüros in den Bezirken „müssen wir befürchten, dass uns ältere Menschen verloren gegangen sind“, schildert Britta Anger. Sie „wiederzufinden“ und mit aufsuchenden Hilfsangeboten aus der Einsamkeit und Isolation zu befreien, ist gleichfalls eine wichtige Mission des Post-Corona-Beauftragten.

Der zeigte sich am Freitag vor der Presse zuversichtlich, den „offenen Prozess“ bis zum Sommer und Herbst in Gang zu bringen: vom anfänglichen Zuhörer hin zum anpackenden Krisenmanager. „Die Pandemie verändert unser aller Zusammenleben – nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft“, glaubt Thomas Ratenhof. „Das können wir nur gemeinsam bewältigen“, Profis ebenso wie Ehrenamtler.