Bochum. An der Unistraße in Bochum steht eine Klimaschutzsiedlung. Durch einen Mix aus Sonnenenergie, Erdwärme, Biogas und mehr haben Mieter Vorteile.

Eine Streuobstwiese, ein begrünter Innenhof, Hochbeete in den Lüftungsschächten der Tiefgarage und eine lehmfarbene Fassade aus mineralischem Naturputz: Die Klimaschutzsiedlung auf dem Seven-Stones-Areal an der Universitätsstraße wird nach und nach eine real gewordene Zukunftsvision.

Während auf dem Nachbargrundstück erste Türme der Jan Snel GmbH in die Höhe ragen, zieht in die 236 Wohneinheiten der Klimaschutzsiedlung langsam Leben ein. Junge Bewohner tragen flink Kartons in ihr Apartment. Wer dort wohnt, entscheidet sich auch für die Energiewende.

Denn die Klimaschutzsiedlung der Bochumer Kappel Grundstücks- und Verwaltungsgesellschaft ist Teil des vom Land NRW geförderten Projekts, bei dem seit 2009 landesweit genau 100 Klimaschutzsiedlungen realisiert werden.

Neueste Technik: Pascal Wegner, Projektleitung bei der Firma Kappel (vorn) und Andreas Wiesmann vom Technischen Gebäudemanagement vor einer Regelanlage für Geothermie in der Siedlung an der Unistraße in Bochum.
Neueste Technik: Pascal Wegner, Projektleitung bei der Firma Kappel (vorn) und Andreas Wiesmann vom Technischen Gebäudemanagement vor einer Regelanlage für Geothermie in der Siedlung an der Unistraße in Bochum. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Ziel der Landesinitiative ist es, den wärmebedingten CO2-Ausstoß in Wohnsiedlungen und damit auch die Energiekosten konsequent zu reduzieren. „Sehr wichtig ist die Gebäudehülle, weil diese dauerhaft bleibt. Wie sich die Heiztechnik entwickelt, weiß ja heute noch keiner“, informiert Gabi Siedentop, Senior-Expertin bei der Energie-Agentur NRW, die das Projekt für das NRW-Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie koordiniert.

Bochumer Apartments haben eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung

Die Wohnblocks der Klimaschutzsiedlung in Bochum sind 28 Zentimeter dick gedämmt, die Verglasung ist thermobeschichtet und die Apartments haben eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Das heißt: Die Innenluft wird ausgetauscht, aber die wertvolle Wärme an die Frischluft übertragen.

Die Gebäude entsprechen nahezu dem Passivhausstandard und erfüllen den 40-Plus-Standard der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), bei dem durch Dämmqualität und Lüftungstechnik nicht nur ein geringer Primärenergieverbrauch vorausgesetzt wird, sondern auch eine eigene Strom erzeugende Anlage mit Batteriespeicher.

In der Energiezentrale gibt es ein komplexes technischen Zusammenspiel

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In einer NRW-Klimaschutzsiedlung liegen die zulässigen CO2-Emissionen beim Neubau etwa 50 bis 60 Prozent unter den Referenzwerten, die sich aus der Energieeinsparverordnung 2009 ergeben. Da die erneuerbaren Energien eine wichtige Rolle spielen, um die CO2-Produktion zu senken, hat die Energiezentrale in der Tiefgarage der Klimaschutzsiedlung viel zu bieten. Es handelt sich um ein komplexes technisches Zusammenspiel.

Die Fußbodenheizung der Wohnräume wird durch Geothermie gespeist. Dazu wurden mehr als 60 Löcher von je circa 100 Meter in die Erde gebohrt. Dort unten nehmen Erdsonden mit einem Trägerstoff die Erdwärme von aktuell etwa 10 Grad Celsius auf. Die Wärme wird dann oben in Wärmepumpen verdichtet und als heißes Wasser oder im Sommer auch als gekühltes Wasser in die Heizung geleitet.

Strom für die Wärmepumpen liefert eine Photovoltaikanlage auf dem Dach

Der Strom für die Wärmepumpen kommt von der großen Photovoltaikanlage auf dem Dach. „Wir haben eine Ost-West-Ausrichtung, dadurch haben wir nicht so eine große Spitze wie bei einer Südausrichtung, aber über den Tag verteilt mehr Ertrag“, erläutert Andreas Wiesmann vom Technischen Gebäudemanagement der Firma Kappel.

Zweite Klimaschutzsiedlung an der Hermannshöhe

Außer der Seven-Stones-Klimaschutzsiedlung an der Universitätsstraße entsteht im Rahmen der NRW-Landesinitiative „100 Klimaschutzsiedlungen“ in Bochum mit den Viktoriagärten eine zweite an der Hermannshöhe.

Es sollen 60 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern entstehen. Das Energiekonzept sieht eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung vor, Heizung und Warmwasser sollen über eine Holzpelletanlage zur Verfügung gestellt werden. Weitere Infos unter: www.energieagentur.nrw

Um die Solarenergie zu sammeln, stehen im Keller 30 Bleigel-Akkus, die insgesamt 300 Kilowatt speichern können. „Ziel ist eine Art Insellösung. Wir wollen so wenig Energie dazu kaufen wie möglich. Deshalb sind Batteriespeicher wichtig, um Energie zu speichern, die nicht sofort verbraucht wird“, erläutert Pascal Wegner, Projektleiter bei Kappel. Alleinig Biogas für das Blockheizkraftwerk wird zugekauft, um zum Beispiel Spitzenverbrauchszeiten abzudecken.

Der grüne Strom der Photovoltaikanlage und des Blockheizkraftwerks steht den Mietern zur Verfügung. Der Mieterstrom sei im Marktvergleich günstig, so Wiesmann. Auch dürften Mieter mit nur einem Drittel der Heiznebenkosten rechnen, die sonst üblich wären. Das wichtigste Sparpotenzial entfalte die Klimaschutzsiedlung allerdings bei den CO2-Emissionen. Durch die Anlagetechnik spare sie, im Vergleich zum Standard nach der Energieeinsparverordnung, 200 Tonnen CO2 im Jahr ein.