Bochum. Stefan Prange war lange arbeitslos. Der gelernte Elektriker wollte nicht von Hartz IV leben und ging mit 55 Jahren einen ungewöhnlichen Schritt.

Stefan Prange ist glücklich. Vor einigen Wochen hat er die IHK-Prüfung zum Fachlageristen bestanden. Das Erstaunliche daran: Er ist eigentlich gelernter Elektriker, war lange arbeitslos und wollte auf keinen Fall dauerhaft von Hartz IV leben. Stefan Prange ist 55. Und er startet beruflich noch einmal durch.

„Wir sind sicher, dass er bald einen Arbeitsplatz findet“, sagt Georg Sondermann, Geschäftsführer des Jobcenters Bochum. Stefan Prange hat aus seiner Sicht Vorbildcharakter.

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Kraft und Durchhaltevermögen

„Es ist bemerkenswert, was er geschafft hat.“ Nicht nur, weil er der erste Bochumer ist, der über die sogenannte Externenprüfung den Facharbeiterbrief als Lagerist erworben hat. Sondern, weil er Jahrzehnte nach seiner Ausbildung die Kraft gefunden und das Durchhaltevermögen bewiesen hat, um eine neuerliche Ausbildung zu absolvieren.

Und die war nicht ohne, Zweieinhalb Jahre hat sie gedauert, aufgeteilt in fünf Blöcke jeweils mit Teilprüfungen, damit Teilnehmer immer mal wieder auch pausieren können, wenn sie möchten. Stefan Prange aber hat durchgezogen. Und dann noch mit einer guten Note bestanden.

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Praktika im Christ-Zentrallager in Riemke

„Das war genau das Richtige“, sagt der Bochumer. Eigentlich wollte er über eine Qualifikation den Weg zurück in seinen ursprünglichen Berufe suchen. Der Jobcenter-Berater hat ihm empfohlen, etwas Neues anzugehen. Und das passte. Viel Theorie hat er in den vergangenen zwölf Monaten Corona-bedingt zu Hause gepaukt, hat ansonsten im Gisela-Vogel-Institut an der Bessemer Straße gelernt.

Weitere Mittel für den Sozialen Arbeitsmarkt

Um Langzeitbeziehern von Hartz IV den Weg zurück in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, wurde im Vorjahr der Soziale Arbeitsmarkt eingeführt.

Über das Teilhaberchancengesetz sollen in diesem Jahr 134 weitere Langzeitarbeitlose eine geförderte Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt finden. Am Ende des Jahres wäre dann 700 Arbeitnehmer über dieses Instrument integriert.

„Dort gibt es u.a. ein Hochregallager, so dass man richtig an die Schippe kommt.“ Und immer wieder gab es Praktika in unterschiedlichen Firmen. „Bei Christ in Riemke hat es mir am besten gefallen“, sagt Prange. Die Juwelierkette unterhält in dem Gewerbepark auf dem früheren Nokia-Gelände ihr Zentrallager. „Warenannahme, Kommissionieren, Staplerfahren. Es ist die Abwechslung, die mir an dem Beruf gut gefällt“, so der 55-Jährige.

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42,2 Millionen Euro für Eingliederungsmaßnahmen 2021

„Qualifikation“ steht für das Jobcenter auch in diesem Jahr an erster Stelle. „Wir geben zwei Drittel unseres Eingliederungstitels für Qualifizierung und Aktivierung aus“, sagt Georg Sondermann. Und das ist ein ziemlicher Batzen. 42,2 Millionen Euro stehen in Bochum 2021 für Maßnahmen zur Verfügung, mit denen die Rückkehr von Jobcenter-Kunden in den Arbeitsmarkt angegangen werden soll. Mehr als 1000 Kunden werden eine berufliche Aus- oder Weiterbildung beginnen. Denn: „Bochum ist ein sehr fachkräfteorientierter Arbeitsmarkt.“ Will sagen: Ohne oder mit nur geringer berufliche Qualifikation gibt es kaum eine Perspektive.

Wie fatal das ist, zeigt ein Blick in die Statistik der Langzeitarbeitslosen. Ihre Zahl ist 2020 um 23.5 Prozent gestiegen. Sie machen mittlerweile mehr als die Hälfte aller vom Jobcenter betreuten Arbeitslosen aus. Und: Knapp 4900 der betroffenen fast 7000 Menschen haben keine abgeschlossene Ausbildung. Etwa 70 Prozent.