Bochum. Vollzeitjob, Sport: Bevor sie Corona hatte, war das Bianca Jöhrens Alltag. Sie gilt als genesen, doch gesundheitlich ist nichts mehr wie es war.

Für Bianca Jöhren ist nichts mehr so, wie es Anfang des Jahres noch war. Da arbeitete die 53-Jährigen Vollzeit als Krankenschwester im Außendienst, machte viermal pro Woche Sport. Im Februar erkrankt sie an Corona, angesteckt bei einem Patienten. Erst fühlt es sich an wie eine starke Grippe, dann kommt Luftnot hinzu. Ins Krankenhaus muss die Lindenerin zum Glück nicht, sie gilt heute wieder als genesen. Doch gesund ist Jöhren lange nicht.

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„Manchmal habe ich keine Stimme, aber heute ist ein ganz guter Tag“, erzählt sie auf einer Bank in der Frühlingssonne in der Bochumer Innenstadt. Die 53-Jährige hört sich ein bisschen heiser an, wirkt auf den ersten Blick aber fit. Man merkt ihr nicht an, dass ihr Gesundheitszustand seit ein paar Wochen deutlich schlechter ist: „Ich bin oft müde, häufig tun mir die Beine weh. Ich kann gar nicht beschreiben wie, irgendwie so, als wenn ich zu lange auf einer Stelle stehe oder wie starker Muskelkater.“

Folgen der Corona-Infektion sind nach zwei Monaten noch spürbar

Weil Jöhren Asthma hat, hat sie schon vor der Corona-Erkrankung leichte Medikamente genommen. Während der Pandemie war sie stets vorsichtig, hat versucht zu viele Kontakte zu vermeiden – sowohl bei ihr als auch ihrem Mann war das berufsbedingt aber gar nicht möglich. Als ein Schnelltest bei ihrem Mann positiv ausfällt, begeben sich beide in Quarantäne und kontaktieren das Gesundheitsamt, ein paar Tage später steht fest: sie sind Corona-positiv.

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Auch nach 16 Tagen sind Jöhrens Symptome nicht weg – nach mehrmaliger Verlängerung wird sie aus der Quarantäne entlassen, um zum Arzt gehen zu können. Sie hofft, dass es nun aufwärts geht. Doch die Folgen der Corona-Infektion sind auch nach zwei Monaten deutlich spürbar.

Long-Covid-Syndrom: Müdigkeit, Wortfindungsstörung, kein Geschmackssinn

„Früher war ich immer unterwegs. Heute bin ich nach einer Stunde einkaufen erschöpft, auch die Runde mit den Hunden schaffe ich nicht mehr wie früher“, beschreibt die 53-Jährige. „Das frustet total.“ Noch immer ist ihr Geschmackssinn nicht komplett zurück. Medikamentös ist sie nun deutlich stärker eingestellt als früher aufgrund ihrer Asthma-Erkrankung.

Als Krankenschwester arbeiten kann Jöhren nicht, ihr Arzt hat sie krankgeschrieben. „Mir fehlt das total“, sagt sie. Auch ihr Mann bemerkt die Folgen von Corona. „Er hat zum Beispiel Wortfindungsstörungen und ist ebenfalls in Behandlung.“

„Das frustet total“, sagt Bianca Jöhren, die unter dem Long-Covid-Syndrom leitet.
„Das frustet total“, sagt Bianca Jöhren, die unter dem Long-Covid-Syndrom leitet. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Das Paar ist damit nicht allein. Laut RKI-Zahlen gelten mehr als 2,6 Millionen Menschen in Deutschland nach einer Corona-Infektion wieder als genesen. Doch viele von ihnen sind noch lange nicht gesund: Schätzungen zufolge haben etwa zehn Prozent mit Langzeitfolgen zu kämpfen, so die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Die Betroffenen leiden vor allem an Lungen- und Herzbeschwerden und fühlen sich häufig extrem erschöpft.

„Wenn nach sechs bis acht Wochen noch Atemnot vorherrscht, sollte das untersucht werden“

Patienten, die glauben, am Long-Covid-Syndrom zu leiden, sollten ihre Symptome genau beobachten und ihren behandelnden Arzt informieren. „Wenn nach sechs bis acht Wochen noch Atemnot vorherrscht, sollte das unbedingt untersucht werden“, sagt Prof. Claus Vogelmeier, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lungenstiftung.

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Studien aus China aus der ersten Welle zeigen, dass mehr als 75 Prozent von mehr als 1700 Erkrankten nach sechs Monaten noch mindestens ein Symptom haben, so ein Pneumologe. Eine gute Rückbildungstendenz gebe es jedoch nach 60 bis 100 Tagen, würden österreichische Daten zeigen. Die Symptome seien vielseitig, aber vorherrschend käme es zu mangelnder Belastbarkeit, Müdigkeit und Luftnot. „Bei stationär behandelten Patientinnen und Patienten treten zudem häufig Veränderungen der Lunge auf“, so der Experte.

Bianca Jöhrens Lunge zeigt Folgen der Corona-Erkrankung

Long-Covid-Syndrom? Hier gibt es Hilfe

Das Medizinische Qualitätsnetz Bochum (MedQN), Verbund der Haus- und Fachärzte, hat für die Bochumer Bevölkerung eine kostenlose Long-Covid-Beratung eingerichtet.

Wer unter dem Syndrom leidet, kann sich unter Tel. 0234/ 547 54 53 und per E-Mail unter long-covid@medqn.de melden – dann wird die Verbindung zu Fachleuten hergestellt.

Mediziner in allen Fachgebieten stehen mit Rat und Tat zur Seite stehen: Michael Behn, Lungenfacharzt, Dr. Philipp Stude, Facharzt für Neurologie, Dr. Jozef Colemont, Orthopäde, und Dr. Michael Tenholt, Kardiologe.

Auch Bianca Jöhrens Lunge hat Folgen von der Corona-Erkrankung davongetragen. „Ich war bei einem Lungenfacharzt und wurde im CT untersucht. Da hat sich gezeigt, dass sie nicht ganz in Ordnung ist“, so Jöhren. Auf der Lunge habe man eine Narbe gesehen, was auf eine vorherige Lungenentzündung hindeute. Der Frau aus Linden wurde vom Arzt das Long-Covid-Syndrom diagnostiziert.

Bianca Jöhren möchte erzählen, wie es ihr nach der Infektion ergeht. Denn sie ist sich sicher, dass sie damit nicht allein ist. Die 53-Jährige hofft, dass sie bald eine Reha machen kann, um wieder richtig auf die Beine zu kommen.