Essen. Das Ruhrgebiet könnte sich erneut für eine Bewerbung um den Welterbe-Status positionieren. Das findet nicht nur Zuspruch.

Es geht um 132 Standorte und den großen Wurf im zweiten Anlauf: Das Ruhrgebiet könnte sich mit seiner Industriekultur in diesem Jahr erneut für eine Bewerbung um den Welterbe-Status in Position bringen. 2014 war die Region mit einem ersten Versuch gescheitert und hat eine Reihe von Hausaufgaben mitbekommen. Mit einem 91 Seiten umfassenden neuen Antrag zur „Industriellen Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ will die federführende Stiftung Industriedenkmalpflege nun wieder den Hut in den Ring werfen.

Doch diesmal gibt es Bedenken und politischen Gegenwind. Und das könnte das Gesamtprojekt vorzeitig kippen.

Kritiker halten Bewerbung für rückwärtsgewandt

Bedenken treiben besonders die CDU-Fraktion im Ruhrparlament um, die zusammen mit der größeren SPD die Mehrheitskoalition in dem Regionalparlament bildet. Ihr Vorsitzender Roland Mitschke nennt eine Bewerbung mit Standorten der Industriekultur rückwärtsgewandt und kritisiert, dass ein wiederholtes Unterstreichen von Vergangenheit gegen alle Bestrebungen der Region stünde, die Zukunft im Blick zu haben.

„Wir müssen den Blick nach vorne richten und diese Region weiterentwickeln“, ist Mitschke überzeugt. Es müsse darum gehen, die Innovationsfreudigkeit und Kreativität im Ruhrgebiet voranzustellen. „Das ist auch der Kern unserer Imagekampagne.“

Ruhrgebiet soll als Kulturlandschaft mit 132 Elementen verstanden werden

Die Revier-Bewerbung ist zumindest ungewöhnlich: 132 einzelne Orte stehen in der Bewerbung - prägende Gebäude wie der Oberhausener Gasometer, die Jahrhunderthalle oder der Bottroper Malakoffturm am Schacht 2 der Zeche Prosper II, aber auch allerhand verbindende Eisenbahnlinien und sogar Flüsse. Das Welterbe Ruhrgebiet soll im Verbund verstanden werden - ein Netz mit 132 Ankerpunkten verteilt auf einem Teilgebiet der Region von 120 Quadratkilometern.

Kritiker führen eine Reihe möglicher Probleme ins Feld. Sie sorgen sich um künftige Entwicklungschancen, ärgern sich über eine zu späte Beteiligung der Städte und beklagen, dass der Unterhalt der künftigen Welterbe-Elemente zulasten anderer Fördermaßnahmen vor Ort gehen könnte. Wirtschaftlichen Fragen müssten geklärt werden, sagt auch Martina Schmück-Glock. Die Fraktionschefin der SPD im Ruhrparlament glaubt persönlich, dass ein Welterbe-Status der Region viele Chancen bereite. „Das lockt Touristen an, was entsprechende Effekte auf die Wirtschaft haben würde“, sagt sie. In ihrer Fraktion aber gebe es auch Kritiker. Beratungen seien noch nicht abgeschlossen.

Linke und FDP unterstützen Antrag: Nicht rückwärtsgewandt, sondern sinnstiftend

Das heißt es auch von der größten Oppositionsfraktion, den Grünen. Eigentlich hätte das Parlament längst über die Bewerbung entscheiden sollen - nun soll ein Workshop helfen, zu einem Beschluss zu kommen.

Einzig Linke und FDP unterstützen den Antrag der Industriedenkmalstiftung rundheraus. Linken-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Freye warnt vor einer verpassten Chance für die Region. Zu betonen, was diese Region erreicht habe, sei nicht rückwärtsgewandt, sondern sinnstiftend. Wirtschaftliche Risiken oder Hürden bei der künftigen Entwicklung der Standorte infolge eines Welterbe-Status sieht er nicht. „Die meisten Orte sind bereits Denkmäler“ - und vielfach in öffentlicher Hand.

Bochumer Stadtspitze nennt Antrag „folkloristisch“

Gegenwind gibt es indes auf kommunaler Ebene. Die Bochumer Stadtspitze um den SPD-Oberbürgermeister Thomas Eiskirch lehnt die Bewerbung rundheraus als „folkloristisch“ ab und lässt die Ratspolitik am 25. März darüber entscheiden. Dieses Votum ist ebenso entscheidend wie ein Beschluss des Ruhrparlaments. Denn dem Vernehmen nach will das Land NRW eine Ruhrgebiets-Bewerbung nur dann vorantreiben, wenn es sich der vollen Unterstützung in der Region sicher sein kann.

NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) hat laut CDU-Fraktion alle Städte, Kreise und das Ruhrparlament um ein politisches Meinungsbild gebeten. Schert das Ruhrparlament aus, schlägt das doppelt zu Buche - es ist ein Organ der Regionalverbandes Ruhr, der mit weiteren Kooperationspartnern und Denkmal-Eigentümern bereits Zustimmung zur Bewerbung signalisiert hat.

Nach Informationen der Linksfraktion im Ruhrparlament haben dem Regionalverband 38 Städte und alle vier Kreise ihre Zustimmung signalisiert. Demnach liegen 15 positive Rats- und ein positiver Kreistagsbeschluss vor. Neben Bochum haben auch die Rathäuser in Essen und Gelsenkirchen abgewinkt - damit wären ausgerechnet drei einflussreiche Großstädte außen vor.