Bochum. 150 Konzerte überall auf der Welt gibt der Jazzmusiker Chris Hopkins pro Jahr. Jetzt schlägt er sich mit komplizierten Förderanträgen herum.

Eigentlich wäre er jetzt wieder auf Tournee: 15 Konzerte quer durch ganz Deutschland standen im März auf dem Plan des Bochumer Pianisten Chris Hopkins (48). Vielfach ausgezeichnet, zählt er seit vielen Jahren zu den führenden Jazzmusikern des Landes. Doch seit Beginn der Pandemie ist nichts mehr wie zuvor: Statt in Konzertsälen in aller Welt zu gastieren, sitzt Hopkins daheim in Weitmar und schlägt sich mit ellenlangen Förderanträgen herum. Freiberufliche Musiker wie ihn trifft die Corona-Krise besonders hart.

Wann hatten Sie Ihren letzten Auftritt?

Hopkins: Das ist eine Weile her. Nach dem ersten Lockdown konnten wir im September noch zwei Konzerte bei den Kemnade-Swing-Nights auf Haus Kemnade geben. Dies natürlich unter allen Hygieneauflagen, die damit verbunden waren. Danach war dann bald wieder Schluss. Im Prinzip bin ich jetzt seit fast einem Jahr mehr oder weniger außer Gefecht gesetzt.

Wie geht es Ihnen dabei?

Es ist der Wahnsinn, aber ich versuche, mich nicht unterkriegen zu lassen. Normalerweise gebe ich 100 bis 150 Konzerte pro Jahr. Da macht man sich natürlich Sorgen, weil keiner weiß, wie es weitergeht. Unter diesen Ängsten leiden gerade viele freie Künstler, denn wir sind wie viele andere völlig unverschuldet in diese Situation geraten. Ich hatte einen erfolgreich laufenden Betrieb, dem einfach der Stecker gezogen wurde. Für viele ist das eine entwürdigende Situation, weil sie plötzlich als Bittsteller dastehen. Jeder, der festangestellt in Kurzarbeit geht, bekommt automatisch Unterstützung. Für freischaffende Künstler gilt das nicht: Wir müssen uns selbst um jede Förderung bemühen. Auch unabhängig davon finde ich, dass in der Gesellschaft dringend die Diskussion darüber geführt werden muss, welchen Wert und welche Bedeutung Kultur für die Menschen und die Gesellschaft hat.

Bekommen Sie Unterstützung?

Ja, ich komme schon über die Runden. Da geht es anderen viel schlechter als mir, die durch sämtliche Raster fallen und gar nichts bekommen. Gerade die staatlichen Wirtschaftshilfen für Solo-Selbständige sind eine Zumutung. Da sitzt man über 50-seitigen, eng bedruckten Anträgen, die nicht mal ein Steuerberater versteht. Außerdem ändern sich die Regelungen ständig, da steigt ein normaler Mensch überhaupt nicht durch. Dabei wird entgangener Umsatz so gut wie nicht ersetzt, lediglich mit Glück monatliche Fixkosten, welche die meisten Künstler nicht haben. Ich bekomme teilweise Überbrückungshilfen und bin in Stipendienprogrammen des Landes NRW sowie der Stadt Bochum, gerade letztere sind sehr hilfreich.

Haben Sie denn die leise Hoffnung, dass ein Konzertbetrieb unter Auflagen bald wieder möglich sein könnte?

Für mich gibt es keine andere Chance, als optimistisch nach vorn zu blicken. Vielleicht können wir ab Mai wieder spielen, mit Glück hält sich das bis in den Herbst, wer weiß das schon? Ich plane gerade im Rahmen der Kemnade-Swing-Nights ein kleines Festival im Juli. In diesem Jahr besteht die schöne Reihe seit 20 Jahren, das würde gewissermaßen als Doppeljubiläum großartig zur 700-Jahr-Feier der Stadt Bochum passen. Dafür sind wir gerade im Voting bei den Bürgerprojekten der Stadtwerke und freuen uns natürlich über jede Stimme im Internet.

Wie nutzen Sie die viele freie Zeit?

Ich habe zwei CDs mit Live-Aufnahmen produziert. Die erste „Chris Hopkins meets the Jazz Kangaroos“ ist bereits erhältlich und richtig toll geworden. Unmittelbar nach dem Erscheinen ist sie in Paris mit dem ‚Couleur Jazz Hit‘ prämiert worden. Das hat mir richtig Auftrieb gegeben. Daneben wurde auf meiner Internetseite ein neuer CD-Shop integriert, der ab heute online ist. Und ich nutze die Zeit, um viel Fahrrad zu fahren. Mittlerweile entdecke ich das ganze Ruhrgebiet für mich neu. Früher hatte ich ja recht wenig Zeit dazu.

Leben Sie gern in Bochum?

Sehr sogar. Ich bin immer froh darüber, im Herzen des Reviers zu leben. Neulich habe ich mit einem Kollegen in New York gesprochen, der gerade genauso beschäftigungslos ist wie ich und unter den horrenden Mieten dort leidet. Da bleibe ich lieber hier.

Info: 20 Jahre Kemnade Swing Nights

Chris Hopkins wurde 1972 in amerikanischen Princeton (New Jersey) geboren und lebt seit vielen Jahren in Bochum. Gleichermaßen versiert an Piano und Alt-Saxophon, zählt er zu den meistbeschäftigten Künstlern der internationalen Jazzszene.

Wer Hopkins' Bürgerprojekt "20 Jahre Kemnade Swing Nights" unterstützen möchte, kann noch bis Dienstag, 23. März, 12 Uhr, auf der Website der Stadtwerke Bochum dafür abstimmen. Weitere Infos unter hopkinsjazz.com